Schon vergessen? Am 9. November 1969 platzierten Anarchos in Berlin eine Bombe. Sie waren entschlossen, Juden zu töten. Teile der deutschen Linken fürchten diese Vergangenheit bis heute

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2012

Süddeutsche Zeitung, Fr 09.11.2012
Seite 3

Die Seite Drei
Schon vergessen?
Am 9. November 1969 platzierten Anarchos in Berlin eine Bombe.
Sie waren entschlossen, Juden zu töten.
Teile der deutschen Linken fürchten diese Vergangenheit bis heute

von Willi Winkler

Das Paket, das für Heinz Galinski in der Jüdischen Gemeinde abgegeben wurde, wirkte verdächtig. Der Hausmeister alarmierte sofort die Polizei, aber die fand nur ein Tonband. Eine Frau schimpfte da, Triumph in der Stimme: "Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus hat gezündet. Berlin dreht durch, die Linke stutzt. Springer, Senat und die Galinskis wollen uns ihren Judenknacks verkaufen. In das Geschäft steigen wir nicht ein."

Die Bombe war ein Brandsatz, er zündete nicht, jedenfalls nicht am 9. November 1969, als sich im Berliner Jüdischen Gemeindehaus 250 Gäste versammelt hatten, um an die Reichspogromnacht zu erinnern, mit der 31 Jahre zuvor die Vernichtung der Juden eingeleitet wurde. Wäre der Brandsatz hochgegangen - es wären vielleicht wieder Juden ermordet worden in Deutschland.

Es waren Anarchisten, die sich nach südamerikanischen Guerilleros "Tupamaros West-Berlin" nannten, linke Aktivisten, die die Gedenkfeier stören wollten. Sie hatten die selbstgebastelte Bombe im Jüdischen Gemeindehaus platziert und waren entschlossen, den "Judenknacks" zu bewältigen, indem sie nach Art ihrer Väter Juden umbrachten. "25 Jahre nach der faschistischen Diktatur kommt den Herren noch einmal ihre Vergangenheit hoch", höhnte die Stimme: "Für ihre Bewältigung ist es schon lange zu spät."

Die Vergangenheit vergeht nicht, schon gar nicht ist sie bewältigt. Das rituelle Gedenken an jedem 9. November erinnert regelmäßig daran und hilft doch wenig. "Wir werden dafür sorgen, dass euch die Scham vernichtet", tönte die unbekannte Frau. Schamlos beschmierten die Täter einen Gedenkstein mit den Wörtern "Al Fa-tah", "Schalom" und "Napalm". Sie legten es darauf an, Menschen zu töten.

Seit etlichen Jahren wird Dieter Kunzelmann als Anstifter des Brandanschlags auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin verdächtigt. Der Gaudibursch Kunzelmann, der 1967 die bald berüchtigte Kommune 1 gegründet hatte, suchte zwei Jahre später schon den Weg vom Wort zur Tat. Mit seinen Gefährten reiste er nach Jordanien in ein Palästinenserlager, wo er dem Fatah-Chef Jassir Arafat die Hand schütteln durfte, sich im Schießen und Bombenbauen unterrichten ließ.

"Wenn wir endlich gelernt haben, die faschistische Ideologie 'Zionismus' zu begreifen, werden wir nicht mehr zögern, unseren simplen Philosemitismus zu ersetzen durch eine eindeutige Solidarität mit Al Fatah, die im Nahen Osten den Kampf gegen das Dritte Reich von Gestern und Heute und seine Folgen aufgenommen hat", dröhnte Kunzelmann nach seiner Morgenlandfahrt.

Das "Dritte Reich von Gestern und Heute" bekämpfen durch Mordanschläge gegen Juden - auf diese Dialektik konnte nur Kunzelmann verfallen. Lothar Menne, ehemaliger Verlagsleiter von S. Fischer und Hoffmann und Campe, der Kunzelmann noch aus dessen Münchner Bohème-Zeit kennt, erlebte ihn schon in den frühen Sechzigern als Antisemiten. Man sollte "die Überbleibsel der in den Elternhäusern aufgesogenen Denkweisen auch bei linken Kindern der Dreißigerjahre, die ansonsten gegen die Generation ihrer Eltern aufbegehrten, nicht unterschätzen". Kunzelmann saß von 1970 an nicht wegen der Brandbombe, sondern wegen anderer Vergehen im Gefängnis, dann als Abgeordneter der Grün-Alternativen Liste im Berliner Abgeordnetenhaus. Heute lebt er, nach weiteren Aktionen, darunter einem vorgetäuschten Selbstmord, unbehelligt als Privatier in Berlin.

Für den Fernsehautor Georg M. Hafner ist der Fall klar: Nach der Rückkehr aus Jordanien wurde Kunzelmann " der Strippenzieher für die Al Fatah in Deutschland". So rechnet er ihm auch, ohne Beweise allerdings, den Brandanschlag auf ein jüdisches Altersheim in München zu, bei dem im Februar 1970 sieben Menschen starben. In einem Film Hafners ist Kunzelmann mit einer jungen Verehrerin zu sehen. Sie heißt Renate Künast und ist heute Abgeordnete der Grünen im Bundestag. "Er hat mir eine Menge beigebracht", hat sie ihrem Mentor einmal nachgerühmt: "Wie man gute Aktionen macht und den Nerv der Leute trifft." Und wenn der Nerv der Leute ein immer noch nicht eingestandener und als Erbe bewahrter Antisemitismus ist?

Selbstverständlich sei Künast bereit, Fragen nach Kunzelmann zu beantworten, nach der Brandbombe, die 1969 nicht bloß den Nerv der überlebenden Juden treffen sollte, sondern Juden töten sollte, versichert ihre Referentin am Telefon auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung . Sie brauche bloß noch ein wenig Zeit zum Nachdenken. Frau Künast denkt jetzt schon mehr als drei Monate nach und ist auch bei weiteren Nachfragen nicht zu einer Äußerung zu bewegen.

Auch andere tun sich schwer mit ihrer Vergangenheit. Dergrüne Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der Kunzelmann mehrfach als Anwalt verteidigt hat, reagiert gleich gar nicht auf Anfragen. 1991, im ersten amerikanischen Golfkrieg, hat er sich als Sprecher der Grünen mit der Erklärung hervorgetan, Israel habe es sich wegen seiner Politik gegenüber den Palästinensern selber zuzuschreiben, wenn jetzt Saddam Husseins Scud-Raketen vom Himmel regneten. Offenbar gibt es auf linker Seite die Neigung, sich die Sache der Palästinenser zu eigen zu machen. Im bewegten Jahr 1969 reiste auch Joschka Fischer, ein noch unbekannter, aber militanter Straßenkämpfer, nach Algier, um an einer Konferenz der PLO teilzunehmen, bei der die Endlösung Israels gefordert wurde.

Der Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus stieß 1969 bei allen linken Gruppierungen auf Ablehnung. Das Frankfurter "Palästina-Komitee", dem jüdische Studenten wie Ronny Loewy und Daniel Cohn-Bendit angehörten, brachte, aufgeschreckt durch den Anschlag, ein Flugblatt heraus, in dem das Attentat zwar verurteilt wurde, gleichzeitig aber die "Propagandisten des Zionismus" angegriffen wurden, die "die durch die Barbarei des Faschismus erzeugten Schuldgefühle, die in der BRD in einen positiven Rassismus in Gestalt des Philosemitismus umgeschlagen sind, in eine emotionale pro-israelische Stimmung umzukehren" versuchten: "Wer diesen Zusammenhang nicht durch Aktionen und Aufklärung durchbricht, fällt der palästinensischen Revolution in den Rücken."

Die palästinensische Revolution? Das klingt nach Terror-Unterstützung, aber das war lange vor dem Überfall eines Palästinenser-Kommandos auf die israelische Olympiamannschaft. 1969 gab es die RAF noch nicht, aber für den späteren Untergrundkämpfer Bommie Baumann war der Berliner Brandsatz der "Beginn der Guerilla in Deutschland".

Daniel Cohn-Bendit stört heute allenfalls die abstrakte Sprache der Erklärung, ansonsten kann er ihr noch zustimmen. Für das Frankfurter "Palästina-Komitee" war Israel ein "rassistischer Staat", der von dem Schein lebe, "daß jeder Angriff auf diesen Staat identisch sei mit Antisemitismus". Da sind die Frankfurter Studenten nicht weit von Michael Wolffsohn, der 1969 seinen Wehrdienst für genau diesen Staat ableistete. Der frisch emeritierte Professor an der Münchner Bundeswehrhochschule erzählt stolz, dass seine Tochter bald einen Abgeordneten der Linken heiraten wird. Über Antisemitismus redet man mit ihm in einem Café im Schatten der katholischen Theatinerkirche in München. Schon das Fuchteln mit dem Begriff Antisemitismus stört ihn: "Alles, was uns nicht passt, ist antisemitisch, und damit ist die Argumentation zu Ende. Das mache ich nicht mit."

Noch heute kann er auf Tag und Stunde den Moment benennen, als er nicht mehr dazu gehörte. Am 5. Juni 1967, als Israel in den Morgenstunden seine Nachbarn Syrien und Ägypten angriff, um einem Überfall zuvorzukommen, wurde in der Vollversammlung im Henry-Ford-Bau an der FU Berlin das erste Flugblatt verteilt, das nicht nur den israelischen Angriff verurteilte, sondern auch gleich das Existenzrecht Israels in Frage stellte. "Holla, dachte ich, bei aller Sympathie für die Anliegen der linken Studenten - das ist nicht das, was du willst."

Wolffsohn ging weg aus Deutschland und nach Israel, um seinen dreijährigen Militärdienst abzuleisten. "Ich war einer der ersten Besatzer", nämlich in den von Israel nach dem Sieg im Sechs-Tage-Krieg 1967 annektierten Gebieten. Mit Abscheu erinnert er sich der martialischen Gesänge, mit denen er und seine Kameraden durch Ramallah zogen, vorbei an den Palästinensern: "Ich empfand das als widerlich, diese Demonstration von Macht."

Obwohl Angehöriger der israelischen Armee, hatte er Verständnis für die Sache der Palästinenser: "Und wenn ich als naive schöne Seele mit ihr sympathisierte, wie sollte es erst anderen, vielleicht weniger schönen Seelen ergehen?" Gemeint sind die Seelen von der RAF, die sich bei den Palästinensern militärisch für den Guerillakampf in der Bundesrepublik ausbilden ließen - gemeint ist Kunzelmann. Wolffsohn konnte nie verstehen, dass sich Juden in Frankreich und Deutschland auf die Seite der Neuen Linken stellten. Die war mit den Palästinensern verbündet, die es darauf abgesehen hatten, Israel zu vernichten.

Er habe sich von den Palästinensern missbrauchen lassen, sagt KD Wolff. Der 69-jährige Gründer des Verlags Stroemfeld/Roter Stern wird es vielleicht noch erleben, dass sein Haus im Frankfurter Nordend zum Literaturdenkmal erhoben und eine Attraktion bei Stadtführungen wird. Aber die Fassade ist nicht alles, es kommt auch hier auf die inneren Werte an.

In diesem Haus ist die erste vollständige Hölderlin-Ausgabe entstanden; Heinrich von Kleist, Franz Kafka und Robert Walser folgten. Doch außer Büchern kam noch etwas aus diesem Haus: Vor vierzig Jahren formierten sich hier die "Revolutionären Zellen"; zwei ehemalige Verlagsmitarbeiter entführten 1976 eine Air-France-Maschine nach Entebbe und selektierten die Passagiere dort nach Juden und NichtJuden. Deutsche Intellektuelle und ausgerechnet Linke bestimmten - wie ihre Väter in Auschwitz - darüber, wer geschont wurde und wer nicht.

Zu behaupten, dass KD Wolff unwirsch reagiere, wenn er nach Details aus der Frühgeschichte des Verlags gefragt wird, wäre eine Untertreibung. Wolff, einst gut deutsch Karl Dietrich getauft, will nicht nochmal über die "Entebbe-Fahrer" reden, nicht über die "Revolutionären Zellen", die dem weltweit operierenden Terroristen Carlos zuarbeiteten, auch nicht über Magdalena Kopp, noch eine Verlagsmitarbeiterin, die Carlos zur Hand ging, ehe sie dem berühmtesten Guerillero nach Che Guevara ein Kind schenkte und seine Frau wurde. Er habe doch schon alles gesagt. Sein Verlag stehe wieder einmal vor dem Bankrott. Interessanter sei doch ein Blick auf die glücklich vollendete historischkritische Gottfried-Keller-Ausgabe!

Wolff ist rund und lächelt viel. Wenn er von 1969 spricht, dann von "dieser ekligen Veranstaltung". Er meint seinen Einsatz gegen den israelischen Botschafter Asher Ben-Natan im Frankfurter Audimax. Auf einem zeitgenössischen Foto ist Wolff mit einer vorgeschützten Flüstertüte zu sehen, mit der er den Botschafter am Reden hinderte. Erst solle der sich dafür entschuldigen, dass er protestierende Studenten als "Neo-Nazis" bezeichnet hatte. Der Botschafter entschuldigte sich nicht, son-dern fühlte sich an 1933 erinnert. Deutsche und palästinensische Studenten skandierten "Ha-ha-ha, Al Fatah ist da!" Nach einer Stunde ging der Botschafter. Die Zeitungen schrieben von "antisemitischen Störern", von einer "neuen SA".

Detlev Claussen, Schüler Theodor W. Adornos und heute selber Professor für Ge-sellschaftstheorie an der Universität Han-nover, hat sich gründlich mit dem Phäno-men Antisemitismus beschäftigt. Er war dabei, als Ben-Natan niedergebrüllt wurde. Er schämt sich nicht deswegen und hat eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Zusammen mit Cohn-Bendit und anderen hat Claussen 1969 in einem Bündnis von linken Palästinensern, linken deutschen und jüdischen Studenten mitgearbeitet, das bei der Veranstaltung von Ben-Natan dagegen protestierte, dass der jüdische Student Eli Löbel nicht reden durfte, weil er zuvor in Paris bei der Fatah gesprochen hatte. Zwei Tage nach der abgebrochenen Diskussion mit Ben-Natan sollte eine gemeinsame Veranstaltung von palästinensischen und jüdischen Studenten stattfinden, bei der der Antizionist Löbel und der Palästinenser Abdallah Frangi von Kerlen aus dem Bahnhofsmilieu zusammengeschlagen wurden. Darüber schrieben die Zeitungen nichts.

Noch vor Dieter Kunzelmann ist Detlev Claussen auf Einladung palästinensischer Kommilitonen zu den Palästinensern nach Jordanien gereist, um sich selber ein Bild von der Situation in den Flüchtlingslagern zu machen. Schon damals fiel ihm auf, wie anfällig die verschiedenen palästinensischen Gruppen für den "Gewaltfetischismus" waren.

Dieser Gewaltfetischismus fiel bald auch die deutsche Linke an. Palästina bot für Kunzelmann und später für die RAF alles, was der bald beendete Vietnamkrieg nicht mehr hergab: Waffen, Anti-Imperialismus und eine an Mao ausgerichtete Guerilla-Ideologie. Es ist und bleibt dies eine linke Geschichte.

KD Wolff erklärt, er schäme sich für seinen Auftritt 1969, und er habe später für sein Verhalten gegen Asher Ben-Natan um Entschuldigung gebeten. Trotzdem erschien in seinem Verlag noch im Herbst 1973, als sich Israel im Yom-Kippur-Krieg ein weiteres Mal gegen seine Nachbarn verteidigen musste, eine Broschüre mit Erklärungen des "Schwarzen September", jener Gruppe, die das Olympia-Massaker geplant und ausgeführt hatte. Von Scham ist da keine Spur; in einem von Wolff selber übersetzten Beitrag ist die Rede von der "Hitlerei" der damaligen israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir. Ähnlich äußerte sich Ulrike Meinhof, die den israelischen Verteidigungsminister Moshe Dayan mit Heinrich Himmler verglich und über den Staat Israel allen Ernstes schrieb: "Es hat seine Sportler verheizt wie die Nazis die Juden - Brennmaterial für die imperialistische Ausrottungspolitik."

In den Siebzigern hätten viele Linke, nicht nur Deutsche, ihren geistigen Horizont verengt, meint selbstkritisch Daniel Cohn-Bendit: "Das schlechte Gewissen gegenüber den Palästinensern war stärker als jede Solidarität mit dem Staat Israel." Der "rote Dany" war einst der prominenteste Barrikadenkämpfer im deutschen und im Pariser Mai. Heute ist er Europaabgeordneter der Grünen und lobt Helmut Schmidts Nachrüstungspolitik.

Im Frankfurter Westend, in dem einst der Häuserkampf tobte und der Jude Ignatz Bubis als "Immobilienhai" verrufen war, erscheint er mit dem Fahrrad vor dem österreichischen Lokal "Bei Franz". Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Europaparlament hat er es ständig mit der Parteinahme für die Palästinenser und gegen Israel zu tun. Mit Kritik an Israel finde man sich sofort bei den falschen Bündnispartnern wieder.

Cohn-Bendit erinnert an die größte Stunde seiner politischen Laufbahn. 1968 war's, als Charles de Gaulle den Sohn einer jüdischen Familie, die 1933 aus Deutschland fliehen musste, aus Frankreich ausweisen ließ. In Paris formierte sich eine Massendemonstration mit Linken, Liberalen, mit Arbeitern und Studenten, mit Arabern und Juden, die sich unter einem Transparent zusammenfand: "Nous sommes tous des juifs allemands !" (Wir sind alle deutsche Juden).

"Widerlich!" findet Wolffsohn genau diesen Aufzug: "Cohn-Bendit hielt ich immer für einen Schwätzer."

Es bleibt kompliziert. Aber wie steht es jetzt mit dem linken Antisemitismus, mit Israel und den Palästinensern? Cohn-Bendit rät den Deutschen, sich nicht so eifrig mit Israel und den Palästinensern zu beschäftigen. Doch er beruft sich auf Marek Edelmann, den Helden des Warschauer Aufstands, der in Polen geblieben ist. An die Adresse der Israelis habe er geschrieben: "Natürlich sind die Palästinenser Widerstandskämpfer. Sie wollen ihren eigenen Staat, und das ist ihr gutes Recht."

Kunzelmann schweigt. Ströbele meldet sich nicht. Renate Künast schweigt auch - und hofft, am Samstag aus der Ur-Wahl für die Spitzenkandidatur der Grünen als Siegerin hervorzugehen. Joschka Fischer will nicht an seinen Besuch bei Arafats PLO erinnert werden. Michael Wolffsohn hielt ihn deshalb als Außenminister für erpressbar. Der Antisemitismus, links wie rechts? "Die Juden sind der Mehrheitsgesellschaft nicht geheuer", sagt Cohn-Bendit, "auch nicht den zum Philosemitismus verpflichteten Leuten bei Springer. Die Juden sind ein Problem für die anderen."

Es bleibt die Scham, von der Kunzelmann und seine Leute 1969 sprachen und doch nichts wissen wollten.

"Es war, als sollte die Scham ihn überleben." Mit diesem Satz endet Franz Kafkas Roman "Der Prozess". Auch er erschienen im Stroemfeld-Verlag. Vor kurzem hat KD Wolff das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Er habe ihr viel beigebracht, sagte Künast über Kunzelmann, "wie man gute Aktionen macht"

Der linke Verleger KD Wolff will über die alten Zeiten nicht reden. Hat er denn nicht alles gesagt?

Es wird viel geschwiegen: keine Antwort von Künast, keine Antwort von Ströbele

Textergänzung:

Bildunterschriften: Kommune-1-Mitbegründer Dieter Kunzelmann (oben) bei der Haftentlassung in Berlin, 1975. Unten (von links nach rechts): Der Münchner Professor Michael Wolffsohn, die Grünen-Politiker Renate Künast und Daniel Cohn-Bendit bei einer Diskussion, schließlich der Frankfurter Verleger KD Wolff.

FOTOS: ULLSTEIN, DPA, DAPD, VARIO IMAGES