Broders zynische "Witzchen" über die Kantine der KZ Gedenkstätte Dachau
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"Entweder Broder"
Henryk M. Broder & Hamed Abdel Samad
Am Arsch vorbei
29. Dezember 2010
in Kulturkritik und i second that
2 Kommentare
Henryk M. B. und sein Kumpane Abdel-S. sind nicht lustig
und ungefähr so provokant wie eine Deutschlandflagge am Reichstag,
oder rote Rote Beete findet Kay Sokolowsky
in der konkret 12/10
Deswegen gibt es den Text jetzt hier in der vollen Länge, kopiert
und eingefügt ohne freundliche oder sonstige Genehmigung des konkret-Verlags.
Wie seine TV-Serie »Entweder Broder« zeigt, ist der Journalist Henryk M. Broder in Deutschland voll integriert.
Broder gilt als Provokateur.
Doch er ist bloß ein Poseur, ein Hanswurst der Provokation.
Seit vielen Jahren besteht sein Geschäft darin, für Stunk zu sorgen, wo es sowieso schon streng riecht, und Leute auf genau die Palme zu bringen, an der er das Bein hebt.
Er will, daß einige sich über ihn aufregen, damit die meisten ihn für einen Helden des freien Worts halten.
Sobald der Qualm, den er in die Welt blies, sich verzogen hat, steht er da und behauptet, dies beweise erneut,
wie schwer es einem, der ja bloß die Wahrheit sagen will, gemacht werde.
Daß ihm eine überwältigende Mehrheit des Publikums zustimmt und die Medien ihn hofieren:
Davon spricht Broder natürlich nie.
Denn das würde Selbstreflexion erfordern, und für die hat er noch weniger Zeit als für alle anderen Formen von Nachdenklichkeit.
Seit neuestem ist Broder im Auftrag des Randgruppensenders ARD quer durch die Republik unterwegs.
Die fünfteilige Serie »Entweder Broder« sollte vermutlich die deutsche Antwort auf »Borat« werden, und, jawohl, deutsch ist das Zeug geworden.
So komisch wie der Titel wirkt die ganze Angelegenheit, so vorhersehbar wie die abschließende Reklame fürs »Buch zur TV-Serie« jede Pointe, die hier nach Drehbuch improvisiert wird.
In einem grell bemalten Volvo, der mit lauter Nippes vollgestopft ist, rollen Broder und sein Sidekick Hamed Abdel-Samad durchs Land, um all die Erkenntnisse zu gewinnen, die sie längst hatten.
Abdel-Samad, Autor eher ernstgemeinter Bücher, ist die Aufgabe zugewiesen worden, Broder zu widersprechen,
aber weil das so offensichtlich und Abdel-Samad meistens einer Meinung mit dem Gefährten ist, stellt sich dem Zuschauer bald die Frage, warum die Verantwortlichen von HR, SR und BR Broder überhaupt einen Buddy an die Seite gestellt haben.
Um zu beweisen, daß Broder gar kein Muslimfeind ist?
Mit dem Islam hat Abdel-Samad freilich lange schon nichts mehr am Hut, genau damit hat er sich einen Namen gemacht.
Oder soll demonstriert werden, daß man Broder mit einem anderen Menschen monatelang in ein Auto sperren kann und der andere trotzdem den Verstand behält? Das ist mißlungen.
»Wir leben in Deutschland«, sagt Abdel-Samad gleich zu Beginn der ersten Episode. »Man darf alles - vor allem, wenn man Ausländer ist.«
Broder erwidert: »Wenn der Polizist frech wird, beschweren wir uns über Fremdenfeindlichkeit.«
Leider äußern sie diese spontan einstudierten Bonmots nicht in einem Abschiebeknast am Frankfurter Flughafen,
sondern in einem Auto, das schon deswegen kein Polizist anhalten würde, weil es von einem Troß der ARD begleitet wird.
Kurz darauf fragt Abdel-Samad: »Was bedeutet eigentlich Integration?«
Broder antwortet: »Du benimmst dich mies, schlecht, wie ™ne Drecksau“ und keiner nimmt`s dir übel: Dann bist du integriert.«
Abdel-Samad macht jetzt einen auf unabhängiger Geist: »Typische Broder-Definition zu deinen Gunsten, weil du derjenige bist, der sich ständig schlecht benimmt.«
Sein Meister freut sich: »Ja! Und deswegen bin ich so gut integriert.«
Das ist aber keine Selbstironie, sondern nur der verkrampfte Versuch Broders, sich als Mann darzustellen, der Kritik aushalten kann.
Er will in der Tat, daß ihm was übelgenommen wird, nämlich seine Lobgesänge aufs politisch Inkorrekte, auf Neoliberalismus und Kulturkampf, auf Geert Wilders und die Intoleranz.
Er kann das aushalten, weil die Übelnehmer in der Minderheit sind; Broder ist so gut integriert,
weil seine reaktionäre Ideologie von den meisten Deutschen geteilt wird.
Das ließ sich gut beobachten, als er und Abdel-Samad am 4. November in der Late-Night-Show von Harald Schmidt auftraten, um für ihre Serie zu werben.
Dabei kam die Rede auch auf Szenen, die für »Entweder Broder« in einem ehemaligen Konzentrationslager gedreht worden waren.
»Die Cafeteria im KZ Dachau, die können wir jedem nur empfehlen«, erzählte Broder.
»Eine sehr schöne Atmosphäre, vollkommen entspannt, und man muß zugeben, nach 60 Jahren hat sich die Verpflegung wesentlich verbessert.«
Dafür erntete er ein »Hohoho« des Publikums, das ihn hätte erschrecken sollen,
wenn er`s nicht drauf angelegt hätte.
»Ich fand`s schon schlimm genug, daß meine Mutter im Lager gehungert hat«, setzte er hinzu, und wieder machte das Auditorium »hohoho«.
Möglicherweise will Broder mit diesen Geschmacklosigkeiten die allerdings dubiose Gedenkstättenkultur in Deutschland desavouieren.
Doch er vergißt dabei, daß auch Antisemiten die Gedenkstätten lächerlich finden und besonders laut lachen, wenn solche Witze von einem Juden gerissen werden.
Ein beifälliges Nicken von Nazischädeln dürfte Broder gleichfalls »provoziert« haben, als er auf »Spiegel online« die Vernichtungslager als die »härteste Schule« bezeichnete, »die das Leben einem bieten konnte«. Waren sie ja doch für was gut!
Broder ist eben nicht, wie Michael Hanfeld in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« über die Serie jubelte,
»Deutschlands härtester Satiriker«, sondern nur der platteste Polemiker.
Dazu paßt, daß er in »Entweder Broder« eine Sitzung der NPD in Berlin besucht, mit zwei Nazis plaudert und ihnen zum Abschied die Hände drückt.
Zwar putzt er sich anschließend die Finger mit einem Feuchtigkeitstuch,
aber er läßt Abdel-Samad auch wissen: »Die gehn mir am Arsch vorbei, diese Kacknazis.«
Würde er sich mehr vor ihnen gruseln als vor den alten SED-Kadern, die er in der nächsten Szene heimsucht, und wäre er nicht so fest überzeugt, daß man besser ein schlechter als ein Gutmensch ist, Broder unterließe es eventuell doch, auf ein »Hohoho«
zu spitzen, bei dem eben nicht er derjenige sein wird, der zuletzt lacht.
Aber wo Dummheit und Selbstverliebtheit so innig verbunden sind wie im Fall Broder, da liegt es nur nah, vorm Tor des Konzentrationslagers angesichts der berüchtigten Inschrift zu krähen: »Wenn die Nazis (den Satz) nicht verwendet hätten, wär das eigentlich okay - Nein, ich finde, "Arbeit macht frei"¹, weil Arbeit macht dich unabhängig.«
Sagt einer, der wie ein Hampelmann davon abhängt, daß seine Arbeit »provoziert«, und zwar den Beifall der neuen Rechten.
»Das ist doch die eigentliche Leistung der Moderne«, schwätzt er gelegentlich: »Daß du in die Lage versetzt wirst, dich von deiner Herkunft zu distanzieren.«
Als könnten seine Fans auch nur eine Sekunde lang vergessen, woher Broder kommt, als würden sie ihn nicht sofort für seine Herkunft hassen, falls er einen vernünftigen Gedanken äußerte!
Auf Vernunft jedoch kann man bei Broder so lange warten wie auf die Moderne in Deutschland.
Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad zu Gast bei Harald Schmidt
http://www.youtube.com/watch?v=86nOR7XxvfE
http://www.youtube.com/watch?v=kWDDb2ND95I
http://www.dailymotion.com/video/xfj053_henryk-m-broder-und-hamed-abdel-samad-bei-harald-schmidt_fun