"Junge Welt" Artikel über Hendrik Möbus & Co

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"Junge Welt" Artikel über Hendrik Möbus & Co“

Braune Internationale
Rassenkrieger für Wotan

»Sprachrohr der Seele des Volkes«:
Von den Neonazis, die in der Ukraine auf Seiten der Regierung kämpfen,
bis zum NSU-Umfeld in Deutschland ist es nicht weit
Claudia Wangerin

FOTO Kriegsromantik ist für Europas Neonazis verlockend, ihr Verhältnis zur NATO gespalten: Asow-Kämpfer mit »Wolfsangel« auf der Brust

6 Okt 2014 - 18:14

Thomas Gerlach, der im Juli als Zeuge im NSU-Prozess wortkarg blieb,
als es um seine Rolle im Umfeld der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« ging, teilt sich ideologisch gern im »Weltnetz« mit.
Als Ende Februar auf dem Maidan in Kiew der »Rechte Sektor« als militanter Arm des »Regime-change« fungierte,
erschien auf dem Blog des Neonazis ein schlecht redigiertes »Interview mit ukrainischen NS-Kräften zur Lage in ihrem Land«.
Die so bezeichneten Gesprächspartner schwärmten von »revolutionären Ereignissen«,
an denen »die NS-Bewegung« teilnehme.
»Politische Oppositionelle und der Rechte Sektor« wollten »den Rücktritt von Janukowitsch und der ganzen Regierung«.
Der Rechte Sektor wolle zudem »keine Liberalen an die Macht lassen.« 
Am Ende der letzten Antwort des wohl schriftlich geführten Interviews hieß es: »Der Sieg wird unser sein! 14-88« Der Zahlencode steht für die Parole
»Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft weißer Kinder schützen« 
– der Ausspruch des US-Neonazis David Lane umfasst auf Englisch 14 Wörter – sowie »Heil Hitler«.
Gerlach veröffentlichte dazu das Fazit: »Was jetzt in der Ukraine passiert,
ist ohne Übertreibung ein historisches Ereignis für alle NS-Bewegungen in der ganzen Welt.« 
Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg würden »weiße Nationalisten« als »Triebkraft« und »Sprachrohr der Seele des Volkes anerkannt«.
Schon drei Wochen später hielt sich Gerlachs Euphorie in engen Grenzen:
»Einen 'dritten Weg', wie er von den ukrainischen NS-Leuten geträumt wird,
gibt es nicht in diesem Ränkespiel der geopolitischen 'Schwergewichte'«, heißt es da mit Blick auf die NATO und Russland.


Thomas Gerlach, gelernter Monteur,
muss sich vor dem Oberlandesgericht München ausfragen lassen,
weil er die Kameradschaftsszene in Zwickau mit aufbaute,
als sich das mutmaßliche NSU-Kerntrio dort versteckte,
weil er mit dessen früher Helferin Mandy S. befreundet war
und das engste Umfeld des Angeklagten André Eminger kannte.


Derweil kämpfen in der Ukraine »weiße Nationalisten« nach dem »Regime-change« für die NATO-Aspiranten in Kiew
– gegen »prorussische Separatisten«, also nach Lesart des deutschen Außenministeriums auf der richtigen Seite.
Dass die Neonazis im Freiwilligenbataillon »Asow« offen ihre Symbole zur Schau tragen,
sorgt hierzulande für Naserümpfen:
 »Asow wirkt wie ausgedacht von der Propaganda des Kreml, aber es ist echt«,
so die Frankfurter Rundschau am 10. August.
Dass SS-Runen und Hakenkreuze auf den Helmen der Soldaten knapp einen Monat später in einem ZDF-Beitrag unkommentiert blieben,
stieß bei der Jüdischen Allgemeinen ebenso auf Unverständnis wie bei der Linkspartei.
Derweil stricken Neonazis aus ganz Europa in sozialen Netzwerken an ihrer Heldensaga.
»Nach letzten Kämpfen bin ich überzeugt, der allmächtige Odin wird Sie auch zum Sieg gegen die rote Gefahr führen«,
twitterte am 28. September ein rechter Neuheide dem Schweden Mikael Skillt,
der als »internationaler Freiwilliger« im Asow-Bataillon kämpft.

Die Götter der alten Germanen stehen bei Kiews brauner Hilfstruppe hoch im Kurs.
Die »Misanthropic Division«, eine Art Vorfrontorganisation des Asow-Bataillons mit Anhängern in Russland, Belarus und der Ukraine,
schmückt sich in ihrem Logo mit der deutschsprachigen Parole »Töten für Wotan«, zwei Maschinengewehren und zwei Totenköpfen.
Unlängst verherrlichte die »Misanthropic Division« im russischen Facebook-Pendant VKontakte nicht nur einen ihrer Gründer,
der in den Reihen des Asow-Bataillons gefallen war,
sondern auch den Massenmörder Timothy McVeigh, der 2001 in den USA hingerichtet worden war.
1995 hatte McVeigh einen Bombenanschlag mit 168 Todesopfern in Oklahoma City verübt,
der von den »Turner Diaries« inspiriert schien.
Der Roman von William L. Pierce propagiert den »Rassenkrieg« 
– und gilt im NSU-Prozess als Beweismittel,
da er auch als Vorlage für die dort angeklagten Morde und Anschläge gedient haben könnte.


Einer, der wie das mutmaßliche NSU-Trio aus Thüringen stammt und sowohl den Autor der »Turner-Tagebücher« in den USA besucht hat,
als auch längere Zeit in Russland war, ist der 38jährige Neonazi Hendrik Möbus.
Im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick betreibt er den Tonträgerversand »Merchant of Death«(»Händler des Todes«).
Die von der »Misanthropic Division« genutzte Parole »Töten für Wotan« ist Teil eines Refrains von Möbus' Black-Metal-Band Absurd.
Im Alter von 17 Jahren hat Möbus tatsächlich einen Menschen umgebracht.
Nach dem Absitzen seiner Jugendstrafe wegen des gemeinschaftlich geplanten Mordes
an dem 15jährigen Sandro Beyer und weiterer Verurteilungen
nutzt er diesen Nimbus als Marketing-Gag.
Seine Bekanntschaft mit dem 2002 verstorbenen Turner-Diaries-Autor
geht auf Möbus' Zeit als »Asylant« in den USA zurück:
Er kam bei Pierce unter,
als er 1999 aus Deutschland floh,
weil die Aussetzung seiner Reststrafe auf Bewährung widerrufen worden war.
Möbus wurde damals ausgeliefert.
Dass er heute international eine große Nummer der braunen Szene ist,
zeigt auch der 2014 veröffentlichte Sampler »Russian Tribute to Absurd – Triumph of Death«,
den Neonazibands aus Russland und Belarus Möbus und Kollegen widmeten.
Er will jedoch »über Russen, Ukrainer, Misanthropen und Marsianer« keine Fragen beantworten, wie er in einer E-Mail deutlich machte.

Das Firmengeflecht der braunen Metalbarden

Antifaschisten decken mit neuer Broschüre das Netzwerk um »Satansmörder« Hendrik Möbus auf
Felix Clay
30 Sep 2014 - 21:51

Musik ist für Neonazis ein bewährtes Mittel, um ihre Ideologie zu verbreiten und eine dazu passende Erlebniswelt zu schaffen.
Durch antifaschistische Aufklärungsarbeit sind Behörden und Öffentlichkeit inzwischen sensibilisiert,
was die musikalisch unterlegten Aufrufe zu Mord und Totschlag angeht - zumindest, wenn sie von Skinheadbands dargeboten werden.
Lange wurde jedoch ignoriert, daß auch im Musikgenre Metal, genauer im Black Metal,
ein Neonaziproblem besteht: Die Sparte nennt sich »National-Socialist Black Metal« (NSBM).

In Europa geht vor allem von NSBM-Protagonisten in Skandinavien und Deutschland eine Gefahr aus.
Sie haben nicht nur zum Anzünden von Kirchen aufgerufen
und heidnisch verbrämte »Blut und Boden«-Propaganda betrieben, sondern auch Menschen ermordet.
Einer der bekanntesten deutschen Neonazis in diesem Bereich ist Hendrik Möbus.
Er tötete 1993 gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Band »Absurd« den 15jährigen Sandro Beyer.
Seitdem ist Möbus als »Satansmörder von Sondershausen« bekannt.
Nach Gefängnisaufenthalten und Flucht in die USA wohnt der Thüringer heute in Berlin.

Auf der Internetseite www.antifa-berlin.info informiert eine elfseitige Broschüre
mit dem Titel »Das Netzwerk der Berliner Black Metal Nazis« über das Firmengeflecht von Hendrik Möbus und Christian Schöndorfer.
Beide nutzen demnach ihre Unternehmen nicht nur zur Promotion ihrer faschistischen Musiksubkultur.
Sie sind fest in der rechten Szene der Hauptstand verankert
und stellen ihre Infrastruktur auch Gruppierungen wie dem »Nationalen Widerstand Berlin« zur Verfügung.
Mit Fotos belegen die Antifa-Rechercheure die vielfältigen Kontakte von Möbus und Schöndorfer.
So ist zum Beispiel der Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke gemeinsam mit Christian Schöndorfer zu sehen.
Darüber hinaus werden zahlreiche Verbindungen der NSBM-Geschäftspartner zu Neonazigruppen im Ausland dokumentiert.

Broschüre online: http://kurzlink.de/broschuere_nsbm

NSU-Umfeld
Heidnische Strategen
»Wo sind die Lieder gegen Allah?«: Der Neonazi Hendrik Möbus,
ein Grundsatzartikel im Szenemagazin Ablaze und der Beginn einer Anschlagsserie auf Moscheen.
Von Christoph Lemmer

30 Sep 2014 - 21:51

Früher, bis etwa 2009, da kämpfte Satan gegen Jesus.
Satans Jünger stellten Kreuze auf den Kopf, priesen wilde Orgien als Götzendienst – und vornehmlich in Skandinavien zündeten sie Kirchen an.
Ihre Musik nannten sie »Black Metal«,
bald ging daraus »National-Socialist Black Metal« (NSBM) hervor.
Das Idol dieser Strömung hieß Varg Vikernes – der Sänger der norwegischen Band »Burzum« hat als verurteilter Mörder mehrere Jahre im Gefängnis verbracht.
Heute überlagert ein zweites Feindbild das christliche Kreuz, nämlich der muslimische Halbmond.
Von Vikernes inspirieren ließ sich auch der in Berlin lebende Thüringer Hendrik Möbus,
selbst ein Star der NSBM-Szene und Betreiber des einschlägigen Versandhandels »Merchant of Death«.
Auch er hat eine Freiheitsstrafe wegen Mordes verbüßt.
»Wir glauben, daß Nationalsozialismus die perfekteste Synthese
ist aus luziferianischem Machtwillen und neoheidnischen Prinzipien und Symbolismus«,
wird Möbus in dem Standardwerk »Lords of Chaos« zitiert.
Dazu passen seine Kontakte zur Unterstützerszene des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU),
dessen Mord- und Anschlagsserie seit eineinhalb Jahren in München vor Gericht verhandelt wird.

2009 hatte Möbus seine Haftstrafen abgesessen und war längst wieder in der Szene aktiv.
Eine Jugendstrafe hatte er verbüßen müssen, weil er als 17jähriger einen 15jährigen umgebracht hatte.
Weitere Verurteilungen waren gefolgt, weil er sein Mordopfer als »linke Schwuchtel« geschmäht
und als Musiker der NSBM-Band »Absurd« auf der Bühne den Hitlergruß gezeigt hatte.

Im Jahr 2009 erhielt eine Druckerei in Gera von einem gewissen Denis S. den Auftrag zur Herstellung eines Szenemagazins mit dem Titel Ablaze.
Es wurde in einer Auflage von 1 000 Stück gedruckt
und sollte für 3,90 Euro pro Exemplar verkauft werden.
Der Chefredakteur firmierte unter dem Pseudonym »Vic Vicious«.
Dahinter steckte nach Behördenerkenntnissen Hendrik Möbus,
wie Thüringens damaliger Innenminister Peter Huber (CDU) auf Anfrage der Linke-Abgeordneten Martina Renner mitteilte.
Möbus hatte auch die Dateien erstellt, die Denis S. der Druckerei lieferte.
Dann aber gab es Streit.
Die Seiten seien zu dunkel geraten, monierte S. und weigerte sich, die Rechnung zu bezahlen. Die Druckerei zeigte ihn bei der Staatsanwaltschaft an.
Die Ermittler stellten fest, das S. ein behördenbekannter Neonazi sei
und im Auftrag von Möbus gehandelt habe.
So wurde der Vorgang aktenkundig.

Neben Interviews mit Black-Metal-Musikern enthält die Ablaze-Ausgabe einen Strategieartikel.
Bisher, heißt es dort, sei der gemeinsame Nenner der »vielfältigen Schattierungen und Strömungen des Black Metal« die »Feindschaft zum Christentum«.
Dann spottet der Autor, wer zur »Attacke auf den Christengott« aufrufe,
renne nur »offene Kirchentüren« ein – und stehe dann ganz allein im Gotteshaus, wo weit und breit kein Feind zu sehen sei.
In den einst christlichen Kontinenten Europa, Amerika und Australien sei die Trennung von Staat und Kirche so fortgeschritten, daß Blasphemie quasi straffrei und die Revolte gegen das Kreuz nur noch »Prügel für ein totes Pferd« sei.
Der Feind heiße daher nicht mehr Jesus, sondern Mohammed.
Die islamische Gemeinde wachse kräftig und bekämpfe die germanischen und heidnischen Traditionen radikaler, als Christen es je getan hätten.
Letztere hätten immerhin »viele heidnische Elemente, wenn auch verstümmelt und verfremdet«, in die heutige Zeit gerettet.
Die »Islamisierung Europas« aber werde »solches Erbe endgültig vernichten«. »Wo sind die Lieder gegen Allah?«

Erstaunlicherweise begann 2009 eine bis heute andauernde Serie von Anschlägen gegen Moscheen oder islamische Gemeindetreffpunkte.
Aktenkundig wurden Brandstiftungen oder Schmierereien, zum Teil mit Schweineblut, schwerpunktmäßig in Berlin,
aber auch in Köln sowie der hessischen und unterfränkischen Provinz.
Verdächtige wurden nur selten gefaßt, und wenn, dann meist skurrile, womöglich geistig verwirrte Gestalten,
wie auch nach dem Brandanschlag auf die Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg im August dieses Jahres.

Reflexhaft wird für die Anschläge die Asyldebatte oder das Buch von Thilo Sarrazin verantwortlich gemacht.
Die Ermittler konnten aber bisher nicht klären, ob hinter dieser Welle ein organisiertes Vorgehen steckt und das neue NSBM-Feindbild damit zu tun hat.

Beklemmend wirkt an dieser Stelle Möbus’ Vergangenheit als Szenegänger der NSU-Unterstützer.
Wie nah er am harten Kern war, zeigen die Ereignisse, nachdem er 1999 vor seiner Festnahme in die USA geflüchtet war.
Dort fand er Unterschlupf bei dem Gründer der Neonaziorganisation »National Alliance«, William Pierce.
Ein Zielfahnder aus Thüringen spürte ihn dort auf.
Möbus kam in Abschiebehaft.
Zu seiner Unterstützung ließ Mentor Pierce den Anführer des »Thüringer Heimatschutzes«, Tino Brandt, in die USA einfliegen.
So steht es in einem Vermerk des Thüringer Verfassungsschutzes.
Brandt gilt als eine der wichtigsten Figuren aus den Gründertagen des NSU.
In dem Vermerk findet sich auch ein Hinweis darauf,
wer den Kontakt zwischen Pierce und Brandt vermittelte – Mirko H., ein führendes Mitglied der »Hammerskins« in Sachsen, einer militanten Neonazigruppierung, deren Kader verdächtigt werden, zum engsten Umfeld des NSU-Kerntrios gehört zu haben.
Absurderweise waren sowohl Mirko H. als auch Tino Brandt zu dieser Zeit Geheimdienst-V-Leute
– H. für das Bundesamt für Verfassungsschutz, Brandt für das Thüringer Landesamt.

Beklemmend ist auch, daß die in Ablaze 2009 angestoßene Feindbilddebatte bis heute weitergeführt wird.
Erst vorletzte Woche – am 11. September – erklärte Möbus' Vorbild Varg Vikernes in seinem Blog,
muslimische Mauren hätten fast 500 Jahre die iberische Halbinsel beherrscht,
weil das Karolinger-Reich lieber die Deutschen zum Christentum konvertiert habe, statt die Mauren aus Spanien zu vertreiben.