Geistige Brandstifter bei der Brandenburger Feuerwehr
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Mi 25.11.2015 | 22:15 | KLARTEXT Wer löscht das Feuer? - Geistige Brandstifter bei der Brandenburger Feuerwehr
Sieg-Heil-Rufe an der Landesfeuerwehrschule, ein NPD-Sympathisant als Oberfeuerwehrmann und ein ehemaliger führender Neonaziführer als Jugendwart. Wenn ausgerechnet Feuerwehrleute zu geistigen Brandstiftern werden, ist das vor allem in Zeiten wie diesen gefährlich. Doch die Feuerwehrführung und Politik in Brandenburg unterschätzen die Gefahr.
Anmoderation: Was schätzen Sie: Wieviele Menschen sind in Brandenburg ehrenamtlich bei der Freiwlligen Feuerwehr? Sage und schreibe rund 40.000 sind es! Ohne sie wären wir im Brand- und Katastophenschutz aufgeschmissen. Ihr gesellschaftliches Engagement ist unverzichtbar, gerade auch in der Jugendarbeit. Umso so irritierender, dass sich in einigen Feuerwehren in Brandenburg offenbar ungehindert Neonazis und Ausländerfeinde tummeln dürfen. Helge Oelert.
Eine Anti-Asyl-Demonstration Anfang November in Velten, im Speckgürtel von Berlin.
"Überfordert durch die ganze Asylantenflut"
200 Teilnehmer, die Stimmung: zwischen Zukunftsangst und Aggression…
„Lügenpresse“
Offen wird mit Gewalt gegen Flüchtlinge gedroht.
„Die sollen sich nicht täuschen. Wenn wir erwachen, können wird auch böse werden.“
Der Anmelder der Demo ist nicht irgendwer. Maik Neuber hat sich zur Aufgabe bekannt, seinen Mitmenschen zu helfen. Denn er ist Oberfeuerwehrmann der Freiwilligen Feuerwehr in Marwitz. Vor unsere Kamera will er sich nicht äußern.
Maik Neuber: „Sie belästigen mich hier.“ Reporter: „Aber Sie sind doch der Anmelder“
Bei Facebook ist er weniger öffentlichkeitsscheu, posiert für die NPD mit deren Anti-Asyl-Aufrufen. Quasi im Gegenzug wirbt die NPD für die Feuerwehr. Doch Brände zu löschen und ein politischer Brandstifter zu sein, sei unvereinbar meint der Innenminister.
O-Ton Karl-Heinz Schröter (SPD), Innenminister Brandenburg Das ist absolut nicht vereinbar, und ich gehe davon aus, dass man da ganz schnell auch die nötigen Konsequenzen einleitet.
Das wäre zu wünschen, denn an sich steht die Feuerwehr für menschliches Miteinander und Solidarität. Am vorletzten Wochenende feierte man das 25-jährige Bestehen des Brandenburger Landesverbandes. Gerade ihr positives Image macht die Feuerwehr auch für rechte Demagogen so attraktiv. Dem müsste man sich stellen, statt die zu kritisieren, die das Problem von rechts benennen.
O-Ton Redeausschnitt Werner-Siegwart Schippel, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Brandenburg Wir verwahren uns gegen Darstellungen, dass Feuerwehren ganz besonders anfällig für Nazis oder rechtsextremes Gedankengut sind und man uns in die braune Ecke drängen kann.
Für viel Wirbel sorgte ein Fall an der Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt: Auszubildende hatten dort Nazi-Musik gehört und Sieg Heil gerufen. Statt offen damit umzugehen, schien die Schule eher unter den Teppich kehren zu wollen. Ein Mangel an nötiger Sensibilität.
Den beweist auch ein haarstäubender Fall, den Klartextrecherchen in Freidorf an Licht brachten. Ein 150-Einwohner-Ort bei Halbe, 60 Kilometer südlich von Berlin. Hier finden sich viele Indizien rechtsradikalen Denkens – von der Klamottenmarke „Thor Steinar“ bis zu Propaganda „Nationaler Sozialisten“.
Ein Blick auf den Aushang der örtlichen Feuerwehr könnte helfen, das zu verstehen: Jugendwart ist hier „Reinhard Golibersuch“. Ein Name, der eigentlich irgendjemandem hätte auffallen müssen. Denn eben jener Reinhard Golibersuch war in den 80ern ein bekannter Kopf der Neonazi-Szene. Damals verkündete er als Führer der „Nationalen Aktivisten“, West-Berlin innerhalb eines Jahres ausländerfrei zu machen.
O-Ton Reinhard Golibersuch (1983) Zuerst die Ausländer, die sich im Hinblick auf die Gesetze kriminell verhalten oder arbeitslos sind - die werden als erstes möglichst in ihre Heimatländer zurück geführt, danach arbeitslose Deutsche in die ausländische Arbeitsplätze überführt.
Anfang der 90er zog er nach Halbe - und machte seine neue Heimat zum Aufmarschgebiet für Neonazis. In der Region entstand eine feste rechte Szene.
O-Ton Golibersuch (1991) Gehen Sie bitte aus dem Weg.
Nachdem andere Naziparteien verboten wurden, gründete er für die NPD den Kreisverband Spreewald. Bis vor 10 Jahren war er dessen Vorsitzender. Wie fanatisch er damals war, entdeckte die Polizei bei einem Hubschrauberflug zufällig: er hatte Hakenkreuze in seinen Parkplatz gepflastert.
Wir wollen ihn zu seiner aktuellen politischen Haltung befragen und klingeln in Freidorf.
O-Ton Reinhard Golibersuch, Jugendwart Feuerwehr Freidorf Reporter: Wir haben gehört, dass Sie hier der Jugendwart der Feuerwehr sind... Golibersuch: Ja, das ist richtig. Reporter: … gleichzeitig aber aktiver Neonazi waren sehr lange. Golibersuch: Woher Sie Ihre Informationen haben, weiß ich nicht, aber ich denke mal: Am besten ist es, Sie fahren jetzt wieder nach Hause. Reporter: Kann ich Ihnen nicht ein – zwei Fragen… Sie könnten das ja auszuräumen... Golibersuch: Nein, bei der Lügenpresse kann man ja grundsätzlich allzuviel nicht ausräumen. Auf Wiedersehen.
Eine Distanzierung sieht anders aus. Wie kann man einem solchen Mann Kinder anvertrauen? Der zuständige Ortswehrführer findet das gar nicht so schlimm.
O-Ton Michael Fischer, Ortswehrführer Halbe Problematisch ist es nicht, man muss ja jedem immer eine Chance geben. Solange wie es sich nicht weiter spiegelt auf der Feuerwehr oder im öffentlichen Leben sehe ich da keine Nachteile drin.
Doch der Einfluss, den die Ausbilder für Jugendliche haben, ist groß. Auch unterbewusst. Das bestätigt auch die Psychologieprofessorin Bettina Hannover. Versteckte Manipulation ist stärker als direkte Propaganda.
O-Ton Prof. Bettina Hannover, Psychologin an der Freien Universität Der Hintergrund warum solche Arten von indirekter Beeinflussung oft viel wirksamer sind, ist, dass die Leute gar nicht merken, dass sie beeinflusst werden. Wenn jemand explizit zu mir sagt ‚Ich bin gegen Flüchtlinge‘ beispielsweise, kann ich mich gegen solch eine Aussage zur Wehr setzen, aber wenn jemand bloß einen blöden Witz darüber macht, dann stehe ich als Spielverderber dar, wenn ich mich dagegen wehre.
Golibersuch wurde 2011 von seinen Feuerwehrkameraden zum Jugendwart gewählt. Trotzdem trägt auch der Amtsdirektor Verantwortung: Als Dienstherr hätte er sein Veto einlegen können.
O-Ton Thomas Koriath, Amtsdirektor Schenkenländchen An diesem Beispiel erkennt man, dass es hier eben auch Lücken gibt in der Verwaltung, und wir auch genauer diejenigen ansehen sollten, die hier vorgeschlagen werden. Wir sind hier bisher insoweit vielleicht – vielleicht! – zu naiv gewesen.
Doch die Arglosigkeit ging noch weiter. Denn auch der Stellvertreter des Jugendwarts, Eckhard Laurisch, vertritt erschreckende Positionen. Auf Facebook postete er antisemitische Kommentare. Doch auch das erfährt der Amtsdirektor erst durch die Klartextrecherche.
O-Ton Thomas Koriath, Amtsdirektor Schenkenländchen Amtsdirektor: Ich sehe hier, dass Herr Laurisch Hetze betreibt im Internet. Reporter: Hätten Sie sich das vorstellen können? Amtsdirektor: Nee, das konnte ich mir gar nicht vorstellen.
Wir konfrontieren den stellvertretenden Jugendwart. Doch er leugnet rechte Überzeugungen.
O-Ton Eckhard Laurisch, stellvertretender Jugendwart Freidorf Reporter: Haben Sie das geschrieben? Eckhard Laurisch: Nee, bestimmt nicht. Reporter: Aber wie sollte jemand anderes das auf Ihrer Seite geschrieben haben. Sie haben doch ein Passwort… Ist das Ihre Überzeugung? Eckhard Laurisch: Weiß ich jetzt nicht, ob das meine Überzeugung ist, nee, glaub ich nicht. Was ich glaube, ist, dass wir übervölkert werden.
Überbevölkert? Was passiert, wenn man sich nicht klar genug gegen solche Tendenzen abgrenzt, auch das zeigt sich in Freidorf. Die dortige Feuerwehr ist nämlich auch für das Flüchtlingsheim in Massow zuständig. Kein Wunder, dass auf der Facebookseite die Freunde der Feuerwehr nach Fehlalarmen fordern: „Fahrt doch erst gar nicht los“. Und „Die sollen zufrieden sein, wenn überhaupt noch eine Feuerwehr da hochfährt.“
Die mitmenschlichen Ideale der Feuerwehr – sie drohen von Rechtsradikalen missbraucht zu werden.
Beitrag von Helge Oelert Stand vom 25.11.2015