Fragwürdiges Erinnern

Aus InRuR

05.09.2012 / Schwerpunkt / Seite 3
Fragwürdiges Erinnern
Rosa-Luxemburg-Stiftung und Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick eröffnen Ausstellung über DDR-Vertragsarbeiter.
Von Daniel Bratanovic
Eine junge Vertragsarbeiterin aus Moçambique zusammen mit einer DDR-Kollegin im VEB Maliter Hohenstein-Ernsttahl
Foto: jW-Archiv
Das hatten sich die Macher vermutlich anders vorgestellt: Bei der Ausstellungseröffnung der Veranstaltungsreihe »Bruderland ist abgebrannt – Einwanderung, Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus in der DDR« am Montag abend im Zentrum für Demokratie im Berliner Stadtteil Treptow-Köpenick hatten nicht sie, sondern deren Kritiker die Diskus­sionshoheit inne. Die Veranstalter kamen kaum zu Wort. Gestritten wurde um den Gegenstand der Ausstellung, die gemeinsam von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Helle Panke e.V. und dem Zentrum für Demokratie präsentiert wurde: Der Umgang mit den Vertragsarbeitern in der DDR.

Zwischen 1965 und 1989 beschäftigte die DDR Zehntausende ausländische Arbeitskräfte und Auszubildende aus Vietnam, Moçambique, Angola, Kuba, Ungarn und Polen. Diese Vertragsarbeiter dienten der Verstärkung unterbesetzter Arbeitsbereiche wie beispielsweise der Leichtindustrie und der Konsumgüterindustrie. Die Bedingungen, Aufenthaltsdauer, Rechte und Anzahl der Vertragsarbeiter wurden vertraglich mit der jeweiligen Regierung durch einen Staatsvertrag ausgehandelt. Die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung variierte je nach Herkunft zwischen zwei und sechs Jahren. Eine Integrationsabsicht bestand nicht. Nach Ablauf der vertraglichen Frist verließen die Vertragsarbeiter in der Regel die DDR und kehrten in ihre Heimat zurück. Umgekehrt bot der Aufenthalt in der DDR ihnen die Möglichkeit zur Berufsausbildung und Qualifizierung für spätere Aufbauarbeiten in ihrem Herkunftsland.

Ein Umstand, der von der Ausstellung an keiner Stelle gewürdigt wurde. Nach einer ausgewogenen Darstellung suchte man vergeblich. Statt dessen überwog die Absicht, auch dieses Kapitel der DDR-Geschichte in düsteren Farben zu zeichnen. Davon kündete bereits der Einladungstext mit dem Tenor: »Billige Arbeitskräfte für die marode DDR-Wirtschaft«. Die Ausstellungstafeln knüpften daran unmittelbar an. So habe man den ankommenden Arbeitskräften die Pässe abgenommen und sie in Wohnheime gesteckt, wo sie abgeschottet von der einheimischen Bevölkerung gelebt hätten. Bei Verstoß gegen die sozialistische Arbeitsdisziplin und im Falle einer Schwangerschaft habe die Ausweisung gedroht. Selbstverständlich durfte der unvermeidliche Dauerbrenner auch nicht fehlen: Die Stasi hat die Vertragsarbeiter als potentielle Klassenfeinde betrachtet und unter Beobachtung gestellt. Belege waren indessen weitgehend Fehlanzeige. In auffälligem Kontrast dazu standen die persönlichen Erinnerungen einzelner Vertragsarbeiter, die Bestandteil der Ausstellung sind. Dort findet sich keine Bestätigung dieser allgemeinen Behauptungen. Sie zeigen vielmehr, vor welche Probleme sich die Menschen nach dem Ende der DDR plötzlich gestellt sahen: Arbeitslosigkeit, Rassismus, drohende Abschiebung.

Eine deutliche Mehrheit der etwa 30 Veranstaltungsteilnehmer widersprach der Intention und dem Inhalt der Ausstellung. Viele der Anwesenden, die damals in verschiedenen Funktionen die ausländischen Arbeitskräfte betreut hatten, schilderten ihre Erfahrungen und kamen zu anderen Schlußfolgerungen. Der Konrad-Adenauer-Stiftung hätte sie zur Ehre gereicht, für die Rosa-Luxemburg-Stiftung sei sie eine Zumutung, merkte ein Teilnehmer an, und ein in der DDR aufgewachsener Kubaner fügte hinzu: »Diese Ausstellung ist eine Beleidigung für die Ausländer ebenso wie für die DDR-Bürger.« 

http://anonym.to/?http://www.jungewelt.de/2012/09-05/046.php