20.1.2014 Dietmar Koschmieder über Werner Pirker, Jürgen Elsässer, Wilhelm Hankel

Aus InRuR

"Junge Welt"
25.01.2014 / Aktion / Seite 16
National? Antinational? International!
Werner Pirker blieb bis zum Tode konsequenter Kommunist
Von Dietmar Koschmieder

Damals noch gemeinsam bei Marx: Werner Pirker und Jürgen Elsässer (rechts)
auf dem ersten jW-Mitarbeitenden-Wochenende 1995 in Marxhagen
Foto: jW/Sabine Peters
Unser Freund, Genosse und Kollege Werner Pirker ist unerwartet am 13. Januar 2014 gestorben.
Es gibt viele Möglichkeiten, einen Toten zu würdigen.
In »Die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin« beschreibt Bertolt Brecht,
wie 20 arme Teppichweber das für eine Leninbüste gesammelte Geld für den Kauf von Petroleum ausgaben und am Todestag Lenins nicht die Büste aufstellten, sondern in den Sümpfen mit dem Öl die Mückenbrut bekämpften.
»So nützten sie sich, indem sie Lenin ehrten und ehrten ihn, indem sie sich nützten, und hatten ihn also verstanden«,
kommentierte das Brecht in seinem Gedicht.
Unser Leser Klaus Hoppe aus Apolda hat überlegt, wie er Werner Pirker ganz persönlich ehren kann.
»Statt eines Trauergebindes spende ich ein bezahltes Monats-Normal-Abo für einen,
der gern die jW liest, aber sich kein Abo leisten kann…
Vielleicht gibt es noch mehr Leser, die auf diese Art Werner Pirker ehren wollen, was ich sehr begrüßen würde«, schreibt unser Leser.

Es mangelt nicht an ehrenden Nachrufen für Werner, worüber wir in dieser Zeitung berichtet haben. Auch ehemalige Weggefährten melden sich zu Wort, so trauert der Rechtskonservative Jürgen Elsässer um Werner, allerdings auf seine Art:
»Kommunistisch und national: Ein großer Mann ist von uns gegangen« überschreibt er seinen Nachruf.
Jürgen Elsässer und Werner Pirker arbeiteten gemeinsam in der jW-Redaktion –
bis zum Putschversuch der Jungle-World-Fraktion im Mai 1997.
In der spielte Elsässer eine zentrale Rolle: »Schwulenklatschen am Treptower Park« titelte die erste Ausgabe der Jungle World – großzügig in den Zeitungen Neues Deutschland und taz beigelegt.
Der zweite Hauptangriff war dort ebenfalls nachzulesen: Die junge Welt sei antisemitisch, was man gerne an Werner Pirkers Texten festmachte. Elsässer war eine der zentralen Figuren nicht nur in dieser Auseinandersetzung, sondern auch bei der Entwicklung der damals aufkeimenden antideutschen oder auch antinationalen Bewegung. Heute nennt er sich »bekennender Nationaler« und hat keinerlei Berührungsängste gegenüber dem rechten Sumpf: In seinen Veranstaltungen findet man von Junge Freiheit bis zu NPD-Funktionären alles, was am äußersten rechten Rand zu finden ist.
Seine absurde Querfrontstrategie zielt darauf ab, Rechte und Linke zu einer Einheitsfront mit bestimmten Kräften des deutschen Kapitals zusammenzuführen.
Diese Entwicklung zeichnete sich nicht erst mit dem 11. September 2001 ab, der ihn angeblich »von seinen Verirrungen geheilt«habe. Schon in der Jungle World 49/1997 schrieb er:
»Heute ist es nicht nur illusionär, sondern reaktionär, sich positiv auf die Linke zu beziehen.« Schon damals interviewte er für die Jungle World (5/1998) den nationalkonservativen Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Hankel,
der sonst eher in rechtsradikalen Postillen wie Nationalzeitung oder Junge Freiheit possierte.
Am 15. Januar 2014 verstarb Hankel. Jürgen Elsässer trauert nun gleich zwiefach:
»Noch ein Großer ist von uns gegangen!
Dieses Jahr beginnt ja furchtbar!
Nun ist, nach Werner Pirker, auch der Titan Wilhelm Hankel verstorben.«

Wenige Stunden vor seinem Tod habe ich mich mit Werner Pirker darüber unterhalten:
Ausgerechnet Elsässer, der Werner und mir aus propagandistischen Gründen jahrelang Schwulen- und Judenhaß vorwarf,
bekennt sich heute zu einer dezidiert nationalen Orientierung,
verbrüdert sich mit Antisemiten und Rechtsradikalen und bekämpft Kampagnen gegen den Schwulenhaß an baden-württembergischen Schulen.
Werner meinte nur: »Wieso, das Arschloch war doch schon immer homophob.«

Elsässer aber lügt selbst noch in seinem Nachruf:
Er und Werner hätten wieder zusammengefunden und seien ein Herz und eine Seele gewesen.
Er verschweigt, daß sich spätestens seit seiner offen nationalistischen Orientierung diese Wege wieder getrennt haben.
Mit der gleichen verlogenen Intention, mit der Elsässer Werner früher apologetisch als Nationalbolschewisten beschimpfte, versucht er heute eine demagogische Vereinnahmung, indem er ihn als nationalen Bruder umarmt. Was er damit beabsichtigt, liegt frei nach Brecht auf der Hand:
Er nützt sich selbst, indem er vorgibt, Pirker ehren zu wollen.
Damals wie heute aber unterstellt er ihm bewußt eine Haltung, die dem Kommunisten Pirker nicht gerecht wird.
Denn Werner brachte es schon 1997 auf den Punkt: »National? Antinational? Ist deren Problem. Wir sind international!«