Arbeitnehmervertretung von Rechtsaußen

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Braunzone

Kritik am bescheuerten Rechtsaußen Begriff

Arbeitnehmervertretung von Rechtsaußen
Von Ariane Becker
05.01.2018 "Blick nach Rechts"

Das „Zentrum Automobil“ will bei den kommenden Betriebsratswahlen bundesweit an zahlreichen Standorten der Automobilindustrie antreten – Verbindungen existieren zur AfD bis zu neurechten Kreisen. „Alternative für die Unzufriedenen und Enttäuschten“; (Screenshot)

Bei den bevorstehenden Betriebsratswahlen im Frühjahr müssen sich die Einzelgewerkschaften des DGB wie die IG Metall in zunehmendem Maße mit einer im Entstehen begriffenen rechtslastigen Konkurrenz auseinandersetzen. Dabei zeichnet sich auf betrieblicher Ebene eine Entwicklung analog zu Parlamentswahlen ab, wo die AfD in nahezu allen Landtagen, im Europaparlament und seit September auch im Bundestag vertreten ist. Eine zentrale Rolle soll dabei das „Zentrum Automobil“ (bnr.de berichtete) spielen.

Gegründet wurde das „Zentrum Automobil e.V.“ 2009, die Satzung des in Stuttgart eingetragenen Vereins datiert vom März desselben Jahres. Erster Vorsitzender des „Zentrums“ wurde Oliver Hilburger (48), stellvertretender Vorsitzender Thomas Scharfy (41). Beide waren zuvor bei der „Christlichen Gewerkschaft Metall“ (CGM) aktiv. In den 90er Jahren machte Scharfy mit seiner Mailbox „Empire BBS“ als Teil des Thule-Netzes, einem neonazistischen Kommunikationsforum der Prä-Internet-Ära, auf sich aufmerksam. Schatzmeister des Gründungsvorstandes wurde mit Sascha Woll (47) ein früherer Aktivist der neonazistischen Skinhead-Organisation „Kreuzritter für Deutschland“. Auch die damaligen Vorstandsmitglieder Hendrik B. (35) und Jens A. (42) weisen Bezüge zur rechtsextreme Szene des Großraumes Stuttgart auf. Personen mit rechtsextremer Vergangenheit

Bei den Betriebsratswahlen 2010 und 2014 gelang der rechten Betriebsratswahlliste der Einzug in das Arbeitnehmergremium im Daimler-Werk in Stuttgart-Untertürkheim. Im ersten Versuch gewannen der Instandhalter Hilburger und der NC-Maschinenbediener Christian S. (35) jeweils ein Mandat. Vier Jahre später erzielte das „Zentrum“ mit 9,6 Prozent der Stimmen sogar vier Sitze. Für die kommenden Betriebsratswahlen, die zwischen März und Mai 2018 stattfinden, kandidiert die Liste erstmalig auch außerhalb ihres Stammsitzes in Stuttgart-Untertürkheim. Sowohl an anderen Standorten des Daimler-Konzernes wie auch bei anderen Automobilherstellern und außerhalb der Branche will die rechte Liste antreten. So kandidiert das „Zentrum Automobil“ erstmalig im Daimler-Werk in Rastatt oder bei BMW in Leipzig.

Dem aktuellen zehnköpfigen Vorstand des Vereins gehört nur eine einzige Person mit Migrationshintergrund an, obwohl auf den zwei Betriebsratswahllisten im Werk Untertürkheim 2010 und 2014 zahlreiche Personen mit entsprechendem Hintergrund kandidierten. Stattdessen finden sich beim „Zentrum Automobil“ mehrere bekannte Personen mit eindeutig rechtsextremer Vergangenheit, so mutmaßlich der ehemalige Bundesschatzmeister der seit 1994 verbotenen „Wiking-Jugend“. Der Schriftführer und „Freie Betriebsrat“ aus dem Werk Sindelfingen Andreas K. will nach eigener Angabe das „Zentrum Automobil e.V.“ im Juni 2017 nach dreijähriger Zugehörigkeit verlassen haben. Der Grund hierfür liege darin, dass „die rechte Gesinnung des ´Zentrum Automobil´, die im Laufe der Jahre immer offener in ´ihrem´ Kreis gelebt wurde, und Herr Hilburger am 1.Mai 2017 auf einer Kundgebung der AfD vom rechten Arbeiterflügel, den er in der AfD gründen will, gesprochen hat.“ Am Standort Sindelfingen des Automobilherstellers gelten die persönlichen Zukunftspläne des Betriebsrats K. im Konzern als wahrer Grund für seinen Abschied von den einstigen rechtsextremen Mitstreitern. Ehemaliger Skinhead und Rechtsrock-Musiker

Besonders hervorzuheben im „Zentrum Automobil“ ist mit dem Gründer und aktuellen Beisitzer im Vorstand Oliver Hilburger ein ehemaliger Skinhead und Musiker der Band „Noie Werte“. Zwei Lieder seiner damaligen Band, eine der populärsten Rechtsrock-Musikgruppen der vergangenen Jahrzehnte, untermalten eine frühe Version des NSU-Bekennervideos. Die beiden für das Video verwendeten Stücke „Kraft für Deutschland“ von 1991 und „Am Puls der Zeit“ von 2000 entstanden in den knapp zwei Jahrzehnten, in denen Hilburger bei „Noie Werte“ als Bassist und Gitarrist mitwirkte.

Bei seiner Zeugenvernehmung durch den baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschuss im November 2017 distanzierte sich Hilburger ausführlich vom rechtsterroristischen NSU. „Wenn ich geahnt hätte, dass es so etwas gibt“, so Hilburger im Stuttgarter Landtag bei seiner Zeugenvernehmung, hätte er dies „jederzeit und sofort zu einer Anzeige gebracht“. Er halte es für „eine Unverschämtheit, dass es Zeitgenossen gibt, die faktenfern einen Zusammenhang konstruieren zu Morden von möglicherweise drei Personen“, die Hilburger im Übrigen gar nicht gekannt habe, „und einer Videosequenz, wo angeblich Musiktitel drauf waren, wo ich mitgewirkt habe“. Teilnehmer bei „Compact“-Magazin-Konferenz

Parteipolitisch stehen Hilburger und das „Zentrum Automobil“ der AfD nahe. Im Oktober 2015 hatte sich Hilburger vergeblich um die Aufnahme in die AfD bemüht. Wegen seiner Vergangenheit bei „Noie Werte“ blieb damals die „Aufnahme nicht möglich“. Zuletzt hatte Hilburger seine Nähe zum rechten Flügel der AfD Ende November bei der „Compact-Konferenz" unter Beweis gestellt. In der Alten Messe Leipzig war Hilburger zusammen mit dem Kopf der „Identitären" Martin Sellner, Pegida-Lautsprecher Lutz Bachmann und dem AfD-Rechtsausleger Björn Höcke Referent bei Elsässers Veranstaltung.

Die Kontakte des „Zentrums Automobil“ zu Elsässer beziehungsweise dem „Compact“-Magazin reichen bis in das Jahr 2016 zurück. Der aktuelle „Zentrums“-Vorsitzende Andreas Brandmeier (44) berichtete bei der Mitgliederversammlung im November2016 über ein Treffen mit Jürgen Elsässer in Berlin. Damals seien auch Beiträge über das „Zentrum“ im „Compact"-Magazin verabredet worden. Tatsächlich erschienen in dem rechtspopulistischen Blatt bis heute nicht nur Beiträge über das „Zentrum“, sondern in der September-Ausgabe des vergangenen Jahres auch ein großes Interview mit Oliver Hilburger. „Zentrums“-Aktivist und AfD-Kommunalpolitiker

2016 fand nach Aussage von Brandmeier auch ein Treffen mit dem Bundesvorstand von AidA, der „Interessengemeinschaft 'Arbeitnehmer in der AfD´“, statt. Vor wenigen Wochen führte die „Interessengemeinschaft 'Arbeitnehmer in der AfD'“ in Hamburg ihre erste ordentliche Mitgliederversammlung durch. Bei den Wahlen zum AidA- Bundesvorstand wurde mit Frank Neufert auch ein Leipziger BMW-Arbeiter und Aktivist des „Zentrums Automobil“ gewählt. Neufert bekleidet nun seit dem 16. Dezember vergangenen Jahres das Amt des zweiten stellvertretenden Bundessprechers der AidA. Für die AfD sitzt Neufert im Zwickauer Kreistag.

Teilnehmer einer Kundgebung in Zwickau zum 1. Mai 2017, die vom damaligen lokalen Bundestagskandidaten der AfD Benjamin Przybylla (37) organisiert wurde, war auch Hilburger. (bnr.de berichtete) Einem Bericht der Chemnitzer „Freien Presse“ zufolge gehörte eine ganze Reihe bekannter Personen aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum zu den Rednern in Zwickau. Neben Hilburger und Jürgen Elsässer traten auch Michael Stürzenberger, einstiger Chef der aufgelösten islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“, der heutige Dresdner AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier sowie Ulrich Oehme, AfD-Landesvorstandsmitglied und damaliger Bundestagsdirektkandidat der AfD im Wahlkreis Chemnitzer Umland, vor rund 300 Teilnehmern in Zwickau auf. Neurechte Unterstützungskampagne „Werde Betriebsrat“

Unterstützung erfährt das „Zentrum Automobil“ nicht nur von Teilen der AfD, sondern auch von der umtriebigen neurechten Initiative „Ein Prozent“ aus dem Umfeld von Götz Kubitschek (47), dem Kopf des neurechten Instituts für Staatspolitik (IfS) aus Schnellroda in Sachsen-Anhalt. Als Leiter der Initiative „Ein Prozen“ fungiert der 26-jährige Burschenschafter Philipp Stein. Seit September wurde auf der Webseite von „Ein Prozent“ mehrfach zugunsten des „Zentrums Automobil“ berichtet und eine Kampagne „Werde Betriebsrat“ gestartet. Damit werde, so „Ein Prozent“, „das Establishment in helle Aufregung“ versetzt. „Zahlreiche Förderer und Kandidaten haben sich bereits gemeldet und wollen das Projekt unterstützen.“ Ziel dieser Kampagne ist es, möglichst viele Listen zu den bevorstehenden Betriebsratswahlen an den Start zu bringen. „Den Unzufriedenen und Enttäuschten fehlte bislang eine wirkliche Alternative“, so die Kampagne von „Ein Prozent“. „Damit ist jetzt Schluss, die Kollegen von ´Zentrum Automobil´ bieten eine Gewerkschaft für alle Arbeiter.“