Nobelpreisträgerin Ada Jonath fordert Freiheit für Gefangene Von Yossi Bartal Junge Welt 17.10.2009 / Schwerpunkt / Seite 3

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17.10.2009 / Schwerpunkt / Seite 3
Nobelpreisträgerin Ada Jonath fordert Freiheit für Gefangene
Von Yossi Bartal
Wie vermutlich überall wird auch in Israel die Verleihung des Nobelpreises an einen Staatsbürger als eine Auszeichnung für das ganze Land wahrgenommen.
Die Verleihung des diesjährigen Nobelpreises für Chemie an die israelische Professorin Ada Jonath löste in Israel eine kitschig-nationale Feierlichkeit aus, die, wie erwartet, von der Regierung dazu benutzt wurde, sich selbst zu loben.
Der rechte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ließ verlauten, daß »die Ehrung Israel mit großem Stolz erfüllt«.
Und Außenminister Avigdor Lieberman, der für seine rechtextreme und rassistische Politik bekannt ist, erklärte, »ihr Sieg hilft, das wirkliche Bild von Israel zu zeigen – als Land der Wissenschaft und Technologie, eines der fortschrittlichsten der Welt«.

Dabei hätte es bleiben können – bei einer angenehmen nationalen Gelegenheit, sich auf die Schulter zu klopfen und die zunehmende internationale Kritik an der Besatzungspolitik und die Kriegsverbrechen in Gaza zu vergessen.
Hätte die geehrte Preisträgerin nur ihre Rolle richtig gespielt. Nun aber hat Ada Jonath in einem Radiointerview die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen gefordert, ohne daran die Forderung nach einer Freilassung des 2006 von palästinensischen Militanten gefangenen israelischen Soldaten Gilad Schalit zu knüpfen.
Die Professorin erklärte ihre Position in bezug auf die israelische Besatzungspolitik wie folgt:
»Ich verstehe von vornherein nicht, warum wir sie [palästinensische Kämpfer] überhaupt inhaftieren.
Alle Gefangenen sollen zurück nach Palästina gebracht werden, unabhängig einer Abmachung im Fall Gilad Schalit.
Wenn wir palästinensische Häftlinge über Jahre hinweg gefangenhalten, wächst die Verbitterung ihrer Familien, und wir schaffen selbst neue Terroristen.«

Der Moderator der Radiosendung sowie alle anderen, die nur nichtssagende Worte von Jonath erwartet hatten, waren schockiert.
Die etwa 8000 gefangenen Palästinenser in Israel, von denen viele ohne ein Gerichtsverfahren unter miserablen Umständen festgehalten werden, sind der israelischen oder europäischen Öffentlichkeit fast nicht präsent.
Über diese Gefangenen als Menschen in der Öffentlichkeit zu reden und außerdem ihre Freilassung zu fordern, ist geradezu unvorstellbar in den israelischen Medien, noch dazu von jemandem, der kurz zuvor als Nationalheld angesehen wurde.
Nicht umsonst wurde Ada Jonath kein zweites Mal interviewt.
Die ganze Geschichte wurde in den Medien als ein peinlicher Ausrutscher einer zu lange im Labor untergetauchten Wissenschaftlerin präsentiert.
Schade nur, daß die internationale Presse die Aussagen dieser mutigen Professorin ignoriert hat.
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Ein Gespräch mit Marwan Barghuti Interview: Maan News Agency Junge Welt 17.10.2009 / Schwerpunkt / Seite 3