Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland

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Internationales Auschwitz Komitee


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Internationales Auschwitz Komitee
in der deutschsprachigen wikipedia

website Internationales Auschwitz Komitee

Blindheits-Metapher
Erklärung des Auschwitz-Komitees
zur Verwendung der Metapher „auf dem rechten Auge blind“
- (PDF)

Das Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V. hat festgestellt,
dass in der Medienberichterstattung
über die Verbrechen der Mordorganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU)
und das damit zusammenhängende skandalöse Agieren staatlicher Institutionen
sehr häufig die Metapher „auf dem rechten Auge blind“ verwendet wird.
Als ein Beispiel von vielen sei die Überschrift eines Kommentars
in der „taz nord“ vom 17.12.2012 genannt: „Das rechte Auge war blind“.
Die Verfasser und Verfasserinnen der Texte verfolgen in der Regel das ehrenwerte Ziel,
den betreffenden staatlichen Institutionen den Spiegel vorzuhalten,
damit sie ihr Verhalten ändern.
Die Metapher „auf dem rechten Auge blind“ ist jedoch nicht geeignet,
dieses Ziel zu befördern und zudem diskriminierend.
Daher lehnt das Auschwitz-Komitee die Verwendung dieser Metapher ab
und fordert insbesondere (aber nicht nur) Medienschaffende auf, sie zu vermeiden.
Zum einen wird blinden und sehbehinderten Menschen durch die Verwendung der genannten Metapher
pauschal Unfähigkeit zur Erfassung politischer Zusammenhänge unterstellt
oder gar – wenn auch ungewollt – eine rechte Gesinnung zugeschrieben.
Blinde und sehbehinderte Menschen fühlen sich dadurch diskriminiert
und in ihrer Würde verletzt.
Blinde Menschen wurden während der NS-Zeit unterschieden nach so genannten „Erbkranken“ und solchen,
die aus anderen Gründen erblindet waren („Kriegsblinde“, Unfallopfer etc.).
So wurden z. B. Hebammen verpflichtet, blind geborene Säuglinge zu melden.
Bei den als „erbkrank“ klassifizierten blinden Menschen
war dieser Umstand ein Kriterium zur Zwangssterilisierung
nach dem 1933 erlassenen „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“.
Im weiteren Verlauf der nationalsozialistischen „Erbgesundheits“-Politik
wurden als „erbkrank“ kategorisierte blinde Menschen im Rahmen der Aktion T4 in Tötungsanstalten verbracht und dort ermordet.
Es verbiete sich, blinde und sehbehinderte Menschen
durch den Gebrauch diskriminierender Redewendungen in ihrer Würde zu verletzen.
Darüber hinaus ist der Begriff „Blindheit“ ungeeignet, gesellschaftliche und politische Sachverhalte zu beschreiben.
Blindheit und Sehbehinderung gehören in der Regel zu den unabänderlichen Lebensumständen,
während rechte Gesinnung und politisches Handeln bewusste Entscheidungen und veränderbar sind.
Im Fall des NSU geht es um eine Fehlwahrnehmung
bzw. ein Nicht-wahr-haben-Wollen und daraus resultierendes fatal falsches Handeln
in Bezug auf rassistisch motivierte Morde.
Durch die metaphorische Verwendung von Begriffen wie „Blindheit“ in diesem Zusammenhang
wird das Problem Neonazismus bzw. des gesellschaftlichen
und politischen Umgangs damit biologisiert und entpolitisiert.
Wie weit diese sprachliche Biologisierung gehen kann, zeigt beispielhaft ein Kommentar
in der „Frankfurter Rundschau“ vom 9.11.2012, in dem die Metapher „auf dem rechten Auge blind“ besonders ausführlich entfaltet wird:
„Waren sie [die Sicherheitsbehörden] auf dem rechten Auge blind,
waren sie blind auf beiden Augen, war die Blindheit gewollt, befohlen oder angeboren?“
Politische Wahrnehmung und politisches Handeln sind niemals angeboren.
Auf die Verwendung der Metapher „auf dem rechten Auge blind“ kann ohne Weiteres verzichtet werden.
Es ist kein Problem, auf andere Redewendungen zurückzugreifen wie z. B. „mangelnde Wahrnehmung“ oder „Nicht-wahr-haben-Wollen“.
Aus diesen Gründen fordert das Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V. nachdrücklich dazu auf,
die politische Metapher „auf dem rechten Auge blind“ gänzlich zu vermeiden.
Hannelore Witkofski und Marius Giese, Hamburg, den 08.01.2013
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kontakt: AuschwitzKomitee@t-online.de oder auschwitzkomitee@aol.com
oder: 0175 9 374 446 (Helga Obens)