Die Linke gibt sich auf - Hisbollah-Verbot in der BRD

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"Junge Welt"
Aus: Ausgabe vom 20.12.2019, Seite 8 / Ansichten
Kommentar
Die Linke gibt sich auf
Hisbollah-Verbot in der BRD
Von Knut Mellenthin
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Aus: Ausgabe vom 20.12.2019, Seite 8 / Abgeschrieben
Interne Debatte in der Linke-Bundestagsfraktion zu Verbotsanträgen gegen die Hisbollah

Mailwechsel zwischen dem sicherheitspolitischen Sprecher, dem Kofraktionsvorsitzenden und weiteren Abgeordneten

Der Bundestag hat am gestrigen Donnerstag
mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP
die libanesische Hisbollah zur »Terrororganisation« erklärt
und ihre Tätigkeit auf deutschem Boden verboten.
Außerdem wird die Bundesregierung mit dieser Entschließung aufgefordert,
»gemeinsam mit internationalen Partnern Maßnahmen zu ergreifen,
die den Einfluss der Hisbollah in der Region und insbesondere in Syrien zurückdrängen«.
So radikal und offen definiert nicht einmal die US-Administration das Ziel ihrer Nahostpolitik.
Mit dieser Aussage, in der eine militärische Komponente zumindest nicht ausgeschlossen wird,
wurde wahrscheinlich einem speziellen Wunsch aus Jerusalem entsprochen.

Die AfD, die Linke und die Grünen haben sich
bei der Abstimmung über den Antrag der Regierungsparteien
aus unterschiedlichen Gründen enthalten.
Überwiegend enthalten, muss man einschränken:
Die Linken-Abgeordnete Evrim Sommer votierte Presseberichten zufolge für den Antrag,
weil Hisbollah »antisemitisch und antidemokratisch« sei.

Es ist kein Geheimnis, dass auch andere Mitglieder ihrer Fraktion
nicht nur mit der Verbotsforderung sympathisieren,
sondern dem Regierungsantrag am liebsten zugestimmt hätten.
Die kollektive Enthaltung war ein mühsamer und unerfreulicher Kompromiss,
mit dem der realistische Eindruck vermieden oder abgeschwächt werden sollte,
Partei und Fraktion seien in dieser Frage völlig zerstritten.

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Das Täuschungsmanöver misslang
nicht nur wegen des Alleingangs der Abgeordneten Sommer.
Zuvor hatte ihr Fraktionskollege Matthias Höhn angekündigt, er werde dem Alternativantrag der Grünen zustimmen.
Dieser war im Kern noch schärfer als die von der FDP mitgetragene Regierungsvorlage:
Zusätzlich zum Betätigungsverbot verlangten die Grünen auch ein »Gesamtkonzept«,
»um das Rekrutierungs- und Finanzierungsnetzwerk der Hisbollah
konsequent und lückenlos in Deutschland zu zerschlagen«.
Auf der anderen Seite begründeten acht linke Abgeordnete ihre Ablehnung beider Anträge.

Partei und Fraktion haben ein riesiges Problem,
weil sie strategische Fragen nicht grundsätzlich zu klären
und gemeinsam zu beantworten versuchen,
sondern sich in taktischen Spielchen und unerträglichen Kompromissen aufreiben.
Dabei spielt der Nachweis ihrer Regierungsfähigkeit eine entscheidende Rolle.
In der von fast allen Flügeln angestrebten »rot-rot-grünen« Koalition
wären die Grünen nicht nur stärkste Partei,
sondern würden auch die Außenpolitik bestimmen.
Das bedeutet: Fortsetzung der feindseligen Haltung gegenüber Russland,
mehr statt weniger Bundeswehrmissionen,
uneingeschränkte Unterstützung für Israels Kriegskurs gegen den Iran
und außenpolitische Selbstaufgabe der Linken.