Eva Illouz wird Israel-Preis wegen Palästina-Solidarität entzogen
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Kultur : Eva Illouz wird Israel-Preis wegen Palästina-Solidarität entzogen: „Beschämend“
Die Soziologin Eva Illouz war für Israels wichtigsten Kulturpreis nominiert,
nun wurde sie vom israelischen Bildungsminister Yoav Kisch gecancelt.
Im „Freitag“ kritisiert Illouz die Einmischung in die Wissenschaftsfreiheit scharf
Von Elsa Koester
25.03.2025
https://www.freitag.de/autoren/elsa-koester/exklusiv-eva-illouz-aeussert-sich-nach-ausschluss-von-israel-preis-besorgt
Eva Illouz, israelisch-französische Soziologin
Foto: dts-Agentur/picture alliancve
Die israelisch-französische Soziologin Eva Illouz ist bekannt dafür, zwischen den Stühlen zu sitzen: Selbst stets kritisch,
ob es um den Antisemitismus in Europa geht, um israelische Kriegsverbrechen in palästinensischen Gebieten oder um die Reaktion der globalen Linken nach dem 7. Oktober 2023, erfährt sie von allen politischen Seiten Kritik.
Für ihre soziologische Arbeit sollte ihr nun der Israel-Preis verliehen werden, der wichtigste Kulturpreis des Staates Israel, der am Vortag des israelischen Unabhängigkeitstages am 3. Mai verliehen wird. Nun mischte sich der israelische Bildungsminister Yoav Kisch ein – und schloss die nominierte Illouz aus der Preisverleihung aus.
In einem Brief an das Preiskomitee erklärte Kisch laut der israelischen Zeitung Haaretz:
„Es gibt absolut keinen Grund, Israels höchste staatliche Auszeichnung an jemanden zu vergeben,
der sich aus einer klaren Anti-Israel-Ideologie heraus an eine Institution wendet,
die nicht zögert, falsche Klagen gegen IDF-Kommandeure und Soldaten einzureichen.“ Die Mitglieder sollten für den Preis doch bitte jemand anderen aussuchen.
Eine Petition von 2021 zur Untersuchung von Kriegsverbrechen
Seine Einmischung begründet Kisch mit der Beteiligung von Illouz an einer Petition an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aus dem Jahr 2021. Darin wurde eine Untersuchung darüber gefordert, ob Israel im Gazastreifen, in der Westbank und Ostjerusalem Kriegsverbrechen begangen hat.
Eva Illouz reagiert auf ihren Ausschluss mit Verärgerung und Besorgnis.
Gegenüber dem Freitag erklärt sie, wie sie in Europa schon für ihre Verteidigung Israels scharfe Reaktionen erfuhr:
„In den letzten 18 Monaten habe ich unermüdlich in der internationalen Presse geschrieben, um Israel zu verteidigen. In den größten Zeitungen Spaniens, Frankreichs und Deutschlands habe ich unablässig erklärt, dass die Hamas eine Terrorgruppe ist, dass Israel das Recht hat, auf eine Bodeninvasion in seinem Gebiet zu reagieren, dass Antizionismus eine Form von Antisemitismus ist, dass die Anschuldigung des Völkermords durch den IGH antisemitisch ist und dass die Israelis es leid sind, angegriffen zu werden. Ich habe Freunde verloren. Bei öffentlichen Vorträgen wurde ich ausgebuht.
Aber heute beschämt mich die Entscheidung des Bildungsministers Yoav Kisch, mir den Preis nicht zu verleihen.
Ich schäme mich dafür, dass der israelische Bildungsminister nicht in der Lage ist, die Wissenschaft und israelische Wissenschaftler zu feiern.“
„Mein Leben lang kämpfte ich gegen die Einmischung der Ideologie in die Wissenschaft“
Der israelische Bildungsminister Kisch schrieb in seinem Brief, seine Intervention habe nichts mit der wissenschaftlichen Arbeit von Illouz zu tun. Sollte sich die Soziologin für ihre Unterstützung der Petition aus dem Jahr 2021 entschuldigen, würde er den Stopp der Nominierung zurückziehen. Dazu sagt Illouz: „Er verteidigt das, wogegen ich mein ganzes Leben lang gekämpft habe: die Einmischung der Ideologie in die Wissenschaft. Er will, dass ich mich entschuldige, weil ich der Meinung war, dass die Verbrechen gegen die Palästinenser im Westjordanland untersucht werden sollten.“
In der Petition von 2021 hatten sich neben Eva Illouz
über 180 israelische Wissenschaftler, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Intellektuelle an die ICC-Chefanklägerin Fatou Bensouda gewandt
und sie aufgefordert, sich bei der Untersuchung mutmaßlicher Kriegsverbrechen nicht auf israelische Behörden zu verlassen, sondern eine eigene Untersuchung durchzuführen.
Zu den Unterzeichnern gehörten auch zehn frühere Israel-Preisträger.
„Abgesehen von meiner Scham“, erklärt Illouz weiter,
„bin ich zutiefst überrascht, dass dieser Minister nicht wusste, wie er diese Auszeichnung für seine eigenen politischen Zwecke nutzen konnte.
Er hätte sich damit brüsten können, dass eine Frau nominiert wurde, er hätte sich rühmen können, dass jemand marokkanischer Herkunft eine Auszeichnung erhalten hat, die von seinen politischen Rivalen zu selten vergeben wird, er hätte mit der Auswahl eines Linken zeigen können, dass Israel sich doch wie eine Demokratie verhält.
Stattdessen zieht er die Taktik der Demütigung vor. So wird die Wissenschaft nicht verteidigt und belohnt. So verhält sich ein Vertreter der Öffentlichkeit nicht.“
„Israel schlägt den Weg der dunklen Regime ein“
Kischs Einmischung in die Nominierungen des Israel-Preises erfolgte kurz nach Benjamin Netanjahus Ankündigung, den Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet und die Generalstaatsanwältin zu entlassen.
Eva Illouz zeigte sich stets besorgt über die Entwicklung der Demokratie in Israel, gegenüber dem Freitag kommentiert sie jetzt: „Kisch zeigt, dass Israel jetzt den schon bekannten Weg der dunklen Regime einschlägt.“
Diese Intervention der israelischen Regierung werde sie jedoch nicht davon abhalten, weiter gegen den Antisemitismus zu kämpfen: „Denn das jüdische Volk und das demokratische Israel sind viel größer als dieser Minister.“