16. Mai 2006 Fight Back erschienen
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16. Mai 2006 Fight Back erschienen
Im folgenden einige ausgewählte Artikel
aus der kürzlich erschienenen Broschüre „Fight Back 3“,
die auch als PDF-Datei verfügbar ist: Download.
Überfall mit System… und lebensgefährdendem Ausgang
Seit Dezember 2005 müssen sich nun etliche Anhänger der extremen Rechten
vor dem Landgericht in Potsdam wegen versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen verantworten.
Die angeklagten Neonazis waren bei einem Angriff auf zwei Linke in Potsdam im Juli 2005 beteiligt.
Dieser Vorfall stellt in der Chronologie der von Neonazis verübten Übergriffe in Potsdam
bis dato einen Höhepunkt der Gewalt gegen Personen aus dem alternativen Spektrum dar.
Der Tathergang dieses Vorfalls zeigt deutlich, dass es sich bei solchen Übergriffen
nicht um plötzliche Akte von rechten Aggressionen,
sondern um systematische und routiniert durchgeführte Übergriffe handelt.
Im Juli 2005 zog eine Gruppe von 15-20 Neonazis die Notbremse der Straßenbahn,
nachdem sie die beiden Männer des alternativen Spektrums auf der Straße erspäht hatte.
Die schwarz vermummten Potsdamer und Berliner Neonazis sprangen daraufhin aus der Bahn
und umstellten die Männer mit den Worten,
dass es sich bei dem einen Opfer um das „fette Zeckenschwein“ handele.
Kurz darauf wurde einem der Männer eine Flasche auf dem Kopf zerschlagen,
worauf dieser bewusstlos zu Boden ging.
Sein herbeieilender Begleiter versuchte den am Boden liegenden
vor den folgenden Tritten der angreifenden Neonazis zu schützen.
Darauf wurde auch dieser mit Flaschen niedergeschlagen.
Die danach am Boden liegenden
wurden weiterhin mit Tritten attackiert.
Noch zuletzt schlug einer der Angreifer
einem der am Boden liegenden Männer
derart mit einer Flasche ins Gesicht,
dass dieser dadurch massive klaffende Schnittwunden im Gesicht erlitt.
Erst dann ließen die Neonazis von den beiden ab.
Schon zuvor stellten Übergriffe von Neonazis
gegen Personen aus dem alternativen Spektrum in Potsdam keine Seltenheit dar.
Und die Täter stammen immer wieder aus demselben Personenkreis.
Aus dieser Neonazitruppe, die bereits wegen früherer Delikte bei Gericht keine Unbekannten waren,
stammen auch in diesem Fall ein Großteil der Beteiligten.
Nahezu alle dieser Neonazis
standen schon wiederholt wegen früherer Köperverletzungsdelikte vor Gericht.
Bei dem wegen der Altersspanne in zwei Verfahren getrennten Fall
müssen sich bei den Heranwachsenden
nun die Potsdamer Sandra Chersovsky,Tom Singer, Thomas Pecht und Oliver Kalies verantworten
sowie die Berliner Thomas Markgraf (Monti) und Sebastian Schmidt.
Noch im Jahr 2004 wurde von Tom Singer seine rege Aktivität bei der Potsdamer Anti-Antifa bekannt.
Zusammen mit Oliver Kalies
war er an der Erstellung einer Anti-Antifa Seite Sektion Potsdam beteiligt.
Auf dieser Internetseite war zu lesen,
dass es sich dabei um einen losen Zusammenhang von Neonazis handele,
der es sich zur Aufgabe gemacht hat,
gegen die Antifa zu arbeiten.
Auf der Seite, die mittlerweile unter anderer Domain aber mit gleicher Struktur existiert,
werden die Namen und Bilder politischer GegnerInnen veröffentlicht.
Zu diesem Zusammenhang der Anti-Antifa Potsdam ist auch Thomas Pecht zu rechnen.
Rege Aktivität in der rechten Szene entfaltet auch Thomas Markgraf,
der Mitglied der BASO war.
Auch auf der Seite der voll rechtsfähigen Angeklagten
liest sich die Liste der Tatbeteiligten wie ein Bilderbuch rechter Gewalttäter.
Bei diesen handelt es sich um die Potsdamer Michael Genth, Daniel Kolibius und Marcus Schiller
sowie die Berliner Oliver Oeltze und Marcell Schmeck.
Bei Michael Gent handelt es sich
wie auch bei Daniel Kolibius
um Mitglieder der Anti-Antifa Potsdam.
Genth war erst Mitte 2005
wegen Beteiligung eines Angriffes
auf ein alternatives Hausprojekt Silvester 2002
vom Amtsgericht Potsdam verurteilt worden.
Marcus Schiller war als Unterstützer laufend bei diesen Prozessen anwesend.
Bei Schiller handelt es sich um eine bekannte Größe
des Fußballhooliganspektrums,
der vor Antritt seiner Untersuchungshaft
gerade erst wieder aus der Haft
einer mehrjährigen Haftstrafe, die er verbüßen musste, entlassen wurde.
Durch rege Anti-Antifaarbeit ist auch der Berliner Oliver Oeltze
schon früh in Erscheinung getreten.
Oeltze ist Mitglied der Autonomen Nationalisten Berlin und pflegt enge Kontakte zu den Anti-Antifastrukturen in Potsdam.
Im Heft sind weitere Beispiele aufgeführt, in denen Oeltze sich tatkräftig an Angriffen auf Antifaschisten und Alternative beteiligte.
Ein Urteil ist zur Zeit der Erstellung der Fight back noch nicht abzusehen,
da die letzten Prozesstermine erst für den März 2006 angesetzt sind.
Es ist aber bereits jetzt ersichtlich,
dass der harte Kern der Neonazischläger
in weiterer Zukunft um einige MitstreiterInnen schwächer wird.
NPD und Militante
Nach den Verboten der Berliner Alternative Süd Ost (BASO) und der Kameradschaft Tor (KS-Tor) mitsamt ihrer Mädelgruppe im März dieses Jahres erhofften sich die Sicherheitsbehörden eine Destabilisierung der Kameradschafts-Szene und spekulierten auf weitere Zersplitterung.
Ein Jahr nach diesen Verboten der zentralen Berliner Neonazi-Kameradschaften lässt sich das absolute Scheitern dieser Ziele konstatieren.
Beide Strukturen bestehen in denselben Personenzusammenhängen weiter und im Fall der KS-Tor wird intern sogar noch der gleiche Name verwendet. Auch ihr öffentliches Auftreten hat sich in keiner Weise geändert – sieht man vom Verzicht auf die Namen einmal ab.
Klandestine Aktionen wie das Sprühen von Nazi-Parolen sowie das Durchführen von Demonstrationen haben seit den Verboten eher zugenommen.
Die Zahl der begangenen Straftaten dieses Personenkreises ist ebenfalls eher angestiegen.
Sieht man von einer kurzen Phase der Irritation unmittelbar nach den Verboten ab, hat sich für diese Kameradschaften nicht viel geändert.Geändert hat sich in Berlin jedoch, dass in dieser Irritationsphase eine andere Organisation Fuß fassen konnte und direkt Führungsanspruch anmeldete: der Berliner Ableger des Märkischen Heimatschutzes (MHS) aus Brandenburg.
In der Berliner Sektion, die aus 14 Mitgliedern besteht, sind teilweise auch Kader der verbotenen Kameradschaften untergekommen. Diese straff organisierte Gruppe ist direkt der Brandenburger Hauptsektion des MHS unterstellt und führt auch Teile der Mitgliedsbeiträge an diese ab. Im Gegensatz zu ihrem Brandenburger Pendant sind die Aktivitäten der Berliner Sektion fast ausschließlich nach innen gerichtet.
So sind bisher weder Aufkleber und Flugblätter des Berliner MHS in der Öffentlichkeit aufgetaucht, noch wurde – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – an Aufmärschen mit eigenen Transparenten teilgenommen.
In der Öffentlichkeit tritt der MHS selten nach Sektionen getrennt auf, sondern versucht vielmehr das Bild einer einheitlichen Gesamtorganisation in die Öffentlichkeit zu tragen.
In Berlin hat sich der MHS vor allem um eine Vernetzung der Szene bemüht, dabei jedoch deutlich gemacht, dass ihm dabei eine Führungsrolle zukommen müsse.
Dieses Ansinnen stieß vor allem bei der KS-Tor auf Widerstand, und Konflikte waren vorprogrammiert.
So ist seitdem nur noch selten ein gemeinsames Auftreten der Berliner Neonazi-Szene auf Aufmärschen zu verzeichnen. Während die KS-Tor zum Beispiel am 1. Mai nach Leipzig zu einem Aufmarsch „Freier Kameradschaften“ mobilisierte, nahmen die Kader des MHS an einer NPD-Demonstration durch Neubrandenburg teil.
Mit dabei auch die Berliner MHS-Aktivisten Andreas Thürmann und Gabriel Landgraf.
Bei der Wunsiedel-Ausweichdemonstration am 20. August in Berlin waren anfangs auch nur Kader der alteingesessenen Berliner Kameradschaften anwesend, während der MHS nach Magdeburg mobilisierte.
Erst als die Magdeburger Demonstration endgültig verboten wurde, drehte der Bus des MHS kurzerhand um und stieß mit einiger Verspätung zum Berliner Aufmarsch hinzu, der sich allerdings schon in Bewegung gesetzt hatte.
Auch im Vorfeld des in Wunsiedel geplanten Hess-Gedenkens gab es Streit in Berlin, da sowohl der MHS als auch die KS-Tor Busse nach Wunsiedel organisiert hatten, und der MHS die Karten für seinen Bus um 6 Euro billiger anbot als die KS-Tor.
Nichtsdestotrotz hat sich unter Beteiligung des MHS in Berlin nach Informationen aus der Neonazi-Szene ein monatliches Koordinationstreffen aller relevanten Gruppierungen etabliert.
Dabei ist es wohl der Nähe des MHS zur NPD geschuldet, dass diese Treffen auch in der Köpenicker Bundeszentrale der NPD stattfanden.
Auch sind bei diesen Treffen Vertreter der Berliner NPD anwesend.
Darunter Eckart Bräuniger, der schon des öfteren durch seine Nähe zur militanten Kameradschafts-Szene auffiel.
Präsent sind auch Protagonisten der nunmehr verbotenen Kameradschaften KS-Tor, ANSDAPO (Brandenburg), BASO sowie die Neonazigruppierungen Vandalen und Lichtenberg 35. Eine der zentralen Figuren beim Zustandekommen dieser Treffen ist der in der Berliner Szene unbeliebte BASO-Anführer René Bethage, der sich bisher bürgernah und wenig radikal gab.
Bei diesen Zusammenkünften geht es hauptsächlich um Informationsaustausch über bereits gelaufene oder geplante Aktionen.
Auch der Wahlkampf der NPD war immer wieder Thema.
Diesen Treffen ist es wohl auch geschuldet, dass ein Großteil der Aktivisten der verbotenen Kameradschaften die in den letzten Jahren nicht mehr aktive Berliner NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) wiederbelebte und im Gegenzug der MHS-Chef Gordon Reinholz als Direktkandidat für die Berliner NPD antrat.
An zahlreichen Infoständen prägten jugendliche Neonazis in schwarzem Outfit und mit verspiegelten Sonnenbrillen das öffentliche Auftreten der Partei.
An manchen Samstagen wurden mit Hilfe dieser Bündnispartner gleich mehrere Infostände durchgeführt, anschließend demonstrierte man noch spontan durch Berlin. So scheint sich in diesem Feld der Stil der KS-Tor – ein politisch völlig beliebiger Aktionismus – vorerst durchgesetzt zu haben, nahmen doch auch mehrere Aktivisten des MHS an derartigen Aktionen teil.Doch die Verbundenheit des MHS mit der NPD wird noch an weiteren Stellen deutlich.
So trifft sich die Berliner MHS-Sektion in einem Büro der NPD in Berlin-Lichtenberg. In klandestin angemieteten Räumlichkeiten in der Siegfriedstraße werden immer dienstags die Ziele und Aktionen der Berliner Sektion besprochen und ausgewertet.
Auch über die Aufnahme oder Ablehnung von Anwärtern für die Berliner Sektion wird nach Angaben eines Informanten dort verhandelt.
In diesem Büro fanden bereits Kameradschaftsabende der NPD statt, auf denen dem MHS die Inhalte und Programmatik der Partei nähergebracht werden sollten und über diese diskutiert wurde.
Ergebnis war eine spätere gemeinsame Schulung von NPD und MHS. Anhänger des MHS fuhren am 16. Mai nach Sachsenhausen und ließen sich hier von NPD-Kader Frank Schwerdt im Demonstrationsrecht schulen.
Auch zur DVU in Brandenburg scheinen Verbindungen zu existieren.
So nahmen MHS-Aktivisten an einem Sommerfest der DVU in Seefeld teil, an dem sich auch die (verbotene) ANSDAPO beteiligte.
Auf dieser vom Barnimer DVU-Kreisvorsitzenden Klaus Mann organisierten Feier gab es allerdings Differenzen zwischen Anhängern des MHS und DVU-nahen Neonazi-Skinheads.
Die Auseinandersetzung endete schließlich in einer brutalen Massenschlägerei.
Für den MHS Anlass genug, sich in der Szene für ein nochmaliges Überdenken der „Volksfrontidee“ auszusprechen.
Mit Blick auf die Wahlkampfunterstützung der NPD scheint dieser Gedanke jedoch schnell verworfen worden zu sein.
Fazit
Während die NPD in vielen anderen Bundesländern darum bemüht ist,
sich von radikalen und straffällig gewordenen Anhängern zu distanzieren,
übt sie in Berlin den Schulterschluss mit dem militanten Kern der Szene.
Die Verlockungen, in der Hauptstadt ein Bein auf den Boden zu bekommen, scheinen einfach zu groß.
In ihrem Wahlkampf vereinigt sie Serienstraftäter und überzeugte Nationalsozialisten unter ihrem legalen Dach und stellt dafür auch Infrastruktur der Bundes-NPD zur Verfügung.
Dies alles findet unter den Augen der Berliner Behörden statt,
deren Handlungsmaxime gegenüber Neonazis schon immer „beobachten“ statt „tätig werden“ war.
So sind die Verbote von BASO und KS-Tor wirkungslos verpufft
und können nur als Augenwischerei bezeichnet werden.
Während die verbotenen Kameradschaften fortbestehen können,
haben sie unter aktiver Mithilfe der NPD in der Berliner JN auch längst eine legale zweite Heimat gefunden.
Nazi Browntown Reloaded
Ein Abriss zur Geschichte und Gegenwart rechter Aktivitäten in Königs Wusterhausen und Umland
Königs Wusterhausen, eine beschauliche Kleinstadt am südlichen Rand von Berlin.
Die rund 33.000 EinwohnerInnen genießen das Ambiente im Grünen.
Doch der harmonische Schein trügt: Königs Wusterhausen ist eine Stadt wie jede andere.
Eine Stadt mit einem Neonazi-Problem.
Vom Anfang der neunziger Jahre an bis heute gibt es im Ort kontinuierlich extrem rechte Aktivitäten.
Bis 1999 gehen „insgesamt fünf Morde und unzählige Überfälle (…) auf das Konto, der mehrere hundert Personen umfassenden rechtsextremen Szene“
Die Neunziger
Schon kurz nach dem Mauerfall war Königs Wusterhausen als Hochburg für Neonazis und faschistische Organisationen bekannt. In der Region wurden der Landesverband Berlin-Brandenburg der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) sowie eine Sektion des rassistischen KuKluxKlan (3) gegründet.
Neben Kameradschaftsaktivitäten hatten Kader verschiedener Neonazi-Organisationen,
wie beispielsweise das „Internationale Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V.“ (IHV) ihren Aktionsschwerpunkt oder Wohnsitz vor Ort.
Es wurden Wehrsport- und Sprengübungen, rechte Fußballturniere und Konzerte durchgeführt.
Königs Wusterhausen hatte schon früh an bundesweit den Ruhm einer „browntown“.
Ein rassistisches Weltbild war jedoch nicht nur unter den Neonazis verbreitet.
Es war – und ist noch immer – fester Bestandteil in den Köpfen vieler Menschen in Königs Wusterhausen und Umland.
Ein sehr abstoßendes und bezeichnendes Beispiel hierfür ist das Dorf Dolgenbrodt.
1992 sollte ein ehemaliges Ferienlager im Ort zu einer Aufnahmestelle für Flüchtlinge umgewandelt werden.
Die DorfbewohnerInnen sträubten sich.
Einen Abend vor der Eröffnung brannte der damalige Neonazi Silvio Jankowsky (Mitglied in der Nationalistischen Front) das Gebäude ab.
Die DorfbewohnerInnen und allen voran der damalige Bürgermeister stehen noch heute unter dem Verdacht, den Neonazi für seine Tat bezahlt zu haben.
Ein Jahr nach dem Brandanschlag in Dolgenbrodt, der dem Ort den Titel „Erstes rassistisches Dorf“ einbrachte, kam die Region erneut in die Schlagzeilen.
Eine Gruppe junger Neonazis griff den Nigerianer Steve E. an, misshandelte ihn schwer und versuchte ihn im Anschluss im Scharmützelsee zu ertränken.
Dies konnte durch beherztes Eingreifen eines Passanten verhindert werden.
Der an dem Übergriff beteiligte Carsten Szczepanski, Hauptakteur der damaligen Szene,
wurde 1995 wegen Beihilfe zu versuchtem Mord zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Während seiner Haftstrafe begann er mit dem Verfassungsschutz (VS) zusammenzuarbeiten.
Trotz der Schwere der Tat befand sich Szczepanski bereits Anfang 1997 wieder auf freiem Fuß.
Fortan agierte er als V-Mann „Piato“ in Neonazi-Kreisen.
Er pflegte weiterhin enge Kontakte zur bundesweiten Neonazi-Szene und gab das Fanzine „United Skins“ heraus.
Auch in der NPD war er aktiv als Vorstandsmitglied des Landesverbands Berlin-Brandenburg für den Bereich Organisationsleitung.
Bei der Leitung dieses Referats stand ihm Reinhard Golibersuch zur Seite.
Golibersuch, Beisitzer im Landesverband Berlin-Brandenburg, baute 1983, unterstützt von Michael Kühnen,
eine Gruppe der 1983 durch den Bundesminister des Innern verbotenen neonazistischen „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationaler Aktivisten“ (ANS/NA) auf;
er war auch Mitglied der am 24. Februar 1995 durch den Bundesinnenminister verbotenen FAP.
Szczepanski eröffnete zudem einen Laden, mit dem er das Neonazispektrum von Königs Wusterhausen mit Musik versorgte,
auch war er in die Planung eines Rohrbombenanschlags involviert.
Der Plan flog auf, doch Szczepanski kam ohne Verfahren davon.
Weniger „Glück“ hatte er im Dezember 2002, als er sich abermals vor Gericht verantworten musste.
Er hatte dem Sänger der Potsdamer Band „Bloodshed“ (ehemals „Proissenheads“), Uwe Menzel, ein Gewehr verschafft.
Beide wurden zu Geldstrafen verurteilt.
Goodbye Szcepansky, welcome NPD!
Schon im Jahre 1997 gründete sich der NPD-Kreisverband Spreewald, der sich bis Ende 1999 bis nach KW ausbreitete. Sonnenwend- und Reichgründungsfeiern am Anfang des neuen Jahrtausends gehörten ebenso zu dessen Repertoire wie Schlesienfahrten und Liederabende. Neben der Partei gab es auch die Kameradschaft „United Skins“. Diese war eine militante Gruppe von Neonazis, welche bundesweit an Neonaziaufmärschen und Konzerten teilnahm. Sie konnte des Weiteren für Angriffe auf alternative Jugendliche, MigrantInnen und Obdachlose verantwortlich gemacht werden. Ihre öffentliche Aktivität ebbte mit der Zeit ab und reduzierte sich auf Schutzaufgaben bei NPD-Veranstaltungen und das einmalige Verteilen von NPD-Propaganda. Höhepunkt der Arbeit der NPD war die Durchführung eines Aufmarschs im Juni 2000 unter dem Motto „Gegen das Vergessen, gegen roten Terror“. Die NPD und ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) schafften es 200 Neonazis und deren faschistische Propaganda auf die Straße zu bringen.Auch Szczepanski war unter den Teilnehmern des Aufmarsches.Kurze Zeit später flogen seine V-Mann-Aktivitäten auf. Damit kam der Kameradschaftsszene der Drahtzieher und eine wichtige Finanzquelle – Informanten bekamen vom Verfassungsschutz für ihre Dienste immerhin zwischen 250 und 500 ? monatlich (5) – abhanden. Ein Großteil der lokalen Strukturen brach daraufhin zusammen.Dass einige Neonazis weiterhin aktiv blieben, zeigten Übergriffe, u.a. auf SchülerInnen der Blindenschule, an denen neben anderen Neonazis auch Sebastian Lemcke beteiligt war, und Vorgänge im von Neonazis dominierten Jugendclub „Oase“.Im Jahr 2001 kam es zu einem Brandanschlag auf das antirassistische Festival „Le monde est à nous“. In der Nacht vor dem Festival warfen die Neonazis Ingo Nitschke und Sebastian Dahl mehrere Molotowcocktails auf die Bühne. Die dort schlafenden Jugendlichen entgingen nur knapp einer Katastrophe. Mit an dem Angriff beteiligt war Jeannine Paris, die das Fluchtfahrzeug fuhr.Nur zwei Wochen später gab es erneut einen Brandanschlag. Diesmal verfehlte ein Molotowcocktail nur knapp einen Wohnwagen in einer Sinti und Roma-Siedlung in Wildau, dem Nachbarort von KW. Auch hier waren Jeannine Paris und Ingo Nitschke beteiligt. Wieder war die rechte Szene in Königs Wusterhausen einer großen Repression ausgesetzt. In den darauf folgenden Jahren zogen sich die aktiven Neonazis mehr und mehr aus dem Stadtbild zurück, Königs Wusterhausen bekam den Anschein einer ruhigen Vorstadt. Jugendliche trauten sich egal mit welcher Haarfarbe wieder auf die Straße und auch in den Medien ebbte die Präsenz der Neonazis ab.Doch auch in dieser Zeit kam es zu Neonaziaktivitäten und Übergriffen. Zwar agierten die ansässigen Neonazis eher verdeckt und zogen sich mehr in ihre internen Kreise zurück, doch sie blieben aktiv. So wurde im April 2002 ein Brandsatz auf eine von ausländischen ArbeiterInnen bewohnte Unterkunft in Wildau geworfen. Auch bei den hiesigen Volksfesten, wie dem Rosenfest in Eichwalde, dem Schleusenfest in KW oder dem Fischerfest in Zeuthen, kam es immer wieder zu Übergriffen. Beim Fischerfest 2002 waren ca. 30 Neonazis anwesend, die BesucherInnen anpöbelten und schikanierten. Beim Rosenfest in Eichwalde wurden alternative Jugendliche von rechten Jugendlichen beschimpft und geschlagen. Dies entwickelte sich im Verlauf des Festes zu einer Massenschlägerei mit mehreren Verletzten und Festnahmen.
Die nächste Generation
In den letzten beiden Jahren ist eine deutlicher Anstieg von rechter Propaganda, Pöbeleien und Angriffen in KW und Umland zu beobachten. Rechte Jugendliche sind wieder verstärkt in der Stadt wahrzunehmen und treffen sich dort regelmäßig an öffentlichen Plätzen. Dass durch solch eine Ansammlung Gefahr für all jene besteht, die nicht in die neonazistische Norm passen, zeigt die Anzahl an Übergriffen in diesen Bereichen der Stadt. So zum Beispiel im Mai 2005, als ein linker Jugendlicher in der Nähe vom Stadtbrunnen (Zentrum) von Neonazis angegriffen und mit einer abgebrochenen Glasflasche schwer im Gesicht verletzt wurde. Viele Jugendliche, Behinderte und MigrantInnen fürchten sich wieder nachts auf den Straßen der Region unterwegs zu sein. Inzwischen hat die Stadt auf ihre Art reagiert: Seit Juli 2005 wird zumindest der Bahnhofsvorplatz von Polizei und Ordnungsamt besonders überwacht. Die Probleme mit rechtextremen Jugendlichen werden dadurch nicht behoben, sondern es wird lediglich versucht Ausschreitungen zu verhindern. Solange sich die Rechten jedoch „friedlich“ verhalten, wird ihnen nichts entgegengesetzt.So können die Neonazis in aller Ruhe ihre Propaganda auf die Straße bringen. Insbesondere zu aktuellen Anlässen der rechten Szene verkleben die Neonazis gemeinschaftlich antisemitische, rassistische und NS-verherrlichende Aufkleber und Plakate in der Stadt. An den Orten, an denen sie sich ungestört treffen können, wie beispielsweise in den verlassenen Häusern am Funkerberg, oder dort, wo das rechte Potential sehr hoch ist, wie in der Neubausiedlung in KW, lassen sich in letzter Zeit auch vermehrt extrem rechte Sprühereien feststellen.Bisweilen gibt es in Königs Wusterhausen keine Neonazi-Vereinigung, die in der Öffentlichkeit als solche auftritt. In den letzten zwei Jahren lässt sich jedoch eine sich stets intensivierende Organisierungstendenz feststellen. Zum Einen geistert seit Anfang 2005 das Kürzel „AG_KWh“ durch einschlägig bekannte Foren und Websites, zum Anderen hat sich ein fester Personenkreis gebildet, der an Neonaziaufmärschen und rechten Veranstaltungen teilnimmt und eigene Aktion in und um Königs Wusterhausen durchführt.Im September 2005 sammelten sich beispielsweise Neonazis aus Königs Wusterhausen und dem Berliner Kameradschaftsspektrum, um den Wahlkampfauftritt des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck zu stören. Im Anschluss daran führten sie einen spontanen Aufmarsch in der KWer Innenstadt durch. Dabei riefen sie unter anderem „Frei, sozial, national!“ und „Königs Wusterhausen wir sind da, eure Anti-Antifa!“. In ähnlicher Konstellation hatten die Neonazis bereits im Mai eine Kundgebung am Stadtbrunnen abgehalten. Ebenfalls im Mai wurden an S-Bahnhöfen der Region Flugblätter mit rechtem Inhalt verteilt.Bei den meisten Aktionen zeigten sich enge Verbindungen zur Berliner Kameradschaftsszene, im Besonderen zu ehemaligen Mitgliedern der Anfang 2005 verbotenen „Kameradschaften Tor“ (KS-Tor) und zur „Berliner Alternative Süd-Ost“ (BASO). Diese waren schon zuvor zu beobachten. So nahmen Neonazis aus KW, allen voran Manuel Arnold und Marcel Siepler, an Veranstaltungen von Berliner Kameradschaften teil, mobilisierten zu deren Aufmärschen und trugen deren Transparente. Die Neonazis aus KW sind auch in das interne Mobilisierungsumfeld der Kameradschaftsszene in Berlin eingebunden, da sie regelmäßig an spontan durchgeführten Aufmärschen teilnehmen und für szeneinterne Aktionen, wie Prozessbesuche, mobilisiert werden. Zum Beispiel folgten sie einem Solidaritätsaufruf zur Unterstützung der angeklagten Neonazis Sebastian Dahl und Jeannine Paris in dem Prozess in Potsdam anlässlich des Brandanschlages auf das „Le monde“. Dahl und Paris wurden zu fünf bzw. vier Jahren Haft verurteilt. Zusammen mit etwa 30 anderen zeigten die KWer Neonazis vor dem Gerichtsgebäude Präsenz, solidarisierten sich mit den Angeklagten und versuchten anwesende AntifaschistInnen einzuschüchtern und anzugreifen.Ebenfalls bezeichnend für die Verbindungen zwischen der Berliner Kameradschaftsszene und den KWer Neonazis ist das diesjährige Oktoberfest in Zeuthen. Dort bedrohte eine Gruppe von bis zu 30 Neonazis, bewaffnet mit Baseballschlägern, BesucherInnen des Festes. Zuvor nahmen die Rechten an einer spontanen Demonstration in Berlin teil, auf der auch KWer Neonazis anwesend waren. Auch nach dem gescheiteten„Heldengedenken“ in Halbe 2005 machten KWer und Berliner Neonazis gemeinsame Sache: Am 14. November marschierten sie durch Halbe und versuchten, Kränze für gefallene Wehrmachtssoldaten abzuwerfen. Dabei wurden sie jedoch von der Polizei gestellt.Vor dem antifaschistischen Hackerangriff auf das Forum des neonazistischen Freien Widerstandes, bei dem interne Daten der bundesweiten Kameradschaftsszene offen gelegt wurden, gehörten auch KWer Neonazis zu dessen Usern. Marcel Siepler meldete sich dort unter dem Namen „AG_KWh“ an und beteiligte sich sporadisch an Diskussionen über rechte Musik und den Brandanschlag auf das „Le monde“. Mit dem Kürzel „AG_KWh“ wurden auch Einträge in Gästebücher des Anti-Antifa-Networks und den von KWer Antifagruppen unterzeichnet. Auf der Unterstützerliste eines rechten Aufmarsches am 3. Dezember 2005 in Berlin war die „Aktionsgruppe Königs Wusterhausen“ vermerkt – die Bedeutung des Kürzels „AG_KWh“ scheint nun gefunden.Dass die Neonazis zunehmend selbstbewusster und offensiver werden, zeigt ein Vorfall im Sommer 2005: Damals war eine Gruppe von Neonazis in den Jugendclub „Splirtz“ eingetreten. Dieser gilt als sicherer, da konsequent nazifreier Raum und als Rückzugsgebiet für Opfer rechter Gewalt. Die Rechten wurden von den BesucherInnen umgehend aufgefordert, den Club zu verlassen. Die Neonazis skandierten rechte Parolen und konnten erst durch die Polizei vom Clubgelände gebracht werden. Derzeit läuft in KW ein Prozess gegen einen der beteiligten Neonazis wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.Schon im August 2005 mussten sich Neonazis vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen verantworten.Sie wurden wegen eines rassistischen Übergriffes im Jahre 2004 angeklagt, bei dem sie drei Bhutanesen an der Aral-Tankstelle in KW angegriffen und verletzt hatten. Beteiligt waren an dem Angriff u.a. Marcel Kindl und Jens Luchterhand, beide sind in der Stadt ansässig und schon mehrfach wegen ähnlicher Delikte aufgefallen. Marcel Kindl war früher bei den „United Skins“ aktiv und nimmt noch immer an Neonaziaufmärschen teil.Zum festen Umfeld von Marcel Kindl gehört u.a. Mike Turau, der in Königs Wusterhausen wohnt. Er wurde in der Vergangenheit ebenfalls den „United Skins“ zugeordnet. Regelmäßig nimmt auch er an Aufmärschen der extremen Rechten teil. Zusammen mit seinen Kameraden Hundt und Michael Thalheim fährt er des Öfteren mit seinem Alfa-Romeo in Flammen-Optik durch die Stadt und beschimpft vermeintliche AntifaschistInnen.Seit Jahren besteht in KW und Umland ein loses, an Freundschaften ausgerichtetes, Netzwerk von Neonazis, das die Verbreitung von Informationen und punktuelle Zusammenarbeit ermöglicht. Diese lose Verbindung macht einen strömungsüberreifenden Kontakt und das Aufeinandertreffen von alteingesessenen Neonazis wie Kindl und der jungen Generation möglich. Zudem gelingt es den Rechten so ein Umfeld an gleichgesinnten „Mitläufern“ aufzubauen, das sich für verschiedenste Aktionen mobilisieren lässt.Bei Naziaufmärschen im gesamten Bundesgebiet sind KWer Neonazis regelmäßig anzutreffen. Zumindest in Berlin findet kaum noch ein Aufmarsch ohne die „Kameraden“ aus Königs Wusterhausen statt. Vereinzelt sind sie auch in deren Durchführung involviert gewesen und trugen, wie Thomas Heuchler oder Manuel Arnold, Transparente verschiedenster Neonazi-Gruppierungen (u.a. „BASO“ im Dezember 2004; „Nationaler Widerstand Berlin-Brandenburg“ ebenfalls im Dezember 2004, „Fire and Flames Berlin“ im August 2005).Der aktiven Naziszene und ihrem Umfeld gehören mindestens 15 Personen an. Zum Kern dieser Szene gehören Manuel Arnold, Marcel Siepler , Sebastian Lüdke, Michael Thalheim, Thomas Heuchler, Mike Turau und Marcel Kindl. Zusammen mit etwa 10 Personen aus ihrem Umfeld waren sie alle am 18. Juni 2005 auf einer, von Christian Worch angemeldeten Kundgebung in Halbe anwesend.
Derzeit ist davon auszugehen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Neonazis aus KW unter einem gemeinsamen Label den Schritt in die Öffentlichkeit wagen. Sie treten schon jetzt immer öfter in Erscheinung und legen ein fürs andere Mal radikalere Aktionsformen an den Tag. Vorläufiger Höhepunkt ihrer Umtriebe ist ein Brandanschlag auf ein Auto eines KWer Polizisten am 31. Oktober 2005. Der Anschlag in einem der Plattenbauviertel war offenbar ein gezielter Racheakt gegen den Polizeibeamten, der sich seit 2002 als Mitglied der Spezialeinheit „Tomeg“ (Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische Gewalt) mit der rechten Szene in der Kleinstadt befasste. Vier Neonazis im Alter von 15, 16, 17 und 24 Jahren wurden festgenommen. Die Polizei konnte die Tatverdächtigen so schnell ermitteln, weil sie beim Bentzinzapfen an einer nahen Tankstelle von der Überwachungskamera gefilmt worden waren. Gegen den Erwachsenen wurde Haftbefehl erlassen, ein Jugendlicher kam in ein Heim. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Einem Bericht des Berliner Tagesspiegels (6) zu Folge, „reagierte die rechte Szene mit Wut“ auf die Festnahme. Weiterhin hieß es in der Zeitung „Ein Neonazi meldete zwei Demonstrationen „gegen Polizeiwillkür“ vor der Wache in Königs Wusterhausen an. Die Aufzüge wurden verboten, die Neonazis wichen nach Berlin aus. Etwa 50 Neonazis, darunter frühere Mitglieder verbotener Kameradschaften, marschierten Anfang November durch Prenzlauer Berg und skandierten „Freiheit für nationale Sozialisten“
Potsdam, Anti Antifa Traditionsstadt
Auch wenn es still um die Potsdamer Neonaziszene geworden zu sein scheint, ist sie weiterhin aktiv. Ein Blick auf das Jahr 2004 zeigt, dass es zudem Bestrebungen gibt, besser organisierte Strukturen aufzubauen. Organisierte und unorganisierte Szenezusammenhänge gibt es dabei schon seit Jahren in Potsdam. Genauso wie der Intellekt der Organisierten nicht vorschnell überschätzt werden darf, darf auch die unorganisierte Szene nicht für ungefährlich gehalten werden.
Anti Antifas
Im Jahr 2004 wurde das so genannte „Anti Antifa Network – Sektion Potsdam“ aufgedeckt. Die Homepage dieser Gruppierung ist unregelmäßig online und hat neben nicht-rechten und linken Treffpunkten und Einrichtungen (zum Beispiel den Stadtjugendring) auch mehrere namentlich genannte Personen auf ihrer „Feindesliste“.Nachdem die ursprüngliche Version eine Weile nicht erreichbar war, tauchte sie unter dem Label „Antiantifa Network“ neben weiteren „Sektionen“ für Berlin, Brandenburg, Bayern, Sachsen und NRW auf einem argentinischen Naziserver wieder auf. Gingen die ersten Versionen wohl auf das Konto Potsdamer Neonazis, schienen für die aktuelleren, optisch verbesserten Seiten auch Berliner Neonazis mitverantwortlich gewesen zu sein. Ein Teil des ca. 20 Personen umfassenden Kreises der hinter dieser Seite bzw. dessen Erstellern steht, gehört zu einem aktivistischen Teil der Potsdamer Neonaziszene, der unter anderem mehrere Gewalttaten gegen nicht-rechte Jugendliche begangen hat. Zumindest mitverantwortlich für die Homepage der „Anti Antifa Potsdam“ ist oder war der Neonazi Oliver Kalies, der sich selbst dem Spektrum der freien Kameradschaften zurechnet. Bei ihm fand im Frühjahr 2004 eine Hausdurchsuchung statt.Die von den Neonazis initiierte Bezeichnung Anti Antifa zu übernehmen ist allerdings nicht unproblematisch, da dieser Begriff absichtlich gewählt ist, um neonazistischem Aktionismus und Gewalt eine scheinbare Begründung geben. Der Begriff suggeriert, „Anti Antifa“ wäre eine Reaktion auf einen „linken Terror“ und dient als Legitimation für Neonazis aktiv gegen nicht-rechte Menschen vorzugehen. Ein Blick auf die „Feindliste“ der Potsdamer „Anti Antifa“ zeigt, dass die Auswahl der dort aufgeführten Personen eher zufällig ist. Für einen „linken Terror“ steht demnach, wer sich gegen die extreme Rechte äußert oder engagiert.Der Versuch, eine „Anti Antifa“ oder kameradschaftliche Zusammenschlüsse in Potsdam zu initiieren, ist nichts Neues. Schon Mitte der 1990er Jahre tauchten in Potsdam immer wieder in diese Richtung zielende Plakate und Flugblätter auf. Im Dezember 1998 schrieb eine Potsdamer „Anti Antifa“ an Mitglieder der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Drohbriefe. Ebenfalls erhielt ein Mitglied der Kampagne 1998 mehrfach telefonische Morddrohungen. Durch eine Fangschaltung konnte festgestellt werden, dass der Anruf vom Telefonanschluss einer Person durchgeführt wurde, die dem näheren Umfeld der ehemaligen Potsdamer Naziband „Proissenheads“ zuzurechnen ist.
Musik & Waffen
Im August 1998 tauchten in Potsdam Plakate einer Gruppe „White Youth Potsdam“ auf. Die White Youth Germany war eine Gruppe die junge Neonazi
Skinheads an „Blood & Honour“ heranführen sollte.Für mediales Aufsehen sorgte der Versuch von Personen des Blood & Honour Spektrums im Juli 2000 gegen die linke „Die Stadt sind wir alle“ – Demonstration vorzugehen. Insbesondere gerieten hier die Neonazis Dirk Horn (B & H) und Uwe Menzel (Proissenheads) in Verdacht, wobei genauer gesagt der Verdacht bestand eine Racheaktion für das vorgeblich durch AntifaschistInnen abgebrannte Auto Horns sei geplant. Horn war neben Sven Schneider, Jens Rechlin, Nadine Schulz, Manuela Winkler, Henning Klinz, Ronny Mrose und Stefan Rietz eine treibende Kraft bei der Organisation von Nazikonzerten aus dem Blood & Honour Spektrum.Zuvor war Menzel in einen Waffendeal mit der Königs Wusterhausener Neonaziszene um Carsten Szczepanski (VS-Spitzel), Ralf Luckow und Ronny Müller (Klausdorf) involviert gewesen, bei welchem er sich ein Repitirgewehr anschaffte. In dieser Sache mussten sich auch die Potsdamer
Tino Wiesner, Marko Kühn und Christian Wenndorf (Rechtsrockband „Landser“) gerichtlich verantworten. Ein Zeuge in der Sache war im Übrigen
der hinlänglich bekannte Neonazi Hooligan Matthias Rettcke.Aktuell fühlt sich für das Fotografieren vermeintlicher politischer Gegner die 20-jährige Melanie Witassek verantwortlich. Ihr Dokumentationsdrang ist ungebremst und sie ist im gesamten Bundesgebiet auf Neonazidemos mit ihrer Kameraausrüstung unterwegs, um vermeintliche politische Gegner im Sinne der so genannten „Anti Antifa“ abzuknipsen.
Witassek ist seit etwa fünf Jahren in der Neonazi-Szene Potsdams tätig.
So scheint sie auch Verbindung zu den Musikern der Potsdamer Band Bloodshed (von denen einige schon bei den Proissenheads dabei waren) zu haben.
Im Beiheft einer CD ist ein Foto von ihr zu sehen. Bei der Gerichtsverhandlung gegen den Nazischläger Heiko Groch fotografierte Witassek BesucherInnen der Gerichtsverhandlung.
In den darauffolgenden Wochen machte sie wahllos Aufnahmen von linken Jugendlichen in der Innenstadt und fotografierte GegendemonstrantInnen am Rande der Neonazidemo am 30. Oktober 2004.
Anti-Antifa aktuell
Aktivisten der Potsdamer Anti Antifa waren bei mehreren Angriffen gegen linke und alternative Jugendliche beteiligt. Darunter fällt auch der Angriff auf den Jugend- und Kulturverein Chamäleon Sylvester 2002.
Rund 50 rechte Jugendliche griffen damals das Haus an, zerstörten Scheiben und schossen Feuerwerkskörper in die Räume.
Der Berliner Danny Leszinski und die Potsdamer Michael Genth und Thorsten Schürmann standen deswegen später vor Gericht.
Gerne besucht die Clique um Kalies und Witassek auch Dorffeste im Potsdamer Umland, wo für nichtrechte Jugendliche eine Bedrohungssituation entstand.
Mit dabei waren unter anderem Tom Singer, Sven Lisch, Jeanette Hoffmann, Danny Leszinsky, Enrico Paul, Jens Franke und Nancy Rosga. Viele dieser Neonazis wohnen auch in umliegenden Dörfern oder mittlerweile in Berlin.
Alle Überfälle aufzuzählen würde bei weitem den Rahmen eines Artikels sprengen und ist in Internet Chroniken ausführlich dokumentiert.
Auffällig wurde die gute Zusammenarbeit von Berliner und Brandenburger Neonazis erstmals am Rande von Prozessen in Folge des Angriffs aufs Chamöleon, eines Neonazi-Brandanschlages in KW und am Rande von Neonazi Aufmarsches in Dresden, Potsdam und Berlin.
Als Personenkreis der regelmäßig auffällt und mittlerweile teilweise daher in Haft ist gehören bzw. gehörten die Potsdamer Marco Helmstedt, Robert Meier, Max Gombert, Mathias Klein, Steffen Meyer, Roland Baumgarten, Tobias Geuner, Dustin Schlemminger, Tom Singer, Steffen Ewers, Michael Genth, David Walter, Christian Behnke, Hagen Beyer, Julia Müller, Jens Franke, Heiko Groch (Grocki), Benjamin Oestreich, Jan Wolter, Olaf Ernst, Matthias Fürst, Stefan Weigelt, Daniel Kolibius, Marcus Schiller, Matthias Rettcke, Mike Marten (Impi), Steve Schmitzer, André Obst, Melanie Witassek (Melle), Daniel Romeikat und Oliver Kalies.
Aus den umliegenden Landkreisen gehören Sven Lisch, Jens Knöchel, Martin Reichel, Oliver Schmidt, Thomas Pecht und Benjamin Forth dazu.
Aktuell stehen etliche Angehörige dieses Schlägermilieus in Potsdam wegen versuchten Mordes an zwei linken Jugendlichen seit Dezember 2005 in Potsdam vor Gericht. Neben Berliner Neonazis wie Oliver Oeltze, Marcell Schmeck und Thomas Markgraf auch die sattsam bekannten Potsdamer Oliver Kalies, Tom Singer und Thomas Pecht. Einer ihrer Anwälte ist der ehem. Anführer der nunmehr verbotenen Wiking Jugend Wolfram Nahrath.
Extrem Rechte beim Fußball
Beim Spiel des SV Babelsberg 03 am 12. April gegen den Frankfurter FC Viktoria kam es zu Provokationen von etwa 50 offenbar der rechten Szene zugehörigen Fans des Frankfurter Vereins. So skandierten sie Parolen und Gesänge wie „Arbeit macht frei – Babelsberg 03“, „Wir bauen eine U-Bahn von Babelsberg nach Auschwitz“, „Juden“ und „Zickzack, Zeckenpack“. Während etwa ein Viertel des Stadions darauf mit dem Ruf „Nazis raus“ reagierten, schien seitens Verantwortlicher – Polizei, Ordner, und Veranstalter – niemand einen Anlass zum Eingreifen zu sehen. Nach dem Oberliga-Fußballspiel Babelsberg 03 gegen BFC Dynamo am Ostermontag 2004 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Teams. Rechte Fans des BFC stürmten nach Ende des Spiels von der Tribüne auf das Spielfeld und bauten sich vor dem SVB-Fanblock auf. Unter ihnen waren auch bekannte Gesichter der Potsdamer Neonaziszene. Sie brüllten Sprechchöre wie „Juden, Juden“. Die Polizei griff erst Minuten später ein. Ein Babelsberg-Fan wurde krankenhausreif geschlagen. Die Auseinandersetzungen setzten sich noch außerhalb des Stadions fort. Bereits vor dem Spiel waren einige Potsdamer Neonazis im Fanladen des SVB aufgetaucht und hatten provozierten.Der sicher nicht letzte Vorfall passierte am 14. Mai 2005 als 20 Neonazihooligans ein Transparent mit dem Spruch „Hey ihr Zecken, eure Eltern sind Geschwister“ und klein daneben „Potsdam gegen links“ anbrachten. Solche Vorfälle durch rechte Fußballfans bei Spielen des SVB sind jedoch Einzelfälle. Durch die relativ hohe Zahl linker und antirassistisch eingestellter Fans des SVB sind jene immer wieder gewalttätigen Angriffen und Anfeindungen rechter Fans gegnerischer Mannschaften bei Auswärts- wie bei Heimspielen ausgesetzt. Auch werden solche Ausschreitungen durch rechte Fußballfans nicht selten im Vorfeld geplant und im Internet offen dazu aufgerufen. Die Affinität eines Teils der BFC-Fanszene zur neonazistischen Szene ist offensichtlich.
Unorganisierte Neonazis
Ein regelmäßiger Treffpunkt für unorganisierte Neonazis ist der Potsdamer Hauptbahnhof. Die sich hier aufhaltenden Nazis sind eher in losen Trinkergruppen verbunden. Der Bahnhof ist auch Umsteigepunkt für viele Neonazis aus den umliegenden Dörfern. Der Hauptbahnhof ist somit oft ein Ort von Pöbeleien, verbalen und auch körperlichen Angriffen von Rechten. Eine Gruppe Rechter trifft sich im Sommer gerne am Nuthe-Ufer. Die unorganisierte Szene ist ein erhebliches Problem in Potsdam. Diese Neonazis verüben oft spontane Angriffe, deren Auslöser die falsche Hautfarbe, ein falscher Blick oder die falschen Klamotten sein können. Die unorganisierte Szene ist wesentlich schlechter zu beobachten, spontane Gewaltausbrüche lassen sich nicht voraussehen und sich darüber hinaus auch schlechter verfolgen.Auch in Michendorf und Umgebung existiert ein recht großer Personenkreis, aus dem heraus oft Angriffe auf andere Jugendliche verübt werden. Hier fallen immer wieder Oskar Krob, Florian Gerricke, Christopher Schmidt und Jeanette Hoffmann auf.