Deutscher Bundestag: Drucksache 13/5434 vom 21.08.1996
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Neugermanisch-heidnische Gruppen und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland
21.08.1996
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Siegfried Vergin, Klaus Barthel, Ingrid Becker-Inglau, Hans-Werner Bertl, Dr. Marliese Dobberthien, Iris Follak, Günther Graf (Friesoythe), Angelika Graf (Rosenheim), Klaus Hagemann, Alfred Hartenbach, Frank Hofmann (Volkach), Hans-Peter Kemper, Marianne Klappert, Fritz Rudolf Körper, Walter Kolbow, Thomas Krüger, Erika Lotz, Dr. Christine Lucyga, Dorle Marx, Heide Mattischeck, Angelika Mertens, Dr.Jürgen Meyer (Ulm), Dr. Willfried Penner, Renate Rennebach, Bernd Reuter, Otto Schily, Dagmar Schmidt (Meschede), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Regina Schmidt-Zadel, Gisela Schröter, Johannes Singer, Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Wieland Sorge, Dr. Peter Struck, Wolfgang Thierse, Uta Titze-Stecher, Ute Vogt (Pforzheim), Jochen Welt, Hildegard Wester, Dieter Wiefelspütz, Rudolf Scharping und der Fraktion der SPD
Neugermanisch-heidnische Gruppen und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland
http://dip.bundestag.de/btd/13/053/1305349.pdf
Deutscher Bundestag: Drucksache 13/5434 vom 21.08.1996
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/054/1305434.asc
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Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Abgeordneten Siegfried Vergin, Klaus Barthel, Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
- Drucksache 13/5349 -
Neugermanisch-heidnische Gruppen und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland
Neugermanisch-heidnische Gruppen sind in Deutschland in der politischen
Diskussion ein noch weitgehend unbeachtetes Phänomen, obgleich sie eine
lange Tradition haben:
Sie bildeten sich schon Ende des letzten
Jahrhunderts, erhoben völkische Anschauungen zum Gegenmodell einer
modernen Gesellschaft und begründeten damit auch die nationalsozialistische Rassenideologie. Später hat Alfred Rosenberg, der Beauftragte Hitlers für die Überwachung der geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP, mit seinem Buch »Der Mythus des 20. Jahrhunderts« das Diktum der »Reinheit des Blutes« erhoben, und die NSDAP konnte manche Kader aus nordisch-heidnischen Zirkeln gewinnen.
Nach 1945 arbeiteten neugermanisch-heidnische Gruppen unbehelligt von Politik und Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland und bilden inzwischen ein gut funktionierendes Netzwerk aus Vereinigungen und Zirkeln, Kultstätten, Zeitschriften, Verlagen, Videoproduktionen und Firmen.
Gemeinsam ist ihnen: Sie lehnen Christentum, Judentum und/oder Islam als sogenannte artfremde, orientalische Religionen ab.
Verachtung gegenüber Menschen, die nicht »nordisch« sind, ist bis heute Kern der neugermanischen Ideologie, die auf drei Prinzipien beruht: nationale Gesinnung, Rassentheoretik und Blutmythos als Begründung des Führungsanspruchs der »germanischen Rasse«. Rassentheorie und Blut-und-Boden-Vorstellungen werden dabei häufig verschleiert.
Neugermanisch-heidnische Gruppen tragen zu einer rechtsextremen Reideologisierung bei.
Sie unterstützen zudem den unorganisierten
Rechtsextremismus durch die Bereitstellung von Organisationsstrukturen
und -formen.
Die deutschen neugermanisch-heidnischen Gruppen agieren international.
Es existieren Kontakte nach Frankreich, Island, Großbritannien, Polen,
Litauen, Rußland, Österreich und in die Schweiz.
1. Welche neugermanisch-heidnischen Gruppen sind der Bundesregierung
bekannt, und welche werden beobachtet?
Der Bundesregierung sind Auflistungen über entsprechende Gruppen aus
jüngerer Zeit, insbesondere aus Veröffentlichungen der Berliner Senatsverwaltung (Drucksache 12/4905 des Abgeordnetenhauses von
Berlin), sowie aus der Sekundärliteratur bekannt.
Eine »Beobachtung« von Gruppierungen der in der Kleinen Anfrage genannten Art durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, also gezieltes Sammeln und Auswerten von Informationen, kommt nur in Betracht, wenn und soweit tatsächliche Anhaltspunkte für politisch bestimmte Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c und Satz 3 BVerfSchG vorliegen.
Dabei ist jeweils insbesondere auch die grundgesetzliche Garantie der Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit (Artikel 4 Abs. 1 GG, Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 137 WRV) zu berücksichtigen.
Wenngleich die Frage, welche dieser Gruppierungen durch die Verfassungsschutzbehörden beobachtet werden, sich nicht für eine umfassende öffentliche Stellungnahme eignet, kann auf folgendes hingewiesen werden:
Das Bundesamt für Verfassungsschutz »beobachtet« im o. a. Sinne derzeit
u. a. die Organisationen
»Nordischer Ring e. V.« (NR),
»[[Die
Artgemeinschaft -- Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer
Lebensgestaltung e. V.]]«,
die »[[Gesellschaft für biologische
Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V.]]« (GfbAEV)
und den
»Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.« (BfG).
Bei einigen
weiteren Gruppierungen, die als neugermanisch-heidnisch bezeichnet werden können, wird das Vorliegen ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen geprüft.
Andere neugermanisch-heidnische Gruppen werden nicht (mehr) beobachtet, weil keine entsprechenden Anhaltspunkte bzw. Aktivitäten (mehr) erkennbar sind.
Die Zuständigkeit für lediglich regional aktive Gruppen liegt bei den Landesbehörden für Verfassungsschutz.
2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den 1995 im
niedersächischen Verfassungsschutzbericht genannten »Nordischen Ring«,
und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ziele der
Gruppe?
Der in Bredstedt (Kreis Nordfriesland) ansässige »Nordische Ring e. V.«
(NR) wurde 1974 von ehemaligen Mitgliedern der »[[Gesellschaft für
biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V.]]«
(GfbAEV) gegründet. Eine führende Funktion im NR nimmt Jürgen Rieger
ein. Der NR veröffentlicht in seiner Publikation »Nordische Zukunft«
rassistische Thesen, die die Erhaltung und Stärkung der nordischen
Rasse durch »Rassereinheitsgebote« und »Erbgesundheitspflege«
beinhalten.
a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Art und Weise, wie in
der Mitgliederzeitschrift der Rassenbegriff verbreitet wird?
Die vom NR verbreiteten rassistischen Thesen sind als
rechtsextremistisch zu bewerten.
b) Trifft es zu, daß der »Nordische Ring« seit 1974 ein
eingetragener Verein ist, und wenn ja, ist der Verein als gemeinnützig
anerkannt?
Beim NR handelt es sich um einen eingetragenen Verein. Im übrigen kann
sich die Bundesregierung wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 der
Abgabenordnung) nicht dazu äußern, ob eine Organisation als
gemeinnützig anerkannt ist.
c) Welche Angaben über Mitgliederzahlen liegen der
Bundesregierung vor?
Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz besteht der NR
aus rund 40 Mitgliedern.
d) Hat der »Nordische Ring« Verbindungen nach Frankreich,
Island, Großbritannien, Polen, Litauen, Rußland, Österreich oder in die
Schweiz, und wenn ja, wie lassen sich diese Verbindungen
charakterisieren?
Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor.
e) Ist der Bundesregierung bekannt, ob der »Nordische Ring«
Beziehungen unterhält zu dem im Bundesverfassungsschutzbericht 1992 als
Rechtsextremist und im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 1995
als Neonazi bezeichneten Jürgen Rieger, der sich als Vortragsredner bei
mehreren neuheidnischen wie auch rechtsextremen Gruppen betätigt, der
die »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und
Verhaltensforschung« leitet und der in seiner Schrift »Rasse -- ein
Problem auch für uns« die Ansicht vertritt, daß einige Rassen mehr zu
Verbrechen neigen würden als andere?
Ja. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.
f) Organisiert der »Nordische Ring« die Herstellung und
Verbreitung seiner Schriften und Publikationen nur national, und wenn
nicht, mit welchen ausländischen Partnern wird kooperiert?
Der NR verbreitet die Publikation »Nordische Zukunft« in Deutschland,
den Niederlanden und in Skandinavien. Weitergehende Erkenntnisse liegen
nicht vor.
g) Gehören dazu nach Erkenntnissen der Bundesregierung auch ausländische Versandbuchhandlungen oder Firmen, die in Deutschland verbotenes volksverhetzendes Propagandamaterial anbieten? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor.
3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die 1951
gegründete im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 1995 genannte Organisation »Die Artgemeinschaft«, die sich als »Kampfverband« versteht, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ziele der Gruppe? »[[Die Artgemeinschaft -- Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V.]]« stellt sich selbst als einen »Glaubensbund« dar, der der Bewahrung, Erneuerung und Weiterentwicklung der Kultur der nordeuropäischen Menschenart dienen und an die Wertvorstellungen der heidnischen Vorfahren anknüpfen will. Eigenen Angaben zufolge will die »Artgemeinschaft« nur »Artverwandte nordischen Menschentums« gewinnen, wobei sie davon ausgeht, daß diese vorwiegend im deutschsprachigen Raum, in den Niederlanden und den USA sowie in Flandern, England, Skandinavien, Australien, Neuseeland und Südafrika zu finden seien. Der rassistische Charakter der »Artgemeinschaft« spiegelt sich insbesondere in der vierteljährlich erscheinenen Publikation »Nordische Zeitung« wider, deren verantwortlicher Schriftleiter Jürgen Rieger ist. a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß in der Mitgliederzeitschrift »Stimme des Artglaubens« von »germanischer Mädchenerziehung«, von »germanischem Zuchtwillen« die Rede ist und die jüdische und christliche Religion als »Aberglaube« bezeichnet werden? Im Hinblick auf die in den Antworten zu Frage 1 und 3 wiedergegebenen Bewertungen der »Artgemeinschaft« erübrigt sich die Stellungnahme zu Teilzitaten. b) Ist der Bundesregierung bekannt, ob »Die Artgemeinschaft« Beziehungen zu dem in Frage 2 e bereits genannten Jürgen Rieger unterhält, der sich als Vortragsredner bei mehreren neuheidnischen wie auch rechtsextremen Gruppen betätigt, der die »[[Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung]]« leitet und der in seiner Schrift »Rasse -- ein Problem auch für uns« die Ansicht vertritt, daß einige Rassen mehr zu Verbrechen neigen würden als andere? Die »Artgemeinschaft« wird von Jürgen Rieger geleitet. c) Trifft es zu, daß »Die Artgemeinschaft« ein eingetragener Verein ist, und wenn ja, ist der Verein als gemeinnützig anerkannt? Die »Artgemeinschaft« ist ein eingetragener Verein. Im übrigen kann sich die Bundesregierung wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 der Abgabenordnung) nicht dazu äußern, ob eine Organisation als gemeinnützig anerkannt ist. d) Welche Angaben über Mitgliederzahlen liegen der Bundesregierung vor? Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat die »Artgemeinschaft« weniger als hundert Mitglieder. e) Hat »Die Artgemeinschaft« Verbindungen nach Frankreich, Island, Großbritannien, Polen, Litauen, Rußland, Österreich oder in die Schweiz, und wenn ja, wie lassen sich diese Verbindungen charakterisieren? f) Organisiert »Die Artgemeinschaft« die Herstellung und Verbreitung ihrer Schriften und Publikationen nur national, und wenn nicht, mit welchen ausländischen Partnern wird kooperiert? g) Gehören dazu nach Erkenntnissen der Bundesregierung auch ausländische Versandbuchhandlungen oder Firmen, die in Deutschland verbotenes volksverhetzendes Propagandamaterial anbieten? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. h) Trifft es zu, daß »Die Artgemeinschaft« 1995 Mitveranstalter der sogenannten fünften »Hetendorfer Tagungswoche« war, die im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 1995 als rechtsextreme Gemeinschaftsveranstaltung charakterisiert worden ist, an der »vor allem ältere Rechtsextremisten aus ganz Deutschland« teilnahmen (Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 1995, S. 36), was -- zitiert nach der 1995 erschienenen Publikation »Rechte machen Kasse« -- laut dem niedersächsischen Verfassungsschutz bundesweite Bedeutung hat, weil Hetendorf als Schulungsstätte und Treffpunkt rechtsextremer Gruppen fungiert? Ja.
4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die im
niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 1995 genannte »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung«, die von dem in Frage 2 e bereits genannten Jürgen Rieger geleitet wird, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ziele der Gruppe? Die von Jürgen Rieger geleitete »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V.« (GfbAEV) -- vgl. auch Verfassungsschutzbericht 1994, S. 154 -- vertritt rassistische Thesen und wendet sich insbesondere gegen eine Rassenmischung. 1995 beschloß die GfbAEV, ihren Sitz von Ellerau (Schleswig-Holstein) nach Moholm (Schweden) zu verlegen. a) Trifft es zu, daß im wissenschaftlichen Beirat der »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung« u. a. der führende Vertreter der Neuen Rechte in Frankreich Alain de Benoist sitzt, dessen Buch »Heide sein -- zu einem neuen Anfang?« als Standardwerk des Neuheidentums neben zahlreichen Übersetzungen auch im deutschen Grabert-Verlag erschienen ist, der im Bundesverfassungsschutzbericht 1995 als Vertriebsprogramm mit Büchern rechtsextremistischen Inhalts charakterisiert wird? In der GfbAEV-Publikation »Neue Anthropologie«, die seit längerem nicht mehr erschienen ist, wurde Alain de Benoist als Angehöriger des »wissenschaftlichen Beirats« der GfbAEV genannt. b) Trifft es zu, daß die »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung« ein eingetragener Verein ist, und wenn ja, ist der Verein als gemeinnützig anerkannt? Bei der GfbAEV handelt es sich um einen eingetragenen Verein. Im übrigen kann sich die Bundesregierung wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 der Abgabenordnung) nicht dazu äußern, ob eine Organisation als gemeinnützig anerkannt ist. c) Welche Angaben über Mitgliederzahlen liegen der Bundesregierung vor? Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gehören der GfbAEV rund 70 Personen an. d) Hat die »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung« Verbindungen nach Frankreich, Island, Großbritannien, Polen, Litauen, Rußland, Österreich oder in die Schweiz, und wenn ja, wie lassen sich diese Verbindungen charakterisieren? e) Organisiert die »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung« die Herstellung und Verbreitung ihrer Schriften und Publikationen nur national, und wenn nicht, mit welchen ausländischen Partnern wird kooperiert? f) Gehören dazu nach Erkenntnissen der Bundesregierung auch ausländische Versandbuchhandlungen oder Firmen, die in Deutschland verbotenes volksverhetzendes Propagandamaterial anbieten? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor.
5. Welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den laut
den 1994 von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« seit 1980 bestehenden, in Berlin agierenden, in der Antwort der Bundesregierung auf die Frage des Abgeordneten Vergin vom 24. Juli 1995 als Beispiel für neonationalsozialistische Vereinigungen, die sich der Pflege »germanischen Brauchtums« widmen, genannten »Asgard-Bund« und dessen Jugendgruppe »Wotans Volk«, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ziele der Gruppen? a) Schätzt die Bundesregierung den »Asgard-Bund«, dessen Anführer, ehemaliger Berliner Landesvorsitzender der inzwischen verbotenen Neonazi-Organisation »Deutsche Alternative«, im Mai 1995 zu einer Haftstrafe u. a. wegen Verunglimpfung des Staates, Bildung eines »bewaffneten Haufens« und illegalen Waffenbesitzes verurteilt worden ist und bei dem anläßlich einer Hausdurchsuchung Sprengstoff gefunden wurde (vgl. »blick nach rechts«, 14. Juni 1995), als eine zahlenmäßig unbedeutene Gruppe ein? b) Trifft es zu, daß laut dem vom »Asgard-Bund« herausgegebenen »Nordisch-Germanischen Jahrweiser« die Mitglieder sich für ein »wehrhaftes und freies Großdeutschland« einsetzen? c) Wie berurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß in dem im »Asgard-Bund« herausgegebenen »Nordisch-Germanischen Jahrweiser« an einstige SS-Größen, wie den Chef des SS-Sicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, späterer Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, oder den Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, erinnert wird? d) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das laut der Publikation »Handbuch Rechtsextremismus. Hrsg. v. Bernd Wagner, Reinbek 1994« dem »Asgard-Bund« angegliederte »Hauptschulungsamt Wotans Volk« und dessen Schulungsblätter? e) Ist der »Asgard-Bund« als gemeinnützig anerkannt? f) Welche Angaben über Mitgliederzahlen liegen der Bundesregierung vor? g) Hat der »Asgard-Bund« Verbindungen nach Frankreich, Island, Großbritannien, Polen, Litauen, Rußland, Österreich oder in die Schweiz, und wenn ja, wie lassen sich diese Verbindungen charakterisieren? h) Organisiert der »Asgard-Bund« die Herstellung und Verbreitung seiner Schriften und Publikationen nur national, und wenn nicht, mit welchen ausländischen Partnern wird kooperiert? i) Gehören dazu nach Erkenntnissen der Bundesregierung auch ausländische Versandbuchhandlungen oder Firmen, die in Deutschland verbotenes volksverhetzendes Propagandamaterial anbieten? Der 1980 von dem militanten Neonazi Arnulf-Winfried Priem gegründete und seit 1995 nicht mehr aktive »Asgard-Bund e. V.« beschränkte seine Aktivitäten im wesentlichen auf die Herausgabe des Kalenders »Nordisch- Germanischer Jahrweiser« sowie auf den Handel mit germanisierenden Devotionalien und neonazistischen Videos. Arnulf-Winfried Priem wurde am 23. Mai 1995 vom Landgericht Berlin wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Verfassungsorgane, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, unbefugten Waffenbesitzes und Bildung eines bewaffneten Haufens zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren ohne Bewährung verurteilt. Im übrigen wird auf die Zuständigkeit der Landesbehörde für Verfassungsschutz Berlin und den dortigen Verfassungsschutzbericht verwiesen (vgl. z. B. Verfassungsschutzbericht Berlin 1993, S. 37 f. und 1995, S. 88). Im Hinblick auf das Steuergeheimnis (§ 30 der Abgabenordnung) kann eine Stellungnahme zur Frage der Gemeinnützigkeit des »Asgard-Bundes e. V.« nicht erfolgen.
6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den
»Armanenorden«, der laut »PPP-Hintergrund-Dienst« vom 7. Dezember 1994 aus der »Guido von List Gesellschaft« 1976 entstand und der laut Satzung »das germanische Volkstum als Hauptstamm der weißen Rasse« präsentiert, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ziele der Gruppe?
7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die in dem
Artikel »Wotans Erben spinnen sich ein« (vgl. Süddeutsche Zeitung, 18. Januar 1994) und im »blick nach rechts« vom 1. Mai 1996 genannte »Arbeitsgemeinschaft naturreligiöser Stammesverbände Europas (ANSE)« und ihre Mitgliederzeitschrift »Huginn und Muninn«, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ziele der Gruppe?
8. Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Firma »Germania«,
mittlerweile umbenannt in »Lebensquell«, laut der 1995 erschienenen Publikation »Rechte machen Kasse« auf Zuschriften mit »teutschem Heil« antwortet und neben dem Vertrieb eines Militärarsenals auch Flugzettel und Vereinszeitschriften druckt?
9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von
der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Germanische Glaubens-Gemeinschaft«, die laut der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie schon in den 30er Jahren aktiv war und eindeutig völkisch-rassistische Positionen vertreten hat, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ziele der Gruppe? 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die von der Berliner Senatsverwaltung für Inneres bereits 1984 in der Publikation des Landesamtes für Verfassungsschutz »Völkische Gruppen in Berlin (West)« zu den völkisch orientierten Gruppen zugerechnete »Heidnische Gemeinschaft«, die frühere »Heidnische Glaubensgemeinschaft«, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ziele der Gruppe? 11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Gemeinschaft für Heidnisches Leben«, 1990 umbenannt in »Tempel der Semnonen« und deren Ziele? Eigene, weitergehende Erkenntnisse liegen dem Bundesamt für Verfassungsschutz zu diesen Organisationen derzeit nicht vor. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählenden, aber eher völkisch geprägten »Bund für Gotteserkenntnis« bzw. die sogenannte Ludendorff-Bewegung und deren Ziele? Der »Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e .V.« (BfG) ist eine 1937 gegründete, rund 240 Mitglieder umfassende Weltanschauungsgemeinschaft (vgl. insoweit die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 1971, BVerwGE 37, 344 ff.), die von dem Arzt Dr. Günther Duda geleitet wird. Als Mitteilungsblatt des BfG dient die im Verlag »Hohe Warte« erscheinende Schrift »Mensch und Maß«, die von Freiherr Franz Karg von Bebenburg herausgegeben wird. In ihr und bei Veranstaltungen des BfG wird die antipluralistische und rassistische, insbesondere antisemitische Weltanschauung der Mathilde Ludendorff vertreten. Der BfG und seine Schrift »Mensch und Maß« wurden in der Vergangenheit mehrfach in den Verfassungsschutzberichten des Bundes erwähnt, so z. B. in den Berichten 1983 (S. 143), 1984 (S. 161) und 1986 (S. 187).
13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende bzw. von der Berliner Senatsverwaltung für Inneres in den Publikationen »Rechtsextremismus in Berlin« (1994) bzw. »Völkische Gruppen in Berlin (West)« (1984) dem Rechtsextremismus/den völkischen Bewegungen zugeordneten »Gylfiliten« und deren Ziele? 14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Gemeinschaft der Goden« und deren Ziele? 15. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Nordische Glaubensgemeinschaft« und deren Ziele? 16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Irminsul« und deren Ziele? 17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Mistelcoven« und deren Ziele? 18. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Schildgemeinschaft« und deren Ziele? 19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Deutschvolk« und dessen Ziele? 20. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählenden bzw. von der Berliner Senatsverwaltung für Inneres in den Publikationen »Rechtsextremismus in Berlin« (1994) bzw. »Völkische Gruppen in Berlin (West)« (1984) dem Rechtsextremismus/den völkischen Bewegungen zugeordneten »Völkischen Freundeskreis Berlin« und dessen Ziele? 21. WeIche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende bzw. von der Berliner Senatsverwaltung für Inneres in den Publikationen »Rechtsextremismus in Berlin« (1994) bzw. »Völkische Gruppen in Berlin (West)« (1984) dem Rechtsextremismus/den völkischen Bewegungen zugeordneten »Vandalen-Ariogermanische Kampfgemeinschaft« und deren Ziele? 22. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das in der 1995 erschienenen Publikation »Braune Magie? Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus« erwähnte »Thule-Seminar« und dessen Ziele? 23. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende bzw. von der Berliner Senatsverwaltung für Inneres in den Publikationen »Rechtsextremismus in Berlin« (1994) bzw. »Völkische Gruppen in Berlin (West)« (1984) dem Rechtsextremismus/den völkischen Bewegungen zugeordnete »Wotans Volk« und dessen Ziele? 24. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die laut den von der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und Familie 1994 herausgegebenen »Informationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen« zu den neugermanischen und heidnischen Zusammenschlüssen in Deutschland zählende »Deutschgläubige Gemeinschaft« und deren Ziele? Auf die Antwort zu den Fragen 6 bis 11 wird verwiesen. 25. Wie beurteilt die Bundesregierung unter verfassungsschutzrelevanten Gesichtspunkten die Vernetzung untereinander und die Zusammenarbeit der genannten Gruppen mit rechtsextremen Organisationen, Verlagen und Parteien? Es bestehen Verbindungen verschiedener neugermanisch-heidnischer Gruppen, insbesondere aufgrund der Betätigung ihrer Mitglieder in mehreren solcher Gruppen. Teilweise erfolgt auch eine Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen. Insgesamt gesehen verfügen die neugermanisch-heidnischen Gruppen nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden in der neonazistischen Szene aber derzeit kaum über Ausstrahlungskraft; eine programmbildende oder strategische Bedeutung ist nicht erkennbar. 26. Welche der vorgenannten Gruppen werden durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 27. Welche der vorgenannten Gruppen werden nach Erkenntnissen der Bundesregierung von Personen besucht, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind? Es ist bekannt, daß in einigen neugermanisch-heidnischen Gruppen Rechtsextremisten aktiv sind. Im übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1, 6 bis 11, 13 bis 24 und 25 verwiesen. 28. Wird die Bundesregierung prüfen, welche der vorgenannten Gruppen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz in Zukunft zu beobachten sind? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.
29. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, insbesondere im Hinblick auf die Gefährdung Jugendlicher durch die in der Kleinen Anfrage angesprochenen Gruppen? Auf die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Gertrud Dempwolf vom 28. November 1994 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Renate Rennebach (SPD), Drucksache 13/59, S. 17, Frage 33, wird verwiesen.
Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des
Bundesministeriums des Innern vom 20. August 1996 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich -- in kleinerer Schrifttype -- den Fragetext.
21.08.1996 nnnn