Hermann Kreutzer

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Hermann Kreutzer
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(* 3. Mai 1924 in Saalfeld, Thüringen; † 28. März 2007 in Berlin)
war politischer Häftling im Nationalsozialismus und in der DDR,
deutscher Politiker und Publizist.

01.07.1968
BERLIN / SPD
Schräger Vogel

Beim Vortrag waren die Genossen noch nett zueinander.
Aber dann, während der Diskussion, kam es zur Prügelei.
Als sich der Ring schlagender Sozialdemokraten aufgelöst hatte,
beklagte Student Hans-Joachim Bredow, 32, Student der Jurisprudenz,
den Verlust eines Zahnes.
Sein Kontrahent, der Obermagistratsrat Erich Garbrecht,
rieb sich die geschwollene Backe.
Und Ministerialdirektor Hermann Kreutzer aus dem Gesamtdeutschen Ministerium,
der die Kämpfer trennen wollte, konnte sich nur mühsam vom Boden erheben.
Die Polizei erschien, um ein Protokoll über den Abschluß der Gründungs-Versammlung
des Kurt-Schumacher-Kreises zu schreiben,
zu der sich -- es war Mitte Juni -- die einstigen DDR-Häftlinge der Berliner SPD zusammengefunden hatten.
Die sozialdemokratischen Leidensgefährten aus kommunistischen Zuchthäusern waren aufgerufen,
einen Damm gegen die rote Infiltration in der SPD zu bilden.
Denn ihr Wortführer Hermann Kreutzer, früher einmal Vorsitzender der offiziellen SPD-Häftlingsgruppe,
sieht die eigene Partei in Gefahr, von links aufgeweicht zu werden.
Und er hält "den Menschenkreis der Häftlinge für prädestiniert,
dafür zu sorgen, daß sich in der SPD keine fremden Elemente breitmachen".
Fremde Elemente sind für den Ministerialdirektor Kreutzer --
wie für einige ihm vertraute ehemalige Mithäftlinge aus der DDR --
die Angehörigen des linken SPD-Flügels: Parteimitglieder wie der Berliner Stadtrat Harry Ristock,
so Kreutzer, müßten "aus der Partei fliegen".
Vor allem betrübte es die Kreutzer-Crew,
daß linke Parolen in der SPD mehr und mehr Gehör fanden.
Das aber wollten die ehemaligen DDR-Widerständler nicht widerstandslos hinnehmen.
Sie kamen überein, einen Diskussionsklub außerhalb der Partei zu gründen,
in dem die einstigen Haftfreunde
für die Auseinandersetzung innerhalb der Partei
ideologisch aufgerüstet werden sollten.
Der Name des militanten SPD-Führers Kurt Schumacher schien ihnen symbolhaft als Aushängeschild für den Kreis.
Zwar konnten die Sauberkeits-Apostel für ihre parteitaktische Nachhilfeschule
nicht die Zulassung als Arbeitsgemeinschaft nach dem SPD-Statut erwarten,
aber das Wohlwollen der Parteispitze war ihnen gewiß:
Der private Kurt-Schumacher-Kreis
erhielt das notwendige Adressenmaterial aus den amtlichen SPD-Karteikästen.
Gut ausgestattet, wollten die gläubigen Verteidiger des Vorstandskurses in Frankfurt an den Gründungsstart gehen.
Doch die hessischen Genossen hielten nichts von dem Projekt.
Um so geneigter zeigte sich die Berliner SPD, der Kreutzer-Kompanie zu helfen.
Mit der tätigen Unterstützung des Landessekretärs Eberhard Hesse
erhielt sie im sozialdemokratischen Konferenz-Domizil am Lützowplatz ein volles Haus:
Weit über hundert DDR-verfolgte Genossen kamen zur Gründung des Kurt-Schumacher-Kreises.
Kreutzer -- Sproß einer sozialdemokratischen Traditionsfamilie aus Saalfeld,
die für ihre Parteitreue ins östliche Zuchthaus geriet --
machte denn auch gleich die Grundziele des Klub-Kurses klar:
Diskussionen mit der Außerparlamentarischen Opposition seien "völlig sinnlos",
und mit der Großen Koalition in Bonn sei die SPD "auf dem richtigen Weg.
Damit erntete Kreutzer (Parteispitzname: Panzer-Kreutzer) den Widerspruch zumindest eines Parteifreundes.
Als erster Diskussionsredner opponierte Student Hans-Joachim Bredow,
der in der DDR drei Jahre Zuchthaus wegen Fluchthilfe abbüßte, gegen die Große Koalition:
"Es ist an der Zeit, die seit zwanzig Jahren herrschende Funktionärsschicht in der SPD durch jüngere Leute zu ersetzen."
Im Saal ertönten Rufe wie "Apo" und "Kommunist".
Und Kreutzer fragte den Diskutierer, ob er überhaupt einstiger DDR-Häftling und SPD-Mitglied sei.
Was sich dann abspielte, darüber gehen die Aussagen auseinander.
Nach Kreutzer gab "der Befragte keine Antwort".
Er sei daraufhin aufgefordert worden, die Runde zu verlassen, und habe den Neuköllner Obermagistratsrat Erich Garbrecht,
der ihn zur Tür begleiten wollte, "völlig unmotiviert und brutal ins Gesicht geschlagen".
Dann hätten sich "die Genossen" zur Wehr gesetzt.
Bredow hingegen erinnert sich, daß während seines Diskussionsbeitrages
Kreutzer "wütend vom Podium stürmte" und ihn aus dem Saal drängen wollte.
Er hat erst seine Akten aufheben wollen,
doch dabei habe ihm Garbrecht die Brille vom Kopf gerissen:
"Man trat mich, man schlug mich,
und einer versuchte, mir eine brennende Zigarette ins Gesicht zu drücken."
Zum Abschluß des Gefechts
ging Arbeitersportler Kreutzer der Länge nach zu Boden.
Karate-Könner Bredow hatte ihm -- ohne zuzuschlagen --
"in Selbstverteidigung" die Beine weggezogen.
Der ausgerutschte Bonner Beamte für gesamtdeutsche Fragen
will jedoch mit dem Kurt-Schumacher-Kreis wieder auf die Beine kommen.
Er denkt daran, ähnliche Organisationen in Frankfurt und in Bonn aus der Taufe zu heben.
Den Störer aus Berlin überläßt er den Frontstadtgenossen.
Landessekretär Hesse brach über den "schrägen Vogel" schon den Stab:
"Wer provoziert, muß eben mit so etwas rechnen."

"Der Spiegel" 07.03.1983 BERLIN
Abends radikal

Der Sozialdemokrat Herbert Bath, Berlins höchster Schulbeamter,
schürt in einer Bürgergemeinschaft prominenter Stadtpolitiker die Ausländerfeindlichkeit.

Die Berliner Bürgergemeinschaft e. V.
hatte zu einer Diskussion über Ausländerpolitik ins Rathaus Charlottenburg geladen.
Und der Abend lief ab wie immer, wenn es dort um die Türken in Kreuzberg geht:
Lautstark entlud sich Bürgerzorn.
Die Ausländerbeauftragte des Senats wurde ausgebuht;
einer, der als Ausländer seine Angst vor dieser Runde äußerte, erntete Hohngelächter,
ein NPD-Mann, der vom Leder zog, Bravorufe.
Es zirkulierten Flugblätter mit der Frage:
"Soll Westdeutschland entdeutscht werden?"
Noch Tage danach bekundeten Versammlungsteilnehmer in Leserbriefen an die Lokalpresse
ihren Schrecken vor der "emotions-, ja haßgeladenen Atmosphäre".
Mit im Saal und ganz auf seiten der Mehrheit hatte ein Sozialdemokrat gesessen,
dem das alles "zwar recht munter,
aber doch ganz normal" vorgekommen war,
zumal "man ja wohl noch das Recht haben muß,
deutsche Interessen zu vertreten".
Der Genosse ist bekannt für seine klare Haltung -
Herbert Bath, 56, am Abend reichlich radikal,
tagsüber im öffentlichen Dienst.
Er ist Landesschulrat und damit höchster Schulbeamter Berlins.
Berliner Ressentiments gegen die Fremden in der Stadt
hat Herbert Bath schon des öfteren mit Stichworten geschürt.
Für den einflußreichen Pädagogen ist Integration eine "Seifenblase",
der Ausländer zwar Mitmensch, aber "nicht Mitbürger".
Der "säuerlichen Nörgelei über Ausländerfeindlichkeit"
hält Bath die bewegte Klage über "schleichende Landnahme durch eine fremde Bevölkerung" entgegen.
Nach den Vorfällen bei der Bürgergemeinschaft
findet die eigene Partei den Genossen im Schulamt nicht mehr tragbar.
Der Bezirk Wedding forderte den Parteiausschluß.
Dies ist nur der neueste Eklat um den Landesschulrat,
der seit Jahren im Rundumkonflikt mit allen Berliner Instanzen und Gruppen lebt,
die nicht sein Weltbild teilen.
Im Dienst gilt Bath
als "selbstherrlicher" Reformgegner und Anhänger der "Disziplinierung von oben",
wie die Lehrergewerkschaft GEW feststellt.
Die vorgesetzten Politiker nervte er vor drei Jahren mit reaktionären Thesen zur Erziehung.
Danach gilt dem Schulaufseher
die Erziehung zu Kritikfähigkeit, Selbstbewußtsein und Konfliktbereitschaft wenig.
Wichtiger sind ihm Rechtschreibung, Grundrechenarten und Traditionspflege,
die "Liebe zur Heimat und zum Vaterland"
und auch die "Vermittlung grundlegender Charakterwerte
wie Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit und Fleiß".
Mit scharfen Zensuren ist der Schulrat leicht bei der Hand,
wenn er irgendwo linke Machenschaften vermutet.
Auch Bischof Scharf und Pastor Albertz mußten sich von ihm
an "bestimmte Grenzen der Zurückhaltung und der Mäßigung" mahnen lassen,
nachdem sich beide gegen das Berufsverbot eines kommunistischen Lehrers engagiert hatten.
Wurden ihm Fälle linker Abweichung von Sozialdemokraten bekannt,
schrieb Bath unaufgefordert Beurteilungen an die Parteigremien.
Einmal ertappte er den SPD-Lehrer L. bei einem SEW-Aufmarsch und meldete hinterher:
"Ich stand mit meinem Sohn zwischen 13 und 13.30 Uhr an der Ecke Schönleinstraße/ Urbanstraße.
Eine Verwechslung ist völlig ausgeschlossen,
weil mein Sohn, dessen Lehrer L. ist,
diesen zuerst sah und mich darauf aufmerksam machte."
Ähnlich erging es einer Genossin,
die er ebenfalls Seit' an Seit'
mit demonstrierenden Kommunisten entdeckte.
Bath machte Meldung: "Ihr Wagen befand sich in der Nähe verschiedener randständiger Gruppen,
wie Homosexuellen und Obdachlosenasyl-Bewohnern."
Kraft und Rückhalt für seine reaktionären Denkweisen
findet der Landesschulrat jetzt bei der Bürgergemeinschaft,
die in Charlottenburg Stimmung machte
und die den Feinden der Freiheit und Anhängern totaler Ideologien
mit Werten wie "Pflicht im Sinne geistigen Preußentums" begegnen will.
Im Briefkopf führt die Bürgergemeinschaft die Freiheitsglocke,
im Gründungsprotokoll stehen provokante Thesen.
Die Neupreußen sind gegen "Überbetonung S.60 der pluralistischen Grundstrukturen" und für mehr "Nationalbewußtsein";
die Interessen von Minderheiten sollen, soweit "berechtigt", geschützt,
im übrigen aber "der Mehrheitswille der Bürger deutlich berücksichtigt" werden.
In der konservativen Kampfgemeinschaft sitzt seit anderthalb Jahren
die Hautevolee antikommunistischer Gesinnung zusammen.
Es ist eine prominente Gruppe mit viel Rückhalt in einer Stadt,
in der Zehntausende älterer Bürger dem dahingeschwundenen Blockadegeist nachtrauern
und mit steigender Erbitterung allenthalben nur noch Ausgeflippte, Hausbesetzer und Scheinasylanten sehen.
Zu den Durchhalte-Berlinern in der Bürgergemeinschaft
gehören Gewerkschafter, Funktionäre aus senatseigenen Betrieben,
Hochschullehrer der "Notgemeinschaft für eine freie Universität"
und rechte Sektierer aus verschiedenen Parteien.
Den Vorsitz führt der frühere Ministerialdirektor Hermann Kreutzer,
der vor zwei Jahren aus der SPD ausgeschlossen wurde,
weil er zur Wahl der CDU aufgerufen hatte.
Ex-Senator Klaus Bodin (SPD)
und der amtierende Abgeordnetenhaus-Präsident Peter Rebsch (CDU) gehören zum Präsidium.
Die Verbindung zur Senatspolitik Richard von Weizsäckers
verkörpert der Innensenator und Ausländerpolitiker Heinrich Lummer,
der wie Landesschulrat Bath stellvertretender Vorsitzender der Gemeinschaft ist.
Demnächst wächst der Bürgerwehr noch ein Senator zu:
FDP-Politiker Hermann Oxfort,
der in der künftigen Berliner CDU/FDP-Koalition das Justizressort übernehmen soll,
ist von Anfang an im Verein, als Mitgründer und Vize.
Die Verquickung mit der Loge so namhafter Gesinnungsgefährten
mag dazu beigetragen haben,
daß Bath trotz aller Eskapaden in seinem Schulamt verblieben ist,
obwohl er die Ausländerfeindlichkeit in Berlin schüren hilft
und auch die offiziell auf Integration gerichtete Senatspolitik unterläuft.
Die Berliner Sozialdemokraten, deren Reihen
mit strammen Rechten vom Schlage Baths noch stark durchsetzt sind,
haben den Abweichler bislang gewähren lassen.
Sie hoffen, der Schulrat werde "Manns genug sein,
früher oder später von sich aus die Konsequenzen zu ziehen" (SPD-Sprecher Wilhelm Wiegreffe).
Besser angeschrieben ist der Schulrat bei der regierenden CDU.
Schulsenatorin Hanna-Renate Laurien
hält Baths außerdienstliche Umtriebe für Privatsache.
Sie glaubt, den erklärten Integrationsgegner sogar so verstanden zu haben,
daß er die Senatsziele der Ausländerpolitik mitträgt -
nur "in den Wegen, dies zu erreichen,
trenne ich mich manchmal von ihm".
An amtliche Trennung ist nicht gedacht - natürlich nicht.

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