Braune Klänge aus Sachsen
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2014
Braune Klänge aus Sachsen
von Horst Freires
"Blick nach Rechts" 16.05.2014
Die rechtsextreme Musikszene im Freistaat
nimmt bundesweit eine Spitzenstellung ein –
die schwächelnde sächsische NPD baut auf den Wiedereinzug in den Landtag.
Das rechtsextreme Spektrum im Freistaat Sachsen
liegt dem aktuellen Landesverfassungsschutzbericht zufolge unverändert bei 2500 Personen.
Ein Drittel davon wird als gewaltbereit eingestuft.
Die rechtsextreme Musikszene
nimmt bundesweit eine Spitzenstellung ein,
obwohl deutlich weniger Konzerte stattgefunden haben.
Etliche Versand- und Vertriebseinrichtungen der Szene erzielen bundesweite,
ja sogar internationale Beachtung.
Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund
lag im Berichtszeitraum 2013 bei 1635 Vorfällen –
das ist ein leichter Anstieg von 1602 im Jahr zuvor.
Die Gewaltdelikte darunter sind auf 67 (plus 13) angewachsen.
Den meisten davon lag eine fremdenfeindliche Motivation zugrunde.
Lohnenswert ist ein Blick auf die Sachsen-NPD.
Sie steht vor einem entscheidenden Jahr.
Am 25. Mai tritt sie in vielen Städten und Gemeinden zur Kommunalwahl an.
Einige bei der vergangenen Kommunalwahl im Jahr 2009 errungene Sitze
hat die Partei inzwischen verloren,
weil es zu Parteiaustritten gekommen ist oder Mandate niedergelegt wurden.
Das Abschneiden vor Ort sichert den Nationaldemokraten
eine basispolitische Verankerung und Aufmerksamkeit,
bei der sie sich als vermeintliche Kümmerer
in der Opposition gerieren.
„Nationale Sozialisten Döbeln“ unter dem schützenden Parteidach
Aus existenzieller Sicht wichtiger für die NPD
ist aber der anstehende Wahlgang am 31. August für das Landesparlament.
In nicht unerheblicher Größenordnung als Stütze der Partei
baut diese aus finanziellen Gründen auf den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag,
in dem sie seit zwei Legislaturperioden vertreten ist.
Es bleibt abzuwarten, wie die internen Querelen
um den Ende des Vorjahres erfolgten Rückzug
von Holger Apfel aus der NPD-Landtagsfraktion
und vom Bundesvorsitz der Partei den Landesverband schwächen.
Es zeichnet sich ab,
dass Proteste gegen Asylbewerber,
zum Teil auch bürgerlich getarnt
und nicht offen unter dem Parteinamen,
sowie Propaganda gegen den Islam oder Moscheebauten
wie etwa in Leipzig
thematische Schwerpunkte im Wahlkampf darstellen.
Zahlenmäßig werden der NPD vom Verfassungsschutz 670 Mitglieder zugeschrieben,
und damit 30 weniger als zum Jahreswechsel 2012/2013.
Die Jungen Nationaldemokraten (JN)
als NPD-Jugendorganisation haben dagegen zuletzt von 50 auf 70 Mitstreiter zugelegt.
Repressiver behördlicher Druck auf parteiungebundene neonazistische Gruppierungen
haben unter anderem zu diesem Zuwachs geführt.
Das Zusammenwirken zwischen NPD und Neonazis
findet stets nach taktischen und strategischen Gesichtspunkten statt
und nicht immer nach inhaltlichen Überzeugungen und Übereinstimmungen.
Unter anderem haben sich nach dem aus dem Innenministerium verfügten Verbot
der „Nationalen Sozialisten Döbeln“ im Februar 2013
die dort aktiven Mitglieder
vielfach unter das vermeintlich schützende Parteidach
der NPD beziehungsweise JN begeben.
Die Zahl der organisierten aber parteilosen Neonazis
bewegt sich bei 980,
damit um 20 weniger als im vorhergehenden Jahresbericht.
Landesweit gibt es diverse Kameradschaften,
die sich aber nicht so nennen,
sondern Begriffe wie Freie Kräfte, Nationale Sozialisten, Schwarzer Orden, Terrorcrew, Widerstand, Freie Nationalisten, Autonome Nationalisten,
Aktionsbündnis oder Revolutionäre Nationale Jugend
mit anschließender Orts- oder Regionsbezeichnung verwenden.
Geleitet werden die Cliquen in der Regel von überregional vernetzten,
langjährig Szene-erfahrenen Führungsfiguren.
Die Zahl der unorganisierten, subkulturell auffällig werdenden Kräfte
hat sich von 800 auf 850 erhöht.
Die Neonazi-Partei „Die Rechte“ gründete zunächst einen Landesverband,
der sich aber am 18. März dieses Jahres auch schon wieder auflöste.
Mehrere 100 000 Euro Umsatz im Vertriebs- und Versandbereich
Die Zahl der aktiven Rechtsrock-Bands ist rückläufig,
die der wahrgenommenen Konzerte ebenfalls.
19 Bands wurden registriert (minus 10),
dazu vier Liedermacher (minus 1).
15 braune Konzerte fanden statt (minus 11) – der niedrigste Stand seit 2002.
Neu in Erscheinung getreten ist der Liedermacher „Piattmar“ (Döbeln),
die Band „Heiliges Reich“ (Raum Chemnitz)
sowie die Gruppe „Stahlfront“, bei der auch Musiker aus Thüringen mitwirken.
Im Durchschnitt wurden bei den Konzerten 220 Besucher angetroffen.
Gekoppelt mit den in Sachsen beheimateten Labels ist die Musikszene bundesweit dort immer noch am aktivsten.
Aus dem Freistaat stammen inzwischen immerhin 450 Tonträger.
Davon wurden bislang mehr als 90 indiziert.
An erster Stelle ist PC Records (seit 2000/Betreiber Yves Rahmel) aus Chemnitz zu nennen.
Aus Dresden kommt Opos Records (2007/Sebastian Raack),
aus Wurzen Front Records (2001/Thorsten Richter).
Zu den überregional bedeutsamen Vertrieben
gehört der NPD-nahe Deutsche Stimme-Verlag aus Riesa.
Größere Kundenstämme besitzen ebenfalls der Nation & Wissen-Verlag aus Riesa,
der Nordsachsen-Versand aus Eilenburg,
das Nationale Versandhaus aus Gohrisch,
The Clou aus Oelsnitz,
Libergraphix aus Gröditz
und der Propagandamaterial anbietende Repro-Versand aus Radeberg.
In diesem gesamten Bereich werden laut Verfassungsschutz
mehrere 100 000 Euro Umsatz gemacht.
Aktivitäten im Bereich Textildruck, Sonnenstudios oder Tätowierungsbetriebe bilden weitere finanzielle Geschäftszweige.
Starker Zulauf wird im Kampfsport beobachtet.
Eine Veranstaltung in Schildau im Landkreis Nordsachsen
frequentierten so mehr als 500 Teilnehmer und Besucher.
Mit Scenario Lok gibt es eine Fußballfan-Gruppierung aus dem rechten Milieu,
von der sich der 1.FC Lokomotive Leipzig distanziert
und gegen die entsprechenden Angehörigen
ein Verbot von Vereinsspielen ausgesprochen hat.
Die „braunen“ Fußballfans nutzen wie andere Neonazis
zusammen mit der NPD
eine Immobilie in der Leipziger Odermannstraße,
wo sogar Konzerte stattfanden.
Insgesamt hat der Verfassungsschutz in Sachsen
30 von „rechts“ genutzte Immobilien im Visier.
Dazu gehört auch das NPD-Bürgerbüro
unter der so genannten Bezeichnung „Haus Montag“ in Pirna.
Dies wurde dem Vernehmen nach von Eirik Ragnar Solheim
aus Norwegen erworben
(der Verfassungsschutz nennt den Namen nicht).
Nach außen wird von der Arbeit in dem Gebäude
eine Attitüde der italienischen faschistischen Bewegung Casa Pound zur Schau gestellt.
Verwunderlich ist allerdings,
dass im ansonsten oft akribisch abgefassten Verfassungsschutzbericht die insbesondere in Sachsen umtriebigen so genannten „Reichsbürger“ keinerlei Erwähnung finden.