AfD sucht den rechten Kurs
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Hamburger Abendblatt 17.09.14
AfD sucht den rechten Kurs
Vor dem Hamburger Parteitag schlägt sich die Partei mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen herum
Von Jens Meyer-Wellmann und Christian Unger
Hamburg. Nach der Wahl ist vor der Wahl. So bereitet sich auch die Alternative für Deutschland (AfD)
derzeit nach ihren guten Ergebnissen in Brandenburg und Thüringen auf den Hamburger Wahlkampf vor.
Vor dem Parteitag am 3. Oktober, bei dem die Kandidaten für die Bürgerschaftswahl nominiert werden sollen, gibt es allerdings einigen Ärger.
So wirft der frühere Gründer der STATT-Partei, Markus Wegner, jetzt Mitglied der AfD, der Parteiführung vor,
nicht genug gegen Rechtsextreme in der Partei zu tun.
Er werde an dem Nominierungsparteitag aus mehreren Gründen nicht teilnehmen,
hat Wegner an die Parteiführung geschrieben –
unter anderem, weil ihm nicht klar sei,
"weshalb eigentlich Personen in der AfD Mitglied sind
und eventuell Kandidat sein wollen,
die mit einem Freundeskreis Gleichgesinnter erfolglos durch etliche Parteien (Schill/Offensive D, Zentrum) getingelt sind".
Wenn "darunter gar ein ehemaliger NPD-Listenkandidat zur Bürgerschaft ist
oder Ex-DVUler in der Partei herumgeistern, hört der Spaß auf".
Wegner bezieht sich dabei unter anderem auf die früheren Schill-Politiker
Norbert Frühauf, Bodo Theodor Adolphi, Peter Lorkowski und Dirk Nockemann,
die allesamt in der AfD Politik machen wollen.
Gravierender scheint aber der Fall des AfD-Mitglieds Björn J. Neumann,
der bei der Bürgerschaftswahl 2011 in Hamburg als Spitzenkandidat der NPD angetreten war.
Derzeit läuft in der Hamburger AfD
nach Angabe des Vorsitzenden Jörn Kruse ein Ausschlussverfahren gegen Neumann.
Unklar ist die Rolle des früheren DVU-Politikers Torsten Uhrhammer in der neuen Partei.
Offiziell sind frühere Mitglieder von NPD oder DVU von einer Mitgliedschaft bei der AfD ausgeschlossen.
Auf Nachfrage hieß es lediglich,
Uhrhammer sei "kein Vollmitglied" und "nicht stimmberechtigt".
Allerdings hat die AfD auch Mitglieder aus anderen rechtspopulistischen Parteien gewonnen.
So war der frühere Landesvorsitzende der kleinen Partei "Die Freiheit", Jens Eckleben,
2013 "Landeskoordinator" bei der Gründung des Hamburger Landesverbands der AfD.
Bis heute ist er Mitglied. Auch der ehemalige Landesschriftführer der "Freiheit", Claus Döring,
kam bei der AfD unter und kandidierte im Mai für die AfD im Bezirk Nord bei den Bezirksversammlungswahlen.
Auffällig ist, wie stark sich die AfD in den Wahlkämpfen in Ostdeutschland gewandelt hat.
Statt auf die Euro-Kritik setzt sie nun auf Themen wie Innere Sicherheit und restriktive Flüchtlingspolitik.
Im Brandenburger Wahlkampf näherte sie sich der NPD an,
indem sie forderte, die Grenzen zu Polen wegen häufiger Diebstähle im Grenzgebiet zu schließen.
Petra Federau, Vorstandsmitglied der AfD in Mecklenburg-Vorpommern, wetterte auf ihrer Facebook-Seite über Asylbewerber und Ebola-Kranke:
"Wir holen uns nicht nur die Religionskriege, sondern auch alle Krankheiten der Welt ins Land.
Werden wir demnächst auch noch zwangsverpflichtet, Flüchtlinge zu Hause aufzunehmen?"
Und: "Demnächst müssen wir für eine bessere Willkommenskultur auch noch Afrikanisch lernen."
Das Hamburger Wahlprogramm, dessen Entwurf dem Abendblatt vorliegt, kommt dagegen weitaus biederer daher.
Als Kernthemen werden dort Verkehrs- und Bildungspolitik, Verbrechensbekämpfung und der Kampf gegen politischen Filz genannt.
Hamburg sei "Stau-Hauptstadt Deutschlands", heißt es.
Oder: "Privat fühlen sich die Bürger überdies in Hamburg zu Recht ungeschützt.
Die Aufklärungsquote bei den ca. 7000 Einbrüchen in Hamburger Wohnungen liegt bei nur zehn Prozent.
Seit Jahren agieren politisch motivierte Rechtsbrecher unbehelligt und verunsichern die Bürger."
Zudem sei Hamburg "durch Duldung faktisch rechtsfreier Räume kaum gehindert zur Hochburg des Linksextremismus in Deutschland" geworden.
Auch in Hamburg will die AfD die Flüchtlingspolitik thematisieren.
"Selbstverständlich werden die Themen Flüchtlinge und Zuwanderung im Wahlkampf der AfD in Hamburg eine Rolle spielen", sagte Landeschef Kruse.
"Denn es hat eine hohe Bedeutung, und die Länderkompetenz Hamburgs ist wichtig."
Angesichts der Abkehr der AfD von den Schwerpunkten Euro-Politik und Wirtschaftsliberalismus
hat sie zuletzt auch Mitglieder verloren,
die den Schwenk nicht nachvollziehen wollten.
So berichtet etwa der frühere AfD-Bundestagskandidat Sigurd Greinert,
wie er nach ein paar Wochen Mitgliedschaft plötzlich das Gefühl bekam,
der Inhalt der AfD sei etwas anderes als ihre Verpackung.
"Alles, was ich befürchtet habe, hat sich bestätigt", sagt der 49 Jahre alte Software-Unternehmer.
Im März 2013 war er der AfD beigetreten. "Euro-kritisch zu sein, aber nicht Europa-kritisch, das war mir damals wichtig."
Er habe gedacht, eine Rückkehr zu nationalen Währungen könnte für Europa eine Lösung sein."
Heute sagt er: "Die Forderung führte nur zu dumpfem Nationalismus."
Auch in der AfD.
Als Greinert die Treffen der AfD in Hamburg besuchte, seien ihm immer wieder Äußerungen anderer Mitglieder übel aufgestoßen.
"Das waren keine rechtsextremen Parolen."
Dafür seien diese Leute viel zu schlau.
Aber es ging um "generelle Islamkritik", um Provokationen gegen die "Political Correctness", um Politik als "Tabubruch".
So hat Greinert das empfunden – und trat wieder aus.
Trotz der Querelen geht die Partei nach außen optimistisch in den Hamburger Wahlkampf.
Parteichef Kruse hat das Ziel von acht Prozent ausgegeben.
Der Hamburger Politikwissenschaftler Elmar Wiesendahl attestierte der AfD ebenfalls gute Chancen.
Dabei dürfte es darauf ankommen, welches Personal die Partei am 3. Oktober nominiert.
Der gebürtige Hamburger und frühere Industrieverbandschef Hans-Olaf Henkel,
der für die AfD im Europaparlament sitzt
und hier und da als möglicher Hamburger Spitzenkandidat gehandelt wurde,
hat am Dienstag abgewinkt.
"Ich werde in den Wahlkampf in Hamburger allerdings eingreifen und meine Freunde der AfD unterstützen", sagte Henkel.
Das erhöht womöglich die Chancen anderer – zum Beispiel die von Dirk Nockemann.
Der einstige Büroleiter von Ronald Schill und dessen Kurzzeit-Nachfolger als Innensenator sagte, er schließe eine Kandidatur für die Bürgerschaft nicht aus.
17.09.14 Kommentar
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