Patrick M. Rogozenski
Aus InRuR
lawoffice.de
Rechtsanwaltskanzlei Patrick M. Rogozenski
Hammer Deich 34
20537 Hamburg
sein twitter account
2005
Virtuelle Vergangenheitsbewältigung
TAZ Nord vom 26. 8. 2005 S. 24
von Andreas Speit
Weil ein Anwalt nicht will,
dass im Internet über sein früheres Engagement
bei der „Neuen Rechten“ berichtet wird,
klagt er vor Gericht.
Die Betroffenen fragen: „Was ist ein Archiv wert, wenn darin jeder herumpfuschen kann?“
Den Fakt bestreitet Patrick M. Rogozenski nicht.
Doch der Hamburger Rechtsanwalt möchte sein früheres Engagement bei der „Neuen Rechten“ nicht weiter veröffentlicht wissen.
Vor dem Hanseatischen Landgericht reichte er Klage gegen den Verein „nadir.org“ ein,
da er seine „Persönlichkeitsrechte“ verletzt sieht.
Heute soll das Gericht entscheiden,
ob Nadir einen Artikel aus dem Online-Archiv löschen muss.
„Einen Eilantrag auf Unterlassung hat das Amtsgericht bereits abgelehnt“, sagt Peter Leuchtkopf von Nadir.
Seit fast zehn Jahren
stellen die Nadir-Mitglieder ehrenamtlich Websites und Mailinglisten
über linke Projekte ins Netz.
Über „Google“ war Rogozenski auf die umstrittene Dokumentation von 1995 gestoßen.
„Bei seiner Karriereplanung“, meint Leuchtkopf, „bedarf er wohl einer weißen Weste“.
In der Dokumentation über „Rechte Organisationen in Hamburg“ werden einige braune Flecke des Anwalts offenbart.
So outen die Autoren Rogozenski als Mitglied der „Gruppe 146“.
Von 1988 bis 1990 war sie an Hamburgs Hochschulen aktiv,
organisierte Diskussionen mit neurechten Theoretikern wie Reinhold Oberlercher.
Der Gruppenname soll an den Paragraphen 146 des Grundgesetzes erinnern,
in dem steht, dass ein „wiedervereinigtes Deutsches Volk“ sich in „freier Selbstbestimmung“ eine neue Verfassung gibt.
Wie eng der Zirkel mit der militanten Szene der Rechten verbunden war,
bestätigte der Hamburger Senat.
Der Hamburger Neonazichef Christian Worch
plauderte gar aus, eine Veranstaltung der Gruppe mit seinen „Kameraden“ geschützt zu haben.
„Von seinen früheren Aktivitäten distanziert er sich nicht“, sagt Leuchtkopf:
„Herr Rogozenski will alleine den Eintrag wegklagen“.
Nur unterscheide er nicht zwischen einem archivarischen Artikel und einer aktuellen Berichterstattung.
Schon 2003 hatte der Firmenmanager Jost Berstermann per Gericht versucht,
einen Eintrag über seine rechte Vergangenheit entfernen zu lassen.
Das Berliner Landgericht wies die Klage ab,
weil „kein rechtswidriger Eingriff in die Privatsphäre“ vorläge.
„Was ist ein Archiv wert, wenn darin jeder herumpfuschen kann“,
überlegt Leuchtkopf und meint:
„Der Wert besteht grundsätzlich in seiner Unbestechlichkeit“.
Mit der taz wollte Rogozenski nicht über das Thema sprechen
Vergangenheitsbewältigung im Internet
Telepolis 23. August 2005 Peter Nowak
Ein Rechtsanwalt will eine 10 Jahre alte Nennung in einer Internetdokumentation entfernen lassen,
in der er als Mitglieder zweier rechter Hochschulgruppen genannt wird
86 Kommentare
Der Hamburger Rechtsanwalt Patrick M. Rogozenski ist zur Zeit in eigener Sache juristisch tätig.
Er hat den elektronischen Server für Linke Nadir wegen angeblicher Persönlichkeitsrechtsverletzung verklagt.
Stein des Anstoßes ist die Internetdokumentation einer Antifabroschüre aus dem Jahre 1995,
die rechte Hochschulgruppen unter die Lupe nahm.
Dort wird auch Rogozenski mit einem Satz erwähnt.
Die unbekannten Verfasser outen ihn als Mitglied
zweier rechter studentischer Zirkel: der Gruppe 146
und des "Gesamtdeutschen Studentenverbandes"
sowie als Abonnent der Wochenzeitung Junge Freiheit.
Die Gruppe 146 war in der Zeit von 1988 bis 1990 an Hamburger Hochschulen aktiv.
Ihr Name erinnert an den Paragraphen 146 des Grundgesetzes, in dem steht,
dass das Grundgesetz an dem Tag seine Wirkung verliert,
an dem sich das "wiedervereinigte Deutsche Volk" in "freier Selbstbestimmung" eine neue Verfassung gibt.
Die Gruppe organisierte Diskussionsveranstaltungen sowohl mit Personen aus dem offen rechtsextremen Lager wie Reinhold Oberlercher,
als auch mit der Rechtslastigkeit scheinbar völlig unverdächtigten Personen.
Mit diesem Konzept macht auch die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit seit Jahren erfolgreich Werbung.
Sie lässt regelmäßig Interviewpartner aus der der demokratischen Mitte zu Wort kommen,
was dann ebenso regelmäßig für Schlagzeilen und Empörung sorgt.
Verbindungen zwischen der Gruppe 146 und dem offenen Rechtsextremismus plauderte der langjährige rechte Multifunktionär Christian Worch in einem Interview aus. Er und seine Gesinnungsfreunde sollten für den Schutz der Oberlercher Veranstaltung vor antifaschistischen Interventionen sorgen. Der aus dem Ostpolitischen Deutschen Studentenverband hervorgegangene Gesamtdeutsche Studentenverband ist heute die offizielle Studentenorganisation des Bund der Vertriebenen.
Die Nadir-Betreiber sehen in der Klage Rogozenskis gegen einen mehr als zehn Jahre alten Eintrag,
dessen Wahrheitsgehalt er nie bestritten hat, vor allem den Versuch eines Juristen,
im Zuge seiner Karriereplanung eine weiße Weste zu bekommen
und nicht mehr an die "rechten Jugendsünden" erinnert zu werden.
"Für Rogozenski geht es nur darum, den hässlichen Eintrag im Internet wegzuklagen.
Er übersieht dabei jedoch den Unterschied zwischen einem archivarischen Artikel und aktueller Berichterstattung", so ein Mitarbeiter von nadir.org.
Denn es ist der Indexierungsdienst Google, der den bei nadir archivierten Artikel an prominenter Stelle reproduziert.
Google ist jedoch insgesamt wesentlich jüngeren Datums als der bei nadir.org archivierte Artikel.
Schon allein deshalb kann nadir.org nicht für Treffer bei Google verantwortlich gemacht werden.
Auch ist der archivarische Charakter des inkriminierten Artikels eindeutig bereits in der URL erkennbar: www.nadir.org/nadir/archiv/".
Mit dieser Argumentation will Nadir Rogozenskis Klage vor dem Hamburger Landgericht entgegen treten.
Der erste Verhandlungstag ist für den 28. August angesetzt. Die Chancen für Nadir stehen nicht schlecht.
Denn schon 2003 ist der Firmenmanager Jost Berstermann mit dem Versuch gescheitert, einen Eintrag über seine rechte Vergangenheit im Nadirarchiv auf juristischen Wege entfernen zu lassen (Ungeliebte Vergangenheit). Damals ging es um Aktivitäten in rechten Schülergruppen, später bei den Jungen Nationaldemokraten und den Republikanern, an die der Firmenmanager Berstermann nicht mehr erinnert werden wollte.
Doch die Zivilkammer des Berliner Landgerichts wies die Klage auf Kosten von Berstermann zurück.
"Die Berichterstattung des Beklagten begründet
auch unabhängig von ihrer Wahrheit oder Unwahrheit
keinen rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre des Klägers",
heißt es in der Urteilsbegründung.
Das Recht, die eigene politische Grundanschauung nicht einer breiten Medienöffentlichkeit offenbaren zu müssen,
finde ihre Grenzen im öffentlichen Informationsinteresse.
Eine für den Kläger durchaus nicht erwünschte Folge war,
dass das Interesse an dem inkriminierten Interneteintrag
im Zuge der juristischen Auseinandersetzung und der Berichterstattung darüber stark gestiegen ist.
Diese Erfahrung dürfte auch Rechtsanwalt Rogozenski machen,
dessen Homepage zur Zeit nicht erreichbar ist.