Rechter AfD-„Flügel“ sammelt seine Bataillone
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Der Flügel - Alternative für Deutschland
Rechter AfD-„Flügel“ sammelt seine Bataillone
von Rainer Roeser
"Blick nach Rechts" 11.11.2016
11.11.2016 - AfD-Rechtsausleger Björn Höcke will, dass „die Richtigen“ für die AfD in den Bundestag einziehen.
In Baden-Württemberg kursieren bereits Listen mit den Namen derer,
die in einer künftigen Fraktion für einen radikalen Kurs stehen sollen.
Auch in anderen Bundesländern zieht es die Partei nach rechts.
Die Gefolgsleute des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke sollen in den Bundestag; Photo (Archiv): K.B.
Dass Björn Höcke sich zu Höherem berufen fühlt, lässt sich kaum überhören.
Nicht, wenn er alle paar Wochen mittwochs bei AfD-Demonstrationen vor den Seinen steht
und selbstergriffen über „tausend Jahre Deutschland“ schwadroniert.
Nicht, wenn er per Videobotschaft Bedeutungsschwangeres zum Tag der Deutschen Einheit verkündet.
Nicht, wenn er seiner Anhängerschaft die Welt erklärt,
jetzt, da die Amerikaner einen Nationalpopulisten wählten.
Erfurt ist ihm längst zu klein geworden. Erfurt mag sich zwar Landeshauptstadt nennen,
doch es ist mit seinen 210 000 Einwohnern doch letztlich nur Provinz
– zu klein auf jeden Fall für einen, der Großes vorhat.
Wie er sich selbst sieht, darüber geben einige Bilder Auskunft,
die er von sich verbreiten lässt: Höcke vor dem Reichstagsgebäude,
der Blick andächtig bis sehnsüchtig; Höcke unter einem Straßenschild:
die Otto-von-Bismarck-Allee; Höcke, eine überdimensionale schwarz-rot-goldene Flagge schwenkend.
Ein weiteres Bild stammt nicht von Höcke selbst,
sondern von seiner AfD-internen Rechtsausleger-Gruppierung „[[Der Flüge
Es zeigt ein Porträt des Wahl-Thüringers und daneben nur ein Wort: „Kanzlerpartei“.
„Flügel“-Leute auf aussichtsreiche Listenplätze
Zwar stünden derlei Ambitionen die Umfrageergebnisse entgegen,
die die AfD bei 11 bis 13 Prozent sehen.
Und vor allem im Westen meinen selbst ausgewiesene Parteirechte,
dass Höckes zuweilen an Wochenschau-Aufnahmen der 20er und 30er Jahre erinnernder Habitus
wohl im Osten des Landes ankommen könnte,
keinesfalls aber in Hamburg, München oder Köln.
Dennoch glauben die härtesten seiner Fans, dass er der Richtige fürs Kanzleramt wäre.
Im Augenblick ist ihr Idol dabei, seine Bataillone für die Bundestagswahl zu sammeln.
Bei den Landesparteitagen der nächsten Wochen sollen möglichst viele Kandidaten von Rechtsaußen
auf aussichtsreiche Listenplätze bugsiert werden.
„Ich möchte, dass die Flügel-Leute in ganz Deutschland die kommenden Listenparteitage maximal frequentieren, damit die Richtigen nach Berlin kommen“, erklärte er am vorigen Wochenende bei einem Veranstaltung seiner Anhänger in Ludwigsburg.
Eingeladen zu der Veranstaltung unter Ausschluss der Medien hatten unter anderem
die Landtagsabgeordnete Christina Baum und die Heidelberger Stadträtin Anja Markmann.
Gedacht zunächst als Treffen der „Flügel“-Anhänger aus Baden-Württemberg, war die Veranstaltung vor den Toren Stuttgarts rasch ausgebucht.
Auch aus anderen Bundesländern kamen zahlreiche Anhänger ins Schwäbische.
Fraktion in der Fraktion?
Höcke-Skeptiker in der Partei werden dessen Anziehungskraft auch im Westen eher mit gemischten Gefühlen sehen.
Erst recht, weil er in seiner auszugsweise veröffentlichten Rede durch die Blume verriet, was er zumindest von Teilen seiner AfD-internen Gegner hält: „Überlassen wir die Partei nicht den Strippenziehern, Intriganten und Überschlauen.“
Geradezu alarmiert sein dürften seine Gegner vor allem durch die Ankündigung, quasi eine Fraktion in der Fraktion installieren zu wollen – orientiert an seiner „Erfurter Resolution“, die zur Radikalisierung der AfD beitrug.
Er wolle, sagte Höcke in Ludwigsburg, „dass wir in der Bundestagsfraktion in Berlin diesen guten Kern der Partei lebendig halten, indem wir eine Flügel-Gruppe im Bundestag aufbauen“.
Im Südwesten will die AfD am übernächsten Wochenende in Kehl ihre Kandidatenliste wählen.
Einige der Namen von Rechtsauslegern, die es mit „Flügel“-Unterstützung nach Berlin ziehen könnte, wurden bereits bekannt.
Vorneweg Dubravko Mandic, der nach eigenem Bekunden gegen den – nach AfD-Maßstäben – als „gemäßigt“ geltenden Marc Jongen für Listenplatz drei antritt und schon einmal verrät:
„Ich sehe diesem Duell mit Freude entgegen!“ Nicht nur parteiintern geriet sein Name in die Diskussion, weil er US-Präsident Obama als „Quotenneger“ bezeichnete und zum Verhältnis zur NPD festhielt:
„Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützer-Umfeld, nicht so sehr durch Inhalte.“
In diesem Sommer plädierte er für eine „inhaltliche Zusammenarbeit“ mit der „Identitären Bewegung“ (IB): „Sowohl die AfD und vor allem die Junge Alternative sind personell mit der IB verbunden. Dies folgt schlicht aufgrund ähnlicher politischer Zielsetzung.“ (bnr.de berichtete)
Kandidaten mit Schlagseite
Für Listenplatz fünf kandidiert mit „Flügel“-Hilfe Taras Maygutiak, der im Mai 2014 zum ersten Vorsitzenden der „Patriotischen Plattform“ in Baden-Württemberg gewählt worden war.
Zu diesem Gründungsvorstand zählte auch Eugen Ciresa, der sich nun für Platz zehn bewirbt.
Über ihn berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), er habe Lieder einer Neonazi-Band auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Zur jungen Garde der auf die Liste drängenden AfD-Rechtsaußen zählt Reimond Hoffmann (29), Bundesvize der „Jungen Alternative“ und Mitarbeiter der Stuttgarter Landtagsfraktion.
Zuvor war er bei der Thüringer Fraktion angestellt – oder wie er es formulierte:
Er hatte „über ein Jahr die Ehre, unter Björn Höcke arbeiten zu dürfen“.
Die „Neue Rottweiler Zeitung“ nannte Hoffmann kürzlich einen „jungen Deutsch-Nationalen, Burschenschafter und Karrieristen“.
Als Kandidat gehandelt wird zudem der Staatsanwalt Thomas Seitz.
Über ihn berichtete die FAZ, er habe schon im Oktober 2015, lange vor Frauke Petry, den Schusswaffengebrauch an den Grenzen gefordert.
Auf seiner Facebook-Seite habe er unter ein Bild von einem Boot voll nackter junger Frauen geschrieben: „Endlich kommen die richtigen Flüchtlinge.“
Die „Badische Zeitung“ zitierte weitere Seitz-Sentenzen: SPD, Grüne und Linke bezeichnete er demnach als „linke Verräterbande“; Flüchtlinge seien für ihn „Invasoren“, die Bundesregierung habe „ihr Land verraten“.
Zum Bundeskabinett fiel dem Juristen ein: „Wenn es heute noch einen allseits akzeptierten klassischen Ehrbegriff gäbe, müsste jedes Mitglied der derzeitigen Regierung sich umgehend selbst richten“. (bnr.de berichtete)
Kungeleien „im Kreise Gleichgesinnter“
Treffen abseits der Parteistrukturen wie das in Ludwigsburg sind kein Einzelfall in diesen Tagen.
In Nordrhein-Westfalen warb die „Konservative Avantgarde“
Anfang des Monats semi-konspirativ für ein „Stelldichein“ in „einer kleineren Stadt im Regierungsbezirk Münster“.
Vordergründig ging es um einen „Abend im Kreise Gleichgesinnter“
und um „das Kennenlernen der AfD-Mitglieder und der AfD-Delegierten untereinander“.
Eigentlicher Anlass aber dürfte die Unzufriedenheit mancher Parteirechten gewesen sein,
die bisher bei der Aufstellung der Kandidaten für die Landtagswahl im kommenden Frühjahr nach ihrer Auffassung kaum zum Zuge gekommen sind.
NRW ist zugleich ein Beispiel dafür, dass Parteirechte auf der Strecke bleiben können, wenn sie es mit verbalen Rempeleien gegen AfD-Obere übertreiben.
Dies traf Thomas Matzke, den Kopf der „Patriotischen Plattform“ im größten Bundesland,
der in den letzten Monaten vor allem mit scharfen Attacken gegen Landessprecher Marcus Pretzell aufgefallen war. (bnr.de berichtete)
Als seine bisherige Machtbasis, der zweitgrößte nordrhein-westfälische AfD-Kreisverband im Rhein-Sieg-Kreis,
am vorigen Wochenende einen Vorsitzenden zu wählen hatte, verzichtete Matzke auf eine erneute Kandidatur.
Seine Chancen wären womöglich auch nicht sehr groß gewesen.
„Es ist mir wichtig zu erwähnen, dass ich die Entscheidung in der Hand hatte und nicht etwa –
wie von den LaVo- und BV-Antragstellern gewünscht –
abgewählt und wie ein Hund vom Hof gejagt wurde“, erklärte er hinterher.
Kontinuierlicher Rechtsdrall ohne viel Krawall
Einen Dämpfer musste offenbar auch Roland Ulbrich hinnehmen,
Chef der „Patriotischen Plattform“ in Sachsen.
Auf der Internetseite der Rechtsausleger-Truppe fehlt sein Name inzwischen in der Liste der Bundesvorstandsmitglieder.
Warum er aus dem Gremium verschwand, haben bisher weder Ulbrich noch die „Plattform“ verraten.
Bekannt ist aber, dass seine permanenten Angriffe gegen AfD-Chefin Frauke Petry (bnr.de berichtete) und zuletzt ein Auftritt bei einer rechtsextremen Demonstration in Berlin (bnr.de berichtete) für Aufregung gesorgt hatten.
Wer zu laut und krawallig auftritt – das lehren die Fälle Matzke und Ulbrich –, scheitert zuweilen beim Versuch, die AfD weiter nach rechts zu verschieben.
Der stete Tropfen höhlt den Stein.
Erfolg haben die, die zwar auch für eine Radikalisierung der Partei stehen, aber dabei doch eine Spur dezenter vorgehen.
Die hessische AfD wählte am vorigen Wochenende den Ex-Republikaner Peter Münch und den 2004 wegen Antisemitismusvorwürfen aus der CDU ausgeschlossenen Martin Hohmann auf vordere Plätze ihrer Liste zur Bundestagswahl.
In Hamburg machte die Hansestadt-AfD ebenfalls am Wochenende den früheren Schill-Partei-Spitzenkandidaten Dirk Nockemann zu einem ihrer stellvertretenden Sprecher.
So kommt der Rechtsdrall der AfD als kontinuierliche Entwicklung daher, die auf zu schrille Typen verzichten kann, auf solche wie Höcke, Münch oder Nockemann aber nicht.