Revanchistisches Zündeln
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Revanchistisches Zündeln
Von Anton Maegerle
08.10.2009 - Freiheit für Südtirol bleibt programmatisches Ziel der extremen Rechten –
vor Jahrzehnten wurden dafür über 300 Terroranschläge verübt.
70 000 Zuschauer und 30 000 Akteure von Heimatverbänden, Schützenvereinen und Burschenschaften
feierten am 20. September in Innsbruck in Anwesenheit der Staatsspitze
den 200. Jahrestag der Erhebung gegen Napoleon
und die bayerischen Besatzer.
Beim Landesfestumzug zu Ehren des „Alpen-Talibans“ („Süddeutsche Zeitung“) Andreas Hofer
zeigten Schützen aus Südtirol Transparente mit Losungen wie „Los von Rom“, „Die Freiheit beginnt, wo Italien aufhört! – Süd-Tirol zu Österreich“
oder „Ein Tirol – nach über 90 Jahren Unrechtsgrenze fordern wir die Wiedervereinigung Süd-Tirols mit Österreich“.
In kleinerem Rahmen wurde Hofer beim 3. „Tiroler Freiheitskommers“, der vom 19. bis 21. Juni in Innsbruck stattfand, gedacht.
Ausgerichtet wurde das burschenschaftliche Treiben
von den waffenstudentischen Dachverbänden.
Während des „Freiheitskommers“ zelebrierte man auch eine „Heldenehrung“ am Andreas Hofer-Denkmal.
Schirmherr des Kommers war der FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf.
Graf, Alter Herr der rechtsextremen Burschenschaft Olympia, „geißelte“ in seiner Festrede, so berichtete die FPÖ-nahe Monatszeitschrift „Die Aula“, die „linke Antifa-Hetze“ gegen seine Person und referierte über Hofer und dessen „Freiheitskampf“.
Mehrfach hatte Graf in jüngster Zeit eine Volksabstimmung zur Rückkehr Südtirols nach Österreich gefordert.
Dies sei eine „legitime politische Forderung“, erklärte Graf, Autor der rechtsextremen Wochenzeitung „Zur Zeit“, in einem Interview.
Organisationsverantwortlicher des „Freiheitskommers“ war der Innsbrucker Christoph Mösenbacher.
Mösenbacher gehört der Burschenschaft Brixia an und ist Landesobmann des Rings freiheitlicher Studenten (RfS) Tirol.
Zugegen waren beim Kommers laut „Aula“ auch Teilnehmer „aus den getrennten deutschen Ländern“.
Hofer wird in diesen Kreisen als Held und Identitätsstifter
für das heroische Selbstbild der Tiroler verehrt.
Doch der zum mythologischen Gebirgler verklärte Partisanenführer Hofer
wollte nicht Unabhängigkeit und Freiheit,
sondern Tirol als kaisertreues Bollwerk gegen die Aufklärung bewahren.
Hofer war Vorbild des rechtsterroristischen „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS), der Südtirol in den 1960er Jahren aus dem italienischen Staat herausbomben wollte.
In der so genannten „Feuernacht“ im Juni 1961 hatten die Südtirol-Terroristen, verharmlosend in Österreich zu „Bumsern“ verklärt, quer durchs Land Strommasten in die Luft geprengt.
Nach über 300 Terroranschlägen verebbte der Südtirol-Terrorismus Ende der 1980er Jahre.
Zuletzt wurden im April 2008 durch die italienische Polizei 16 Südtiroler Neonazis festgenommen,
die auch Kontakte zu Gleichgesinnten in der Bundesrepublik pflegten.
Waffen und Sprengstoff sichergestellt
Einer der einstigen Rechtsterroristen ist heute propagandistisch weiterhin gemeinsam mit seiner Ehefrau in Sachen Südtirol aktiv: Peter Kienesberger in Nürnberg.
Kienesbergers Ehefrau Elke, Tochter des ehemaligen NPD-Funktionärs
und Autors der „Artgemeinschaft“-Schriftenreihe Fritz Danner,
betreibt unter ihrem Namen die Homepage („Heimseite“) des Buchdiensts Südtirol.
Auf Kundensuche ging der Buchdienst Südtirol mehrfach mit Anzeigen in der rechtsextremen „Deutschen Militärzeitschrift“ (DMZ).
Im aktuellen Angebot des Buchdiensts finden sich Werke, die mit Themen wie Scharfschützen-Schießtechnik, Selbstschusstechniken oder Combatschießtechniken aufwarten.
Laut Verlagswerbung ermöglicht das 248 Seiten umfassende Buch „Radikale Combatschießtechniken“ Waffenträgern, „die wirkungsvollsten, schnellsten und treffsichersten kampfmäßigen Schießtechniken zu erlernen“.
Der Österreicher Kienesberger war 1967 in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Er soll an einem Anschlag beteiligt gewesen sein, bei dem in der Nacht des 25. Juni 1967 in der Nähe von Santo Stefano di Cadore vier italienische Soldaten ums Leben kamen.
1980 wurden laut Angaben des Verfassungsschutzes in Nürnberg Waffen, Munition und Sprengstoff sichergestellt, die Kienesberger, damals 2. Vorsitzender der „Kameradschaft der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer“, bei einem Bekannten ausgelagert hatte.
Die Verfassungsschützer notierten, dass Kienesberger Literatur vertreibe, „die insbesondere die 'Befreiung' Südtirols zum Gegenstand hat“.
Anfang der 1980er Jahre saß Kienesberger mehrere Monate in Auslieferungshaft.
In dieser Zeit wurde er vom „Deutschen Rechtsschutzkreis / Deutsche Rechtsschutzkasse“,
dem Blut-und-Boden-Flügel des Rechtsextremismus, unterstützt.
Die Freilassung von Kienesberger, dessen Anschrift sich in den Kundenkarteien der antisemitischen Hetzschrift „Die Bauernschaft“ und der militanten Neonazi-Truppe „Nationalistische Front“ fand,
feierte der „Deutsche Rechtsschutzkreis“ als seinen Erfolg.
„Fremdbesetzte italienische Provinz“
Im Juni 1996 führte die Polizei beim Buchdienst Südtirol
eine Hausdurchsuchung statt.
Grundlage war unter anderem ein Beschlagnahmebeschluss gegen ein Buch des antisemitischen Berliner Verlags der Freunde.
Kienesberger wurde zuletzt im Jahr 2001 im bayerischen Verfassungsschutzbericht namentlich in seiner Eigenschaft als Südtirol-Referent genannt.
In seinem Referat „Geschichte und Perspektiven der Deutschen in Südtirol“, vorgetragen bei der Aktivitas der Münchner Burschenschaft Danubia am 17. Februar 2001, hatte Kienesberger laut Verfassungsschutz behauptet, „die Situation der Südtiroler in den 60er Jahren habe man nur durch Gewalt ändern können.“
Unter der Postfachadresse des Buchdiensts Südtirol firmiert auch die „Kameradschaft der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer“.
Deren langjähriger Sprecher ist der Österreicher Erhard Hartung, der lange Zeit als Narkosearzt in Düsseldorf arbeitete. Hartung war wie Kienesberger 1967 in Italien wegen des Anschlags bei Santo Stefano di Cadore zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Im September 1971 wurde in der damals rechtsextremen Zeitschrift „MUT“ ein Leserbrief von Hartung veröffentlicht,
in dem er den Vorsitzenden der später verbotenen Nationaldemokratischen Partei (NDP), Norbert Burger, als „verdienten Kämpfer um Südtirols Recht“ bezeichnete.
Burger war einer der Gründungsväter des „Befreiungsausschusses Südtirol“. Zeitweilig war Hartung „Sprecher der in Deutschland wohnenden Kameraden“ der NDP.
Ebenfalls lief das deutsche Spendenkonto der NDP auf Hartungs Namen.
In den 1990er Jahren saß Hartung im Kuratorium der über 100 Millionen-schweren Hermann-Niermann-Stiftung zur Förderung des Deutschtums im Ausland.
Von dort flossen Gelder an Südtiroler Organisationen.
Recherchen des Magazins „Der Spiegel“ zufolge soll die Düsseldorfer Stiftung „auch die Verteidigung der 'Schwarzen Wölfe' finanziert“ haben.
Die terroristischen elsässischen Separatisten hatten in den 1970er und Anfang der 1980er Jahre
Anschläge auf das ehemalige NS-Konzentrationslager Struthof verübt.
„Eine Zukunft ohne Italien“
Ende 2004 war Hartung von der Bielefelder Burschenschaft Normannia Nibelungen als Referent zum Thema „Der Südtiroler Freiheitskampf in den 1960er Jahren“ geladen.
Im gleichen Jahr musste ein gemeinsamer Referatsauftritt mit Kienesberger bei der Heidelberger Burschenschaft Normannia aufgrund öffentlicher Proteste abgesagt werden. Im Rundbrief der „Kameradschaft der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer“ notierte Hartung im Herbst 2005: „So bleibt Südtirol nach wie vor die einzige italienische Provinz, die entgegen dem mehrfach bekundeten Willen der angestammten Bevölkerung zu Italien geschlagen wurde und somit fremdbesetzt ist“.
„Ausdrücklich“ verweist Hartung darauf, „das wir Freiheitskämpfer in den 1960er Jahren erstmals seit der Fremdbesetzung ... der italienischen Armee wiederholt Schwierigkeiten – gefolgt mit Prestigeverlust – bereitet haben“.
Als „Fahnenträgerin und Symbol der Selbstbestimmung“ Südtirols
hat der 91-jährige Otto Scrinzi, Doyen des nationalen Lagers in Österreich,
Eva Klotz mit ihrer „Südtiroler Freiheit“ auserkoren.
Klotz (Jg. 1951) Tochter des einstigen Südtirol-Rechtsterroristen Georg Klotz
und Referentin bei den NS-apologetischen „Kärntner Kulturtagen“,
startete ihre politische Karriere 1976
als Mitglied des Ausschusses des „Südtiroler Heimatbundes“.
1983 wurde die frühere Lehrerin erstmals für die „Union für Südtirol“ (UfS)
in den Landtag in Bozen gewählt.
2007 rief die langjährige UfS-Landtagsabgeordnete die „Süd-Tiroler Freiheit“ ins Leben.
Mit Plakaten mit der Aufschrift „Süd-Tirol ist nicht Italien“
sorgte die „Süd-Tiroler Freiheit“ in ihrem Gründungsjahr für landesweite Aufmerksamkeit.
Die Rechtspartei Forza Italia forderte gar ihr Verbot.
Bei der Landtagswahl 2008 erreichte die „Süd-Tiroler Freiheit“ 4,9 Prozent
und stellt mit Klotz und Sven Knoll zwei Landtagsabgeordnete. Die Autonomie Südtirols betrachten Klotz und ihre Partei als „eine Übergangslösung“. „Ziel der patriotischen Kräfte in Südtirol“, so Klotz „ist eine Zukunft ohne Italien“.