Langfädig und rechts
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Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis
2007
10. Juli 2007 von admin
Langfädig und rechts
Seit Februar erscheint die VPM-Zeitung “Zeit-Fragen” wöchentlich.
Das sektiererische Blatt pflegt nur wenige Themen und irritiert mit seinen Verschwörungsfantasien selbst politische Weggefährten. Von Jürg Frischknecht.
“Zeit-Fragen” sei “eine unabhängige, sich selbst tragende Zeitung”, behauptete das Blatt Mitte April.
Eine Woche später lag der Wochenzeitung eine vierseitige “Klarstellung” des Vereins zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM) bei,
begleitet von einem unterstützenden “Zeit-Fragen”-Editorial.
Beilage und Editorial machten die VPM-Herkunft der Zeitung deutlich.
Wenige Tage zuvor hatte die NZZ noch ahnungslos
von den “schwierig einzuordnenden ‘Zeit-Fragen’ geschrieben.
Das “Zeit-Fragen”-Editorial behauptete,
es sei “ein grosses Ablenkungsmanöver in Richtung ‘Mitglieder des VPM’” geplant;
dies, weil einzelne BefürworterInnen der bilateralen Verträge auf den VPM-Beitrag im Abstimmungskampf hinwiesen.
Nur ein paranoider Blickwinkel konnte ein “grosses Ablenkungsmanöver” wahrnehmen.
Das Gegenteil war der Fall: Dass der VPM im Abstimmungskampf eine zentrale Rolle spielte, wurde in der Öffentlichkeit höchstens nebenbei vermerkt.
VPM-Präsident Florian Ricklin fabulierte in der “Klarstellung”:
Der Einsatz der 800 VPM-Mitglieder entspreche “der politischen Mitte der Schweiz”,
der VPM habe dem “Extremismus von rechts und links stets eine Absage erteilt”.
Der Text hätte den Titel “Qui s’excuse, s’accuse” verdient.
Seit ihrer Geburt waren die “Zeit-Fragen” ein VPM-Satellit.
Als Herausgeberin zeichnet der “Verein Kritische Auseinandersetzung mit Zeitfragen”,
der im November 1991 in der Wohnung des VPM-Exponenten Peter Küpfer in Zürich gegründet wurde.
Die VPM-Doctores Ilse Schepperle und Helga Noe wurden Vizepräsidentin und Kassierin.
1996 wechselten die Chargen – innerhalb des VPM.
Peter Lutz, Redaktor bei den “Zeit-Fragen”, wurde Präsident, seine Frau Friederike Vizepräsidentin und Küpfer Aktuar.
Während der Verein früher offiziell mit dem VPM zusammenarbeitete, hiess es nun diskreter,
man arbeite “mit der Europäischen Arbeitsgemeinschaft ‘Mut zur Ethik’ und deren Mitgliederorganisationen” zusammen.
Die “Zeit-Fragen”, die seit Oktober 1993 monatlich und seit Februar dieses Jahres wöchentlich erscheinen, sind also ein VPM-Sprachrohr.
Gut möglich, dass die “Zeit-Fragen”, gemäss Untertitel “Wochenzeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung”, trotz Verzicht auf Inserate “selbsttragend” sind.
Opferwille und Einsatzbereitschaft der VPM-Ameisen sind in der rechten Szene sprichwörtlich.
Das Etikett “unabhängig” hingegen ist ein schlechter Witz.
Rechte Exponenten sprechen im Zusammenhang mit “Zeit-Fragen” denn auch in aller Selbstverständlichkeit vom VPM.
“Auflage 40’000″, steht seit der ersten Nummer im Zeitungskopf der “Zeit-Fragen”,
die beim “Neuen Bülacher Tagblatt” von alt Nationalrat Hans Ulrich Graf gedruckt werden.
Markenzeichen des Blattes sind ein unattraktives Layout und ellenlange Artikel, erstaunlich oft von Toten.
Viele Illustrationen erinnern an die Mitte des letzten Jahrhunderts.
Die Legenden auch: “Die Alpen sind das Rückgrat der freiheitsliebenden Schweizer.”
Die Leitartikel sind oft eine Streicheleinheit für pensionierte Professoren und papsttreue KatholikInnen,
die an den jährlichen Kongressen “Mut zur Ethik” (ein weiteres VPM-Kind) referieren.
Spielwiese für anonyme SchreiberInnen
“Zeit-Fragen” ist ein Tummelfeld für anonyme oder pseudonyme SchreiberInnen.
Ein “Historiker Tobias Salander” attackiert die Sozialdemokraten und eine unbekannte angebliche Exgenossin “Hermine Frymann”
versucht sich in lustig gemeinten Seitenhieben,
muss jedoch vor sich selber kapitulieren:
“Irgendwie kommt da die Hermine nicht mehr mit.”
Denkt man all die Texte weg,
die “Zeit-Fragen” aus anderen Quellen übernimmt,
käme das Wochenblatt erfrischend weiss daher.
Doch nicht immer ist Artikeln anzusehen, dass sie abgekupfert sind.
“Schweizerzeit”-Verleger Ulrich Schlüer: “In vier Fällen übernahmen die ‘Zeit-Fragen’
ohne unser Wissen und ohne unsere Einwilligung Texte,
die wir als exklusive Artikel bestellt und bezahlt hatten.”
Der Militärpublizist Heinrich L. Wirz
beklagte gar öffentlich eine eigenmächtige Übernahme.
In den letzten Monaten pflegten die “Zeit-Fragen” vor allem drei Themen:
die Bilateralen, die EU-Sanktionen gegen Österreich –
und die Nachrichtendienste in Deutschland und der Schweiz.
Zu diesem Thema hat das Blatt eine auffallende Affinität.
Ob Peter Regli “Leuten in höheren Sphären nicht mehr passte?”
Die Absetzung des Schweizer ND-Chefs sei “nach einem Politrezept aus schillerndem Hintergrund durchgezogen worden”,
orakelten die “Zeit-Fragen” und mutmassten, es könnte gar “die Auflösung des schützenden Rechtsstaates Schweiz geplant und gewollt sein”.
Ins Absurde zugespitze Argumente sind typisch.
VPM-Anhänger D. R., der in den “Zeit-Fragen”,
in befreundeten Blättern, in Leserbriefen und im Internet präsent ist,
sieht in Europa “eine marxistische Volksfront an der Macht”
und in der EU “eine sozialistische Despotie” –
und benennt auch das nächste Einsatzfeld:
“Die Militarisierung der EU als Instrument der Willkürherrschaft.”
Agitationsfeld “Bilaterale Verträge”
Für den Ernstfall der Bilateralen mobilisierte der VPM alle Reserven.
“Zeit-Fragen” stellte rechtzeitig auf den Wochenrhythmus um.
VPM-AnhängerInnen verteilten Tausende von “Zeit-Fragen” bei Veranstaltungen, sandten den Redaktionen Hunderte von LeserInnenbriefen.
Dazu kam die Internet-Präsenz mit den Web-Sites zeit-fragen.ch und buergergespraech.ch.
Das Schweizer Volk werde diese “selbstmörderischen Abkommen” mit der EU ablehnen, schrieb Florian Ricklin in einem “Offenen Brief” an Bundespräsident Adolf Ogi.
“Da habe ich keine Zweifel!”
Ebenso wenig zweifelte er “als Bürger dieses Landes” daran, dass Ogi mit einem Auftritt in London “Landesverrat” begangen habe
– ein Delikt, auf das Zuchthaus bis zu fünf Jahren steht.
Leider vergass der “Bürger dieses Landes” mitzuteilen, dass er Präsident der Polit- und Psychosekte VPM ist.
Am 21. Mai war der Mediziner Ricklin dann mit einem kollektiven Suizid konfrontiert.
67 Prozent der Stimmenden hatten Ja zum “Selbstmord” gesagt.
Ein harter Schlag für den VPM und die “Zeit-Fragen”, die sich in der Kampagne gegen die Bilateralen als Spinne im Netz der Isolationisten versuchten hatten.
In der Tat: Ohne VPM hätte die Abstimmung nämlich gar nicht stattgefunden.
Die VPM-Frau Erika Vögeli, seit diesem Jahr Chefredaktorin der “Zeit-Fragen”, hatte in der Bundeskanzlei 23’000 Unterschriften abgeliefert,
mehr als die Schweizer Demokraten, die mit der Lega dei Ticinesi das Referendum ergriffen hatten.
Auf Vögelis Unterschriftenpaket stand selbstredend nicht VPM, sondern “Eine Schweiz für unsere Kinder”.
Anschrift: c/o Verlag “Zeit-Fragen”.
“Bei der Heroin-Abgabe habe ich den VPM das erste Mal als entscheidende Kraft im Hintergrund wahrgenommen”, erklärt SD-Nationalrat Bernhard Hess.
“Auch jenes Referendum wäre ohne den VPM nicht zustande gekommen.”
Etwas weniger im Hintergrund agierten die VPM-Leute dann beim Kampf gegen die neue Bundesverfassung, den sie um ein Haar gewonnen hätten.
Skepsis bei politischen Weggefährten
Was halten andere Rechtsaussen-Blätter von der neuen Konkurrenz vom Zürichberg?
“Die wenden sich eher an ein gebildetes Publikum”, meint Hess, der auch Chefredaktor des “Schweizer Demokrat” ist.
Er selbst gehört offensichtlich nicht zu diesem Segment:
“Ich erfahre erst durch Ihre Anfrage, dass die nun wöchentlich erscheinen.”
Die Artikel seien ihm einfach “zu langfädig”.
“Abendland”-Verleger Herbert Meier sieht keine Konkurrenz, ebenso wenig “Schweizerzeit”-Verleger Schlüer:
“Die vielen Grundsatzartikel von ‘Zeit-Fragen’ interessieren nur ein begrenztes Publikum.” Umso mehr erstaunt die hohe Auflagenzahl (40’000), die sich “Zeit-Fragen” zuspricht.
Zum Vergleich: Die “Schweizerzeit” beziffert ihre verkaufte Auflage auf 25’000,
der “Schweizer Demokrat” auf 11’500 (Wemf-beglaubigt) und das “Abendland” auf gut 10’000.
Die Abo-Preise der drei Titel sind weit günstiger als die 225 Franken der “Zeit-Fragen”.
Schlüer, Hess und Meier sind offensichtlich überzeugt, dass die bezahlte Auflage der “Zeit-Fragen” deutlich tiefer liegt als die ihre.
“Die haben noch einen weiten Weg vor sich”, meint Schlüer.
“Wer seine Argumentation stets verengt, auch mit Weltverschwörungstheorien, der erreicht bloss einen engen Markt.
Damit kann man höchstens vorhandene Überzeugungen verstärken.”
Trotz viel Aufwand bleibe die Wirkung beschränkt.
Meier hingegen teilt die Kritik der VPM-Leute am “neuen kapitalistisch-neosozialistischen Bündnis”.
“Zeit-Fragen” laufe jedoch Gefahr, Richtung “Weltverschwörung” abzudriften –
bis hin zum “Verfolgungswahn”.
Meier und andere hatten den Kopf geschüttelt
über ein Editorial kurz vor der absehbaren Annahme der bilateralen Verträge.
“Könnte es sein”, fragten die “Zeit-Fragen” suggestiv,
“dass in einigen Kantonen die Berner Integristen trotz Lügengeschichten,
trotz einer widerrechtlichen Propagandatour unserer Regierung und trotz massiver Diffamierung der Gegner vorsorglich ein paar Abstimmungsfälscher gut positioniert haben?”
Nach verlorener Schlacht behauptete man kurzerhand, angesichts all der Manipulationen habe der Entscheid “keine Legitimation”.
Unterzeichnet war die Stellungnahme von Heiri Baltensberger,
vom Luzerner Arzt Peter Mattmann
und von VPM-Mann Thomas Seitz, dem Ehemann der “Zeit-Fragen”-Chefredaktorin.
Kann der VPM, stets bestrebt, seine Isolierung zu überwinden
und weiter am rechten Kontaktnetz zu knüpfen,
für seinen Parforce-Einsatz wenigstens eine Bündnisdividende einfahren?
“Ein bisschen vielleicht, aber nicht viel”, meint Schlüer.
“Nein, da bleibt alles beim Alten”, urteilt Meier.
Was heisst: Für das Sammeln von Unterschriften, das Schreiben von Leserbriefen oder das Verteilen von Flugblättern sind die willigen VPM-Leute willkommen.
Aber von Gremien und Wahllisten hält man sie fern – wie von Christoph Blocher an der letzten Auns-Versammlung vordemonstriert.
Bei einer Ersatzwahl in den Vorstand warnte er vor Kräften wie dem VPM,
die die Auns für ihre Zwecke missbrauchen wollten – und setzte sich durch.
Weil die VPM-Leute wissen, dass ihnen die drei Buchstaben wie etwas Aussätziges anhaften, versuchen sie diesen Hintergrund zu verschweigen, so gut es geht.
Stellungnahme verweigert
Die telefonisch und schriftlich unterbreiteten Fragen von Klartext
liessen die “Zeit-Fragen”-Leute unbeantwortet –
bzw. überliessen ihren Telefonhörer der Schwerkraft.
Was nicht überraschte.
In der bereits zitierten “Klarstellung” hatte VPM-Präsident Ricklin
Hans Stutz (Klartext-Redaktor) und Jürg Frischknecht (Verfasser dieses Artikels)
als feindliche Journalisten geoutet.
In seiner nächsten “Klarstellung” kann Ricklin auch den Rechtsextremisten Emil Rahm an den Pranger stellen.
In einer “Manöverkritik”, die der Sektierer aus Hallau in den letzten Maitagen “an die Komitees und Aktivisten gegen die Bilateralen” verschickte,
benützte er die Befürworter-Schlagzeile “Der VPM gehört zu den wichtigsten Drahtziehern dieser Lügen-Kampagne” als Aufhänger für eine harsche Kritik an der Zürcher Politsekte.
“Wer zu Recht oder Unrecht in einem schlechten Ruf steht, darf nicht prominent auftreten”, schrieb Nein-Kleininserent Rahm.
“Die Leute des als ‘Eidgenössisches Komitee’ aufgetretenen VPM sollten der Sache zuliebe eher im Hintergrund arbeiten, statt sich als Dach aller Komitees zu präsentieren.
Sonst wird das ganze Abwehr-Dispositiv verwundbar.”
Es sei auch “kontraproduktiv” gewesen, dass der “Schweizer Demokrat” und die “Zeit-Fragen” an Veranstaltungen breit verteilt worden seien.
Ausschliessen möchte Rahm die fleissig-eifrigen AktivistInnen indessen nicht: “Der VPM oder eine andere Organisation darf weiter Initiativen ergreifen und intern zu Gesprächen und Versammlungen einladen” – das Wort “intern” unterstrichen.