Verschiedene Fluchten
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Staatsanwalt und Neofaschist Matthias Bath
Verschiedene Fluchten
Der Fall Bath
Zwischen Dezember 1975 und April 1976 wurden drei junge West-Berliner,
unter ihnen der damals 20-jährige Matthias Bath, festgenommen,
die in ihren Autos DDR-Bürger schleusen wollten.
Sie wurden in Geheimprozessen verurteilt.
Matthias Bath wurde, als er die Transitstrecke von Berlin nach Helmstedt zurückgelegt hatte,
kontrolliert und festgenommen.
Für ihn betrug die Strafe fünf Jahre Haft,
mehr als drei Jahre musste er verbüßen
bis er mit vier anderen Personen gegen einen Stasi-Spitzel
aus der Berliner SPD ausgetauscht wurde.
Selbst das MfS räumte den drei "Bandenmitgliedern" idealistische Motive ein.
Der Fall Matthias Bath wurde nach dessen Entlassung
mehrfach in der Illustrierten "Quick" dokumentiert.
"Ich selbst war überzeugter Gegner der Mauer- und Stacheldrahtpraktiken der DDR.
Das Regime wie auch seine Ideologie
wurden von mir aus politischen Gründen abgelehnt ...
Der status quo der deutschen Teilung,
der Existenz der DDR und der Entrechtung der Bewohner Mitteldeutschlands
erschien mir nicht im geringsten erhaltenswert ...
Was nützte es, große Debatten über dieses leidige Thema zu führen,
Flugzettel zu verteilen oder auch einmal einen Fackelzug an die Mauer zu veranstalten?
... Mit der Möglichkeit, Fluchthilfe zu leisten,
bot sich mir erstmals ein Fingerzeig,
Menschen effektiv zu helfen und den status quo zu unterlaufen...
Letztlich entschloss ich mich,
um nicht vor mir selber unglaubwürdig und moralisch korrumpiert zu werden,
zur Teilnahme an der vorgeschlagenen Fluchthilfe.
Ich glaubte, mich so auch von einer moralischen Mitverantwortung freimachen zu können,
die im Grunde genommen alle tragen,
die erkanntes Unrecht
nur deklamatorisch statt aktiv bekämpfen."
(aus: Matthias Bath, 1197 Tage als Fluchthelfer in DDR-Haft, Berlin 1987)
Das MfS plante eine publizistische Kampagne gegen die Fluchthelfer,
von denen viele Kontakte zur CDU hatten oder ihr gar angehörten.
Ebenfalls in der Illustrierten "Quick"
wurden die vermeintlichen.
Hintergründe des Scheiterns von Matthias Bath "aufgedeckt".
Der Autor Ullrich Laue behauptete,
die beiden CDU-Nachwuchspolitiker Eberhard Diepgen und Klaus-Rüdiger Landowsky
hätten Bath wegen eines innerparteilichen Streits auffliegen lassen.
Bath: "Das MfS hat damals ganze Arbeit geleistet.
Bis ich nach 1989 davon erfuhr,
dass Herr Laue selbst Stasi-Spitzel war,
wurde ich wegen der Zweifel an meinen Parteifreunden
immer mehr von der Partei entfremdet."
Der Staatssicherheitsdienst
hat einen Keil zwischen seine Gegner zu schieben vermocht.
Nach dem Ende des SED-Staates
erfuhr Bath weiter,
dass er bis 1989,
also lange nach seiner Rückkehr in den Westen,
unter der Beobachtung verschiedener Abteilungen des MfS stand.
Der letzte Spitzel in seinem Umfeld war der Vorsitzende seines CDU-Ortsverbands.
Der Fall Schubert
Einigen Fluchthilfegruppen gelang es über Jahre hinweg,
professionelle Schleusungen durchzuführen,
ohne dass das MfS in die Gruppen eindringen konnte.
Das traf beispielsweise auf die Gruppen um den Fluchthelfer Schütz zu.
Das MfS bekam ihn nicht zz fassen.
Mit allen Propagandamitteln versuchte der SED-Staat,
die Fluchthelfer zu diskreditieren und zugleich amtliche Stellen in der Bundesrepublik verantwortlich zu machen.
Nach dem Motto "Der Zweck heiligt die Mittel"
nahm das MfS auch einzelne Schleusungen bewusst in Kauf,
wenn dadurch etwa ein Informant geschützt
und mit seiner Hilfe auf Dauer wirkungsvoll gegen Fluchthelfer vorgegangen werden konnte.
Als das MfS 1980 von einer geplanten Schleusung erfuhr,
erwogen Mitarbeiter, sie zuzulassen,
um den IM und seine Vertrauensstellung in der Schleusergruppe nicht zu gefährden (MH = "Menschenhändler").
Um Fluchtwillige in der DDR zu verunsichern
und den Ruf der Fluchthelfer aus der Bundesrepublik zu schädigen,
täuschten Inoffizielle Mitarbeiter Fluchtangebote vor.
Um Inoffizielle Mitarbeiter unbeobachtet in die Bundesrepublik zu bringen,
hatte der Staatssicherheitsdienst entlang der innerdeutschen Grenze "Übertrittsstellen" eingerichtet.
Diese geheimen Schleusen waren unscheinbar,
nur wenigen bekannt und ein sicherer Weg durch Sperranlagen und Minenfelder.
Für einige Schleuser war Fluchthilfe ein gut bezahltes Abenteuer.
Wurden sie gefasst und konnten Bezüge zur kriminellen Szene hergestellt werden,
nutzten SED und MfS die Gelegenheit, einen Schauprozess zu inszenieren.
Im Jahre 1976 fand ein solches Verfahren gegen den Fluchthelfer Rainer Schubert statt.
Er wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
Der Fall Schiedeck / Gläser
Die schwangere Margitta Schiedeck und ihr Verlobter Karl Gläser
entschlossen sich 1973, die DDR
mitsamt dem kleineren Bruder Hans Gläser zu verlassen.
Weil das Gerücht die Runde machte,
die Brandt-Regierung würde die DDR-Staatsbürgerschaft bald anerkennen
und Ostdeutsche zurückschicken, war Eile geboten.
Durch Kontakte zu Regimekritikern
wurde die Verbindung mit einer kommerziellen Schleusergruppe aufgenommen.
Üblicherweise beliefen sich die Kosten pro Schleusung auf DM 20.000-25.000.
Die Aktion wurde zuvor ausführlich besprochen.
Die Flucht erfolgte reibungslos:
In der Nacht zum 18. Juni 1973
trafen sich die drei Personen mit zwei Fluchthelfern in Leipzig, deren Fahrzeug sie bestiegen.
Mitten auf der Transitstrecke Berlin-Bayern
hielt der Wagen an einer zuvor festgelegten Stelle
zu einem festgelegten Zeitpunkt, wo auch der Fluchtwagen hielt.
Alle drei Personen verließen das erste Fahrzeug und stiegen in den Kofferraum des Transitfahrzeugs.
Stunden später in West-Berlin angekommen,
versteckten sie sich zunächst bei Verwandten.
Da auch Behörden der Bundesrepublik nicht vor den Spionen des MfS sicher waren,
empfahl es sich zum Schutz der Fluchthilfeorganisation
nicht am selben Tag die Behörden aufzusuchen.
"Wir fühlten uns seit 1961 wie Inhaftierte.
Auch die Rhetorik westdeutscher Politiker änderte nichts am status quo
und an den Umständen unseres Daseins.
Also schien die Flucht die einzige Lösung zu sein,
da unser Kind nicht in einem Unrechtsstaat aufwachsen sollte.
Die materiellen Dinge wie Reisen und Autos
spielten bei dem Gedanken an die Flucht
keine so große Rolle wie die Hoffnung,
in einem bürgerlichen Rechtstaat leben zu können",
so Karl Gläser heute.
Wenige Monate später
konnte eine weitere Bekannte
mit Hilfe desselben Fluchthilfeunternehmens in den Westen gerettet werden.
Der Fall „Erfolglos“
Nicht immer verlief der Versuch,
Ostdeutsche in Kraftfahrzeugen über die Transitstrecken
in die Bundesrepublik oder nach West-Berlin zu schleusen, so erfolgreich.
Im einem anderen Fall hatte ein Bundesbürger
durch Umbauten in seinem Pkw ein Versteck geschaffen,
in dem sich seine Freundin verbarg.
Dieses wurde jedoch bei der Grenzkontrolle entdeckt.
Beide Personen kamen in Haft
und wurden am 12. Dezember 1968 vom Kreisgericht Erfurt verurteilt.
Im Urteil hieß es: "Der Angeklagte [S...] wird wegen Menschenhandel
nach § 132 Abs. 1 und 3 StGB zu 2 Jahren und 2 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Angeklagte [G...]
wird wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts
nach § 213 Abs. 1, 2 Ziffer 2 Abs. 3 StGB zu 1 Jahr Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach § 56 StGB wird der zur Tat benutzte PKW Ford Taunus entschädigungslos eingezogen.
"Begründung: Der Angeklagte habe "die Kontrolltätigkeit unserer staatlichen Organe beeinträchtigt
und die Ordnung und Sicherheit im Grenzgebiet der DDR gefährdet".
Er habe "objektiv das Ansehen unseres Staates geschädigt
und den westdeutschen Hetzzentralen Material
gegen unseren Staat und unsere gesellschaftliche Entwicklung geliefert."
Katholische Schule Salvator - Projekt im Fach Politische Weltkunde
Referat von : Oliver Münchow