Berlin 1994 die Pieper Bonfert Affäre

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Dienstagsgespräche

Hans-Christoph Bonfert

Hans-Ulrich Pieper

Dieter Heckelmann

"Der Spiegel" 27.06.1994
Berlin Immer dienstags
Berlins CDU-Innensenator Heckelmann ist bisher nur durch Affären aufgefallen.
Jetzt hat er wieder eine überstanden.

'Einige Damen trugen Abendkleider.
Bei den Herren, so beobachtete Tilman Fichter, Referent für Bildung beim Bundesvorstand der Bonner SPD,
"fehlte nur noch das Monokel".
Zur Begrüßung trank man sich und dem "deutschen Vaterland" zu.
Einer der Gastredner, Jörg Haider, erhielt jede Menge "spontanen Applaus".

Die Herrschaften, die sich seit 1993 regelmäßig beim "Dienstags-Gespräch"
meist im Berliner Hilton Hotel trafen,
erweckten auch die Aufmerksamkeit der Polizei.
In wechselnder Eigenschaft waren Beamte der Einheit PMS 5,
die auf rechte Umtriebe spezialisiert ist, immer dienstags dabei.
Mal als Personenschützer, mal als operative Beobachter
fanden sie "Kapital und Intelligenz der rechten Szene" versammelt.
"Deutsch-national-patriotisch-rechts" denkende Honoratioren seien darunter, notierten sie,
etwa der ehemalige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl
oder der national-konservative Welt-Redakteur Rainer Zitelmann;
als Dauergast gehörte Hans-Christoph Bonfert, 31, dazu,
der Pressereferent des Berliner Innensenators Dieter Heckelmann (CDU).
Der Organisator der illustren Runde ist Hans-Ulrich Pieper, 46,
heute Chef einer "Agentur für integrierte Kommunikation" und auch nicht unbekannt.
Er war Stadtrats- und Bundestagskandidat der Republikaner
und engagierte sich schon als Student
bei den rechtsradikalen "Nationalrevolutionären".
Die Polizeiprotokolle über die "Dienstags-Gespräche" stammen vom Februar.
Vorige Woche lösten sie eine Koalitionskrise in Berlin aus.
Eine Veröffentlichung im Tagesspiegel machte den Fall gerade noch rechtzeitig öffentlich.
Wenige Tage danach wären die Dienstags-Dossiers weisungsgemäß im Landesamt für Verfassungsschutz vernichtet worden.
Als ob die Hauptstadt nicht andere Sorgen hätte, jagten sich die "Szenen aus dem Drehbuch einer Selbstzerstörung" (Die Welt).
Am vergangenen Montag forderte die SPD wegen "Verletzung der Dienstpflicht" den Rücktritt von Innensenator Heckelmann,
der seinen Pressesprecher lediglich wegen seiner "Dienstags-Gespräche" ermahnt hatte.
Der Partner in der Großen Koalition drohte mit einem Mißtrauensantrag;
der hätte Aussicht auf Erfolg gehabt,
weil ihm auch die PDS zustimmen wollte.
Die Querelen hatte SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt zum Politikum erhoben.
Beim Mißtrauensantrag gegen Heckelmann wollten selbst eigene Abgeordnete aus dem Ostteil der Stadt nicht recht mitmachen - oder nur unter Zwang.
Allein in der Einschätzung des Delinquenten herrschte Eintracht.
Heckelmann sorgt für Skandale - und in den Augen vieler ist er selbst zum Skandal geworden.
Seine bislang gut dreijährige Amtszeit brachte ihm zwei Untersuchungsausschüsse im Parlament ein.
Der eine soll klären, wieso die Freiwillige Polizei-Reserve,
eine Art amtlicher Bürgerwehr, von Rechtsextremisten unterwandert werden konnte.
Der andere beschäftigt sich mit dem Versagen der Sicherheitsbehörden vor dem Mord an vier Kurden im Berliner Lokal Mykonos im September 1992.
Das Landesamt für Verfassungsschutz hatte es nicht fertiggebracht,
den späteren Hauptverdächtigen zu überwachen.
Heckelmann will davon erst nach dem Attentat erfahren haben und fühlt sich unschuldig:
"Ich übernehme die politische Verantwortung nur für Dinge, die ich weiß."
Der Berliner Verfassungsschutzchef Heinz Annußek kommentierte das so:
Für ihn sei von Anfang an klargeworden,
"daß der Senator selbst sich nicht näher mit dem Amt beschäftigen wollte".
Dennoch darf Heckelmann Innensenator bleiben.
In einem Kompromiß nach Berliner Art
ist ihm lediglich die Zuständigkeit für den Verfassungsschutz genommen worden.
Und auch dem Pressechef geht es weiter gut:
Bonfert wurde nicht gefeuert, sondern lediglich versetzt.
Für die Dossiers über die "Dienstags-Gespräche" muß sich jetzt der Regierende Bürgermeister persönlich interessieren.
Er ist nun zugleich Berlins oberster Verfassungsschützer. Y'