»Widerstand gegen Besatzung ist legitim«. Gespräch mit Rechtsanwalt Eberhard Schultz

Aus InRuR

»Widerstand gegen Besatzung ist legitim«.
Gespräch mit Rechtsanwalt Eberhard Schultz
Interview: Markus Bernhardt

https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2007/02-22/005.php

Rechtsanwalt kritisiert stetigen Abbau von Grund- und Freiheitsrechten und wachsende Islamfeindlichkeit. Gespräch mit Eberhard Schultz

  • Eberhard Schultz arbeitet als Rechtsanwalt, spezialisiert auf Menschenrechte, in Bremen und Berlin. (menschenrechtsanwalt.de)

Sie halten am Sonnabend in Berlin bei einer Konferenz über Konzepte gegen Krieg und Besatzung im Nahen und Mittleren Osten einen Vortrag zum Thema »Feindbild Islam und Demokratieabbau«. Inwiefern hängen Islamophobie und Repression zusammen? Von der Verschärfung umstrittener Strafvorschriften über Kopftuchverbote, Gesinnungstests bei der Einbürgerung, erweiterten Ausweisungs- und Abschiebungsmöglichkeiten bis hin zur uferlosen Überwachung wurden die meisten Einschränkungen wie der Ausbau eines immensen Sicherheitsstaates offiziell damit begründet, daß sie im »Kampf gegen den internationalen Terrorismus« notwendig seien. Begleitet wurden und werden alle derartigen Maßnahmen mit massiven öffentlichen Kampagnen führender Politiker und Massenmedien gegen den »islamischen Fundamentalismus«. Mit der schönen neuen Welt einer neoliberalen Elite schotten wir uns in der Festung Europa gegen alle Einflüsse der bösen islamischen Welt ab.

Hat der Antiislamismus den Antisemitismus als bedeutendste Haßideologie abgelöst? Der Eindruck kann entstehen, wenn wir uns die täglichen Nachrichten und Horrormeldungen über »Ehrenmorde«, islamistische Gewalt an den Schulen, die Absetzung von Mozart-Opern und dergleichen vergegenwärtigen. Auch wenn manchmal tatsächliche Probleme aufgegriffen werden: Niemand käme auf die Idee, ähnliche soziale oder individuelle Gewalterscheinungen in der Mehrheitsgesellschaft als »christliche Gewalt« gegen Frauen, Kinder oder Ausländer zu charakterisieren. In allen Talkshows und Stammtischrunden wird die päpstliche Bann-Bulle des »aufgeklärten christlichen Abendlandes« gegen den »gewaltbereiten Islam« verbreitet, es wird deutschnational verkündet: »Wir dürfen nicht einknicken!« Vom gemeinen Moslem wird verlangt, daß er sich im vorauseilenden Gehorsam distanziert und denunziert, was das Zeug hält. Trotzdem bleibt auch der Antisemitismus zentraler Bestandteil des Rassismus, er hat offenbar längst wieder die Mitte der Gesellschaft erreicht.

Kann die Kriminalisierung islamischer Gruppen und Vereine auch andere politische Kräfte treffen, und ist diese Gefahr der politischen Linken bewußt? Wer die Geschichte und die Funk­tion derartiger Feindbilder untersucht, wird sehen, daß diese Gefahr groß ist, wie etwa das Beispiel des Feindbildes Kommunismus zeigt. Das Bewußtsein hierüber? Auch unter Linken ist die Rede von »Islamo-Faschisten«, die angeblich bis nach Berlin-Kreuzberg ihr Unwesen treiben.

Teile der politischen Linken stehen einer Zusammenarbeit mit dem politischen Islam ablehnend gegenüber. Ist es nicht ein schwerer Fehler, sich einer Zusammenarbeit mit antiimperialistischen Kräften aus dem irakischen Widerstand oder der palästinensischen Hamas von vornherein zu verweigern und so einen wichtigen Bündnispartner im Kampf gegen die Politik der USA preiszugeben? Im Kampf gegen völkerrechtswidrige Aggressionskriege und Besatzung ist Widerstand – auch gewaltsamer– legitim, solange er sich nicht gegen unbeteiligte Zivilisten richtet. Ob die genannten Organisationen Bündnispartner sein können, hängt für mich von zweierlei ab: zum einen, ob es sich um wirklich emanzipatorische Programme und Praxis handelt – der Feind meines Feindes ist noch lange nicht mein Freund! Und ob wir überhaupt international eine Kraft bilden, die sich mit anderen in diesem Sinne verbündet.

Verschiedene Berliner Zeitungen und Politiker haben in der Vergangenheit versucht, Veranstaltungen wie die am Sonnabend geplante zu kriminalisieren. Befürchten Sie eine Wiederholung? Nein, zur Zeit sehe ich keine große Gefahr. Haben doch auch die Berliner Gerichte nach einer notwendigen Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht den schlimmsten undemokratischen Auswüchsen erst einmal einen Riegel vorgeschoben. So bestehen auch gute Chancen, den Prozeß vor dem Verwaltungsgericht Berlin am 21. März gegen den Polizeipräsidenten zu gewinnen, der im letzten Jahr eine Auflage erteilt hatte, die das Zeigen von Symbolen und Bildern der Hisbollah verboten hat.


  • Seminar über die Situation im Nahen und Mittleren Osten und über mögliche Konzepte gegen Krieg und Besatzung, 24. Februar, 10 bis 18 Uhr, »Blauer Salon« im ND-Gebäude, Franz-Mehring-Platz 1, Berlin.