Frankfurter Allgemeine Zeitung, Fr 23. Dezember 1994 S. 1 Leitartikel Systematische Verlogenheit Von Eckhard Fuhr

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"Systematische Verlogenheit"
von Eckhard Fuhr

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Fr 23. Dezember 1994 S. 1

Politik
Leitartikel
Systematische Verlogenheit
Von Eckhard Fuhr

Ein alltägliches Beispiel: Fünfspaltig schlug die Berliner "tageszeitung" Alarm: "Noch sitzen sie nicht im Parlament, aber ,Das Parlament',
die Wochenzeitung der Bundeszentrale für politische Bildung, haben sie schon erobert: Die jungrechten Zitelmänner."
Die "Zitelmänner" durften, so berichtet die "taz", eine Ausgabe der Zeitschrift, die dem Allerweltsthema "Deutsche Streitfragen" gewidmet war,
"gleich im Alleingang vollschreiben".
Man erfährt in dem Artikel nicht, was die "Zitelmänner" geschrieben haben - das wird als bekannt vorausgesetzt
und nur mit einigen plakativen Adjektiven markiert: neurechts, jungrechts, revisionistisch.
Es geht der "taz" nicht um einen Streit mit Argumenten, sondern um das Aufdecken einer angeblichen Verschwörung.

In deren Zentrum sitzt, wie die Spinne im Netz, der, so die "taz", "revisionistische Historiker" Rainer Zitelmann
(der im übrigen nicht unter den Autoren des Heftes ist - um so schlimmer, er wirkt im Hintergrund).
Als "revisionistisch" werden gemeinhin solche Historiker bezeichnet, die die Realität des nationalsozialistischen Massenmordes an den Juden
in den Gaskammern leugnen oder zumindest in Frage stellen.
Das hat Zitelmann nie getan. Wem aber das Etikett "revisionistisch" angeheftet wird, der ist kein Gegner mehr im öffentlichen Streit, sondern ein Feind.
Und Feinde sind auch alle diejenigen, die in irgendeiner Weise mit Zitelmann in Verbindung stehen und sei es nur dadurch, daß sich ihre Namen neben dem Zitelmanns in Büchern oder Zeitschriften finden.
Besonders schlimm ist es, wenn sie zu denjenigen gehörten, die sich angesichts einer zurückliegenden Hetzkampagne vom vergangenen Frühjahr mit Zitelmann solidarisiert haben.

Den Kern des "taz"-Artikels bildet eine Liste von Kurzsteckbriefen.
Wie zur Fahndung ausgeschrieben erscheinen Autoren, die Beiträge zu der genannten Ausgabe des "Parlaments" geliefert haben:
"Herbert Ammon, Publizist, schreibt in der nationalrevolutionären Postille ,Wir selbst'; Eckhard Jesse, Historiker,
er verteidigte Zitelmann in einer ,Ehrenerklärung'; Wolfgang Templin, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, Autor der ,Jungen Freiheit', Unterzeichner des ,Berliner Appells',
solidarisierte sich ebenfalls mit Zitelmann" - und so weiter und so weiter.

Man könnte das als Beispiel einer linken Zwangshandlung abtun.
Denn zwar sind die linken Visionen und Welterklärungen zerstoben, doch es bleibt immer noch das Grundmuster politischen Denkens, unentwegt die Machenschaften des Bösen gegen das Gute, also Verschwörungen, aufzudecken.
Das war ohnehin die manchmal mit mörderischem Eifer betriebene Hauptbeschäftigung linker Politik, auch in Zeiten, als ihre prunkvollen Ideenkulissen noch standen.
Die Politik der Steckbriefe, des Prangers, der gesinnungspolizeilichen Fahndung
ist aber nicht der Fimmel einiger unzeitgemäßer Sonderlinge.
Sie prägt in zunehmendem Maße das, was man gerne "politische Kultur" nennt.
Der Rufmord ist ein alltägliches und weithin toleriertes Mittel im "Kampf gegen rechts",
und in diesem Kampf tanzt auch die politische Mitte ungeniert noch nach linken Pfeifen.
Die ehemaligen Avantgardisten der Menschheitsbefreiung sind zu Feldwebeln der Political Correctness geworden.
Sie halten Ordnung auf dem Appellplatz der demokratischen Zivilgesellschaft.

Der Präsidentschaftskandidat Heitmann wurde niedergemacht, weil er daran erinnerte, daß die Begriffe Frau und Mutterschaft in einem gewissen naturgegebenen Zusammenhang stehen, der gesellschaftspolitisch nicht einfach ignoriert werden dürfe;
des weiteren, weil er mahnte, die Angst großer Teile der Bevölkerung vor "Überfremdung" ernst zu nehmen; und schließlich,
weil er feststellte, daß aus den nationalsozialistischen Verbrechen nicht auf ewig eine politische Sonderrolle Deutschlands abgeleitet werden könne.
Heitmann hatte gleich drei Tabus verletzt. Damit war er "untragbar".

Im Falle Heitmanns ist noch direkt nachzuvollziehen, warum ihn der Kampagnen-Hammer traf.
Es sollte verhindert werden, daß der politische Konservatismus sich aus seiner geduckten Haltung erhebt, daß nur seine "zeitgemäße", terminologisch und ideell rundgelutschte Variante "salonfähig" bleibt.
Das Anti-Heitmann-Bündnis war entsprechend breit.
Bei der Bevölkerungswissenschaftlerin Höhn war der Anlaß der Kampagne -
ein von der "taz" erschlichenes Interview -
konstruiert, bei der Familienministerin Nolte war er läppisch.
Die eine wurde stellvertretend für eine ganze Wissenschaft,
die andere als Verkörperung eines nicht zeitgeistgemäßen Frauenbildes angegriffen.
Bevölkerungswissenschaft und Katholizismus haben nichts miteinander zu tun,
gehören aber beide nicht gerade zu den intellektuellen Quellen
eines um Individualismus, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung zentrierten Menschenbildes,
sind also eine potentielle "Gefahr"
für die Vorherrschaft der Diskurse des Multikulturalismus und des Feminismus.
Also muß man dort Alarm schlagen, Konsequenzen fordern, säubern.

Das politische Klima in Deutschland ist stickig geworden.
Unentwegt verteidigen ideologische Kammerjäger und Gesinnungsgouvernanten
Demokratie und Liberalität in der Bundesrepublik -
ausschließlich gegen "rechts" versteht sich.
"Linke" Kritik am demokratischen Staat müssen selbstbewußte Demokraten dagegen "aushalten".
Die wegen linksterroristischer Morde Verurteilte Möller konnte auf einer ganzen Zeitungsseite die Bundesrepublik schmähen.
Wo sind eigentlich die aufrechten Demokraten,
die sich eine derartige zum System erhobene Verlogenheit nicht mehr bieten lassen ?