Das Netzwerk der Lichtscheuen

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NZZ "Das Netzwerk der Lichtscheuen"

Der pensionierte Divisionär Hans Wächter kommandiert den Referendumskampf gegen die Armee XXI.
Aber die Fäden laufen andernorts zusammen.
Ein Verbund von lichtscheuen Zirkeln, angeführt von einstigen VPM-Mitgliedern, macht mobil gegen den angeblichen Ausverkauf der Heimat.
Von René Zeller 26. Januar 2003


«Hört auf mit diesen drei Buchstaben!» Hans Wächter, 83-jähriger Divisionär ausser Dienst, reagiert genervt, wenn er auf den VPM angesprochen wird.
Er ziehe zusammen mit ehrbaren Leuten gegen die Armee XXI ins Feld, konstatiert Wächter im Befehlston.
Kritik an seinen Mitstreitern duldet er nicht.

Der Präsident der «Aktion Aktivdienst», wohnhaft im Städtchen Stein am Rhein, sagte der von Bundesrat und Parlament verabschiedeten Armeereform im Oktober 2002 den Kampf an.
Am Donnerstag nun hat er mit Gleichgesinnten fristgerecht Kartonschachteln mit 63 000 Referendumsunterschriften ins Bundeshaus West getragen.
Dem rüstigen Senior steht der Stolz ins Gesicht geschrieben.
«Wir wollen einen Marschhalt», fordert der langjährige Instruktor der Artillerie, dem auf der Frauenfelder Allmend keine Geschützstellung fremd ist und der im Zenit seiner Laufbahn die Zentralschulen der Armee kommandierte.

1982 ging Divisionär Wächter in Pension.
In den seitherigen Debatten um die «richtige» Armee gehörte er nie zu den Tenören; seine Stimme hatte kein Gewicht.
Vielleicht liegt es daran, dass er heute aus allen Rohren gegen die Armee XXI schiesst.
Das neue Ausbildungskonzept mit den auf 21 Wochen verlängerten Rekrutenschulen hält er für eine vollendete Fehlkonstruktion.
v Via NZZ-Leserbriefseite signalisierte er, er würde liebend gerne beweisen, was man in einer 17-wöchigen RS erreichen könne.
«Man stelle mir dafür eine Pz Trp RS, eine Pz Hb RS, in der 14. bis 16. Woche eine Staffel F/A-18 und den Waffenplatz Bière sowie das zugehörige Instruktionspersonal zur Verfügung.»

Mehr noch als über Ausbildungsbelange empört sich Wächter über das Leitmotiv «Sicherheit durch Kooperation».
Als Berufsoffizier war er 1956/57 nach Fort Leavenworth in die USA abkommandiert,
1978 beobachtete er die «Beresina»-Manöver der UdSSR.
Am Donnerstag meinte er: «Es herrscht eine verfluchte Auslandhörigkeit!»

Zupackende VPM-Leute

Mit Wächters Einschätzung einverstanden ist der Personenkreis, der den drei ominösen Buchstaben zuzuordnen ist.
Der «Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis» (VPM) hat im März 2002 offiziell zwar aufgehört zu existieren.
Jedoch: Als die Referendumsbögen bei der Bundeskanzlei deponiert wurden, packten ehemalige VPM-Frontleute kräftig mit an.
Matthias Erne, umtriebiger Jurist und Redaktor der einschlägig bekannten VPM-Kampfschrift «Zeit-Fragen», war da.
Jean-Paul Vuilleumier, der 1997 den Abstimmungskampf zur Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» VPM- like dirigierte, liess sich blicken.
Der Jugendpsychiater Thomas Lippmann, der sich bei der Unterschriftensammlung gegen die Bevölkerungsschutz- Reform ins Zeug gelegt hat, trat am Megaphon als Wortführer und an einer improvisierten Pressekonferenz als aufbrausender Referent auf den Plan.

Auf dem Kleinlastwagen, der vor dem Bundeshaus West als mobiles Referendumsbüro diente,
verrichtete die Psychologin und einstige VPM- Vizepräsidentin Erika Vögeli letzte Sekretariatsarbeiten.
Ihr Gatte Thomas Seitz, ebenfalls Psychologe, nimmt im Kampf gegen die Armee XXI eine koordinatorische Schlüsselrolle wahr.
Das «Eidgenössische Komitee für eine direkt-demokratische, neutrale und souveräne Schweiz» hat das Gros der 63 000 Unterschriften beigebracht.
Alimentiert wird dieses Komitee von zwei Dutzend Gruppen, die personell kaum fassbar sind.
Die Walliser Sektion von «Eine Schweiz für unsere Kinder» gehört ebenso dazu wie das «Schweizer Bürgervotum, Dozwil», die «Alleanza Liberi e Svizzeri, Lugano» und das «Forum für den Souverän, Malans».
Der Psychologe Seitz kennt alle diese Zirkel.
Er verwaltet das gemeinsame Briefpapier, er sorgt auch für Verknüpfungen via Homepage (www.buergergespraech.ch).

Was bezwecken diese ultrakonservativen Kreise, deren Waffe das demokratische Recht des Referendums ist?
Den schillernd-kuriosen Vereinigungen, die sich zumeist hinter Postfächern verschanzen, dient der Widerstand gegen den befürchteten Ausverkauf der schweizerischen Souveränität als gemeinsame Triebfeder.
Ein spezifisches Interesse an der militärischen Landesverteidigung haben die Bürgerforen nicht.
Das gilt auch für den VPM; in den neunziger Jahren konzentrierten sich die «Lieblinge», die vom wohlbestallten Zürichberg aus operierten, vorab auf drogenpolitische und pädagogische Heilslehren.
Dennoch sind sie jetzt in militärischer Mission unterwegs.
Einstigen VPM-Angehörigen ist es zuzuschreiben, dass das Volk über die Armee XXI befinden wird.

Das umtriebige «Eidgenössische Komitee für eine direkt-demokratische, neutrale und souveräne Schweiz» markiert also die ausserparlamentarische Opposition von rechts - und dies beileibe nicht zum ersten Mal.
Einen vergleichbaren Eifer legte das Komitee schon beim Referendum gegen die ersten bilateralen Abkommen mit der EU und gegen die Auslandeinsätze der Armee an den Tag.
Die neue Bundesverfassung war eine weitere Zielscheibe, ebenso der Uno-Beitritt.
Damals habe die Bürgerbewegung eng mit SVP und Auns kooperiert, merkte Wächter am Donnerstag unter Verweis auf Datenbanken an, die in den Computern ehemaliger VPM-Leute angelegt sind.
Auch diesmal hat die Auns ihren Mitgliedern Unterschriftenbögen zugestellt.
Aber sonst mag Christoph Blochers Spezialeinheit, wie übrigens auch «Schweizerzeit»-Verleger Ulrich Schlüer, nicht aktiv mitmischen.
Allerlei Verbündete

Dafür sind andere Partner zur Stelle.
Unter dem schönfärberischen Titel «Aktion Volk und Heimat» hat der Hallauer Emil Rahm Unterschriften gesammelt.
Auf der militärpolitischen Schiene ist neben der «Aktion Aktivdienst» die Interessengemeinschaft Miliz (IGM) zu nennen, ein Verbund von Offizieren, an deren Spitze Oberstleutnant Georg Ober-Kassebaum steht.
Er initiierte zusammen mit VPM-Mann Matthias Erne das 2001 publizierte Gutachten des deutschen Rechtsgelehrten Karl Schachtschneider,
in dem die Armee XXI als verfassungswidrig taxiert wurde.
Damit war die Basis für die Kooperation im jetzigen Referendumskampf gelegt,
in dem Erne und Ober-Kassebaum federführend mittun.

Wenn die Auns bei der Unterschriftensammlung abseits stand, dann gilt dies nicht für deren Juniorenabteilung.
«Young4fun» nennen sich die Leute, die sich am Referendumskampf gegen die Armee XXI beteiligen.
Auch hier sind Querverbindungen gegeben: Lukas Reimann, Co-Präsident von «Young4fun», sitzt im Vorstand der Auns.
Bereits im Jahr 2000, als das «Bürgergespräch» den Kampf gegen die Bilateralen I führte, figurierte der damalige Mittelschüler Reimann an einer Veranstaltung in Zofingen auf der Referentenliste.
Darauf sind auch die «Zeit-Fragen»-Redaktoren Matthias Erne und Erika Vögeli aufgeführt.

Nach absolvierter Unterschriftensammlung will Divisionär a. D. Wächter im Abstimmungskampf weiter auf die «grosse Erfahrung des Komitees» zählen, in dem die ehemaligen VPM- Leute wirken.
«Die Bürgernähe ist beizubehalten, Parteien werden nicht integriert», lautet Wächters Losung, wobei die Schweizer Demokraten in der Person des Zürcher Alt-Nationalrats Hans Steffen bereits eingebunden sind.
Parteien aussen vor

Es ist wenig wahrscheinlich, dass die hinter Hans Wächter agierenden Kreise vermehrt ans Licht treten werden.
Der Netzwerker Thomas Seitz will partout nicht preisgeben, von wo aus er die Fäden zieht.
«Wir verfügen über ein fliegendes Büro mit wechselnden Standorten», lautet seine Antwort.
Das von ihm mitgetragene Komitee werde auch künftig in loser Form operieren, «ohne Statuten, ohne Vorstand».
Man kenne sich lange genug, Sitzungen würden an wechselnden Standorten abgehalten.
«Kürzlich haben wir im Bahnhof Olten ein Säli gemietet.»

Ob sich die einstige VPM-Gilde so von ihrem Stigma befreien kann?
Thomas Seitz wäre darüber glücklich: «Wer heute noch den VPM anprangert, spricht von einem Phantom», beteuert er.
Das Problem bestehe aber offenbar darin, «dass wir nicht kollektiv Selbstmord begangen haben».